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Gesundheitsvorsorge für Menschen aller Altersgruppen ist zentraler Bestandteil moderner Sozialpolitik

Für ein Präventionsgesetz hat die SPD viele Jahre gekämpft. Am 20. März 2015 hat nun die 1. Lesung des Gesetzentwurf der Bundesregierung „Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention (Präventionsgesetz – PrävG)“ stattgefunden. Dies ist der Start der parlamentarischen Beratungen im Deutschen Bundestag - endlich. Einig sind sich alle Fraktionen, dass das ein wichtiger Schritt ist. Einig sind sich alle auch, dass Gesundheitsförderung und Prävention in den Lebenswelten der Menschen wirksamer als bisher verankert werden muss. Die Gesundheitsvorsorge für Menschen aller Altersgruppen ist ein zentraler Bestandteil moderner Sozialpolitik.

Der Referentenentwurf für ein Präventionsgesetz ist Ende Oktober 2014 vorgelegt worden, im Dezember folgte der abgestimmte Kabinettsentwurf. Seit dem 6. Februar liegt die Stellungnahme des Bundesrates und seit dem 11. März die Gegenäußerung der Bundesregierung darauf vor. Fakt ist, dass die Fraktionen mehr als die Bundesregierung wollen. Fakt ist ebenfalls, dass es unterschiedliche Haltungen zu einigen Aspekten auch zwischen den Koalitionsfraktionen gibt. Dennoch hat das Gesetz - nach bislang drei gescheiterten Versuchen in den vorherigen Legislaturperioden -  aufgrund der bestehenden Mehrheitsverhältnisse im Bundestag gute Chancen, noch vor dem Sommer 2015 vom Deutschen Bundestag und vom Bundesrat verabschiedet zu werden. Rot-Grün hatte bereits 2005 ein echtes Präventionsgesetz vorgelegt, das CDU, CSU und FDP über den Bundesrat gestoppt haben. In der Großen Koalition (2005 bis 2009) hatte die Union noch einen weiteren Anlauf der SPD ausgebremst.

Gute Gesundheitschancen für alle Menschen jeder Altersstufe ausbauen

In unserer Gesellschaft des längeren Lebens sind Gesundheitsförderung und Prävention wichtiger denn je. Es gilt Krankheiten zu vermeiden, bevor sie entstehen. Dafür sollen Prävention und Gesundheitsförderung in allen Lebensbereichen erfolgen: in Kindertagesstätten, Schulen, im Betrieb oder in Pflegeeinrichtungen. Die betriebliche Gesundheitsvorsorge und der Altersschutz sollen enger verknüpft, die Früherkennungsuntersuchungen fortentwickelt und das Impfwesen gefördert werden. Das übergeordnete Ziel ist, gute Gesundheitschancen für alle Menschen im Land zu ermöglichen. Prävention und Gesundheitsförderung kann Leben verlängern und fördert auf jeden Fall die Lebensqualität.

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass Krankenkassen mindestens zwei Euro jährlich für jede/n Versicherte/n ausgeben müssen, um Betriebe bei der Gesundheitsförderung zu unterstützen. Pro versicherter Person sollen die Krankenkassen ab 2016 mindestens sieben Euro jährlich für Gesundheitsförderung und Prävention ausgeben - die Ausgaben lagen 2014 bei 4,11 Euro und 2013 bei noch bei 3,82 Euro. Das sind jährlich ab 2016 mindestens 490 Millionen Euro. Es besteht auch eklatanter Nachholbedarf. Das gilt auch für Pflegebedürftige, die in teil- bzw. stationären Pflegeheimen wohnen. Auch sie sollen Anspruch auf Präventionsleistungen erhalten.

Gerechtigkeit fördern

Wir SozialdemokratInnen wollen in den parlamentarischen Beratungen noch einige Änderungen vorschlagen. Das haben unsere RednerInnen am 20. März deutlich gemacht:

So verwies Helga Kühn-Mengel (SPD), die zuständige Berichterstatterin, darauf, dass der Zusammenhang von Armut und Gesundheitsproblemen viel stärker berücksichtigt werden müsse. Es muss Schluss sein mit: Wer arm ist, über weniger Bildung verfügt oder in schlechteren Wohnverhältnissen lebt, stirbt früher. Diese „ungleichen Gesundheitschancen sind zu verringern". Ganz wichtig sei es daher, die Kommunen einzubeziehen. Die Kommune sei der Ort des Präventionsgeschehens, hier könnten alle Menschen erreicht werden.

Gesundheitspolitik ist immer auch Gesellschaftspolitik, betonte auch Dr. Edgar Franke (SPD). Arbeitslosigkeit und sozialer Status haben Auswirkungen auf die Gesundheit. Prävention müsse daher mehr sein als Aufklärung. Vorbeugung sei enorm wichtig, dies gelte auch für die Volkskrankheit Diabetes, von der nicht nur Ältere sondern auch Kinder betroffen sind.

Marina Kermer (SPD) machte klar, dass es auch um Fürsorge, etwa für ArbeitnehmerInnen, die durch Stress krank geworden seien, geht. Da das Arbeitsleben für viele im Alltag eine dominannte Rolle innehat, ist die betriebliche Gesundheitsvorsorge so wichtig.

Die Gesundheitschancen von Kindern und Jugendlichen sind zu verbessern, darauf machte Martina Stamm-Fibich aufmerksam. So verweise die KIGGS-Studie - Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland - des Robert Koch-Institut immer wieder auf die Langfristfolgen von Bewegungsmangel und Adipositas.

Nachbesserungen noch unverzichtbar

Die SPD-Bundestagsfraktion begrüßt die Wandlung der Leistungen für Gesundheitsförderung und primäre Prävention zur Pflichtleistung der Krankenkassen. Wir halten die Übertragung von Beitragsgeldern - immerhin 35 Millionen Euro - auf die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), eine den Ministerien nachgeordnete Behörde, alleine schon ordnungspolitisch für nicht angebracht. Hier müssen anstelle der Beiträge der gesetzlichen Krankenversicherung Steuergelder zur Anwendung kommen.

Wir schlagen auch weitere Änderungen für das Gesetz vor, u.a.:

  • Einbringung von verbindlich festgelegten Regelungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen
  • Stärkere Ausrichtung auf Qualitätssicherung und Evaluation
  • Ein Budget für Präventionsforschung
  • Festlegung von mehr ressortübergreifendem Handeln
  • Einbeziehung aller Träger - also auch der Privaten Krankenversicherung.

Obwohl wir mit dem „ersten Aufschlag“ des Gesetzentwurfes zufrieden sind, nehmen wir die angemeldeten Verbesserungsbedarfe auch seitens vieler Sozialverbände sehr ernst.

Reaktionen auf die erste Lesung

Die Arbeiterwohlfahrt begrüßt „ein Gesetz, das auf die Verbesserung der Gesundheit der gesamten Bevölkerung abzielt“. Präventionsstrategien sind aber nur dann erfolgreich, wenn es ihnen gelingt, gesundheitsförderliche Lebens-, Wohn- und Arbeitsbedingungen für alle Menschen zu gestalten. Denn nur so kann sozialer und damit einhergehender gesundheitlicher Ungleichheit entgegengewirkt werden.

Deutlichen Nachbesserungsbedarf sieht der Paritätische Wohlfahrtsverband: „Die bisherigen Pläne der Bundesregierung markierten zwar wichtige Schritte in die richtige Richtung, seien jedoch nicht ausreichend, um die gravierende sozial bedingte gesundheitliche Chancenungleichheit in Deutschland nachhaltig zu reduzieren“. Wichtig ist insbesondere ein stärkerer Fokus auf das Wohn- und Lebensumfeld.

Der Sozialverband Deutschland (SoVD) will die Privaten Krankenkassen stärker in das Präventionsgesetz einbeziehen. "Der Gesetzentwurf verengt die Leistungen der Prävention zu sehr auf die gesetzlichen Krankenkassen. Daraus erwächst die Gefahr von Leistungsverschiebungen auf Kosten der Versicherten. Zudem muss die Private Krankenversicherung stärker einbezogen werden. Denn Prävention ist keine alleinige Aufgabe der gesetzlichen Krankenkassen."

Hauptkritikpunkt des Sozialverband VdK Deutschland ist die Verteilung der Mittel. „Man beschränkt sich weiter auf punktuelle Leistungsverbesserungen. Insgesamt sind Prävention und Gesundheitsförderung im Bereich der Krankenversicherung auch dann noch unterfinanziert. Sie sind aber gesamtgesellschaftliche Aufgaben. Alle Sozialversicherungsträger und die private Kranken- und Pflegeversicherung müssen in die Pflicht genommen werden“. Außerdem würden mit dem Präventionsgesetz Bevölkerungsgruppen wie Langzeitarbeitslose, Ältere oder Menschen mit Behinderung kaum erreicht. Dabei würden diese in besonderem Maße von Vorsorge profitieren.

ÄrztInnen müssen bei der Prävention erste AnsprechpartnerInnen, so lautet die Forderung der Bundesärztekammer und der Kassenärztlicher Bundesvereinigung in einer gemeinsamen Presseerklärung. "Die Ärzte erreichen Patienten aller gesellschaftlichen Schichten und können sie auf die Wahrnehmung gesundheitsförderlicher Angebote ansprechen." Die Einrichtung einer "Nationalen Präventionskonferenz" wird scharf kritisiert. In dieser sind zwar die Sozialversicherungsträger, Ministerien, Länder- und PatientenvertreterInnen als Mitglieder einbezogen, die Spitzenorganisationen der Ärzteschaft aber bislang nicht. Sie fordern zudem ein umfassendes ärztliches Präventionsmanagement, das sowohl die Exploration gesundheitlicher Belastungen als auch ärztliche Beratung und Begleitung von Präventionsaktivitäten sowie deren Bewertung umfasst.

Nachbesserungsbedarf am neuen Präventionsgesetz sieht auch der GKV-Spitzenverband, die zentrale Interessenvertretung der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen. Kritisiert wird die vorgesehene Quersubventionierung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) mit rund 35 Millionen Euro jährlich aus Beitragsgeldern. Das sei „weder fachlich noch ordnungspolitisch sinnvoll“. Für die Präventionsaufgaben der Krankenkassen brauche es keine zentralistische Bundesbehörde als Subdienstleister. Begrüßt wird aber, „dass mit dem Gesetz über eine nationale Strategie Primärprävention und Gesundheitsförderung gestärkt werden sollen und dass dabei ein eigener Gestaltungsspielraum auf Landesebene vorgesehen ist."

Das Präventionsgesetz gehört also zu den Gesetzen, für die das Struck'sche Gesetz gilt: „Kein Gesetz kommt so aus dem Bundestag raus, wie es reingegangen ist“.