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Staatsbesuch in Malta zusammen mit Bundespräsident Joachim Gauck und Daniela Schadt

Die Herausforderungen einer gemeinsamen europäischen Flüchtlings- und Migrationspolitik standen im Mittelpunkt des Staatsbesuchs von Bundespräsident Joachim Gauck und Daniela Schadt vom 29. bis 30. April 2015 in der Republik Malta. Als Vorsitzende der deutsch-maltesischen ParlamentarierInnengruppe hatte die Freude und Ehre Teil der Delegation sein zu können. Mit dabei waren auch KollegInnen der CDU und Bündnis 90/Die Grünen, sowie der Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Manfred Schmidt, und zahlreiche JournalistInnen.

Prall gefülltes Besuchsprogramm

Die Botschafter beider Staaten Klaus-Peter Brandes, Botschafter der Bundesrepublik Deutschland, und der in Berlin ansässige Botschafter von Malta, Dr. Albert Friggieri, begleiteten uns den ganzen Tag. Voller Staunen habe ich an diesem Donnerstag erlebt, wie MedienmacherInnen und viele Personen des Protokolls, des BKA´s, der Fahr- und Flugbereitschaft und noch viele mehr auf deutscher und maltesischer Seite zum erfolgreichen Gelingen eines Staatsbesuches beitragen. Ihnen allen sei für die Organisation eines „prallen Programms“ herzlich gedankt:

09:25 Uhr: Gespräch mit Premierminister Joseph Muscat

10:25 Uhr: Besuch des Offenen Flüchtlingszentrums

11:20 Uhr: Gespräch mit ExpertInnen verschiedener NGO´s zur Flüchtlingspolitik

13:35 Uhr: Kranzniederlegung am "Cenotaph"-Ehrenmahl

13:50 Uhr: Mittagessen, gegeben vom Premierminister der Republik Malta

15:35 Uhr: Besichtigung der St. John’s Co-Cathedral

17:25 Uhr: Gespräch mit dem Vorsitzenden der Oppositionspartei Partit Nazzjonalista, Simon Bussutil

17:55 Uhr: Gespräch mit dem Parlamentspräsidenten, Anglu Farrugia

18:25 Uhr: Pflanzung eines Baumes

19:00 Uhr: Verabschiedung mit militärischen Ehren auf dem Flughafen

19:25 Uhr: Abflug in Malta, 22:10 Ankunft in Berlin.

Am Abend zuvor fand ein Staatsbankett, gegeben von der Präsidentin der Republik Malta, Marie-Louise Coleiro-Preca, im Großmeisterpalast in Valletta statt. Bundespräsident Gauck betonte in seiner Ansprache: "Fünfzig Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Malta und Deutschland - das ist eine Erfolgsgeschichte. Denn unsere Beziehungen sind seit jeher vertrauensvoll. Sie profitieren von dem engen politischen Austausch, vor allem innerhalb der Europäischen Union, und der stetig intensiver werdenden wirtschaftlichen Verflechtung."

Gauck fordert mehr europäische Solidarität und gerechte Verteilung von Flüchtlingen

Bundespräsident Joachim Gauck hat sich für eine gerechtere Verteilung der Flüchtlinge aus dem Mittelmeergebiet in die Länder der EU ausgesprochen. Es müssten mehr Länder in Europa eine stärkere Verantwortung für das Schicksal der zu uns kommenden Menschen übernehmen. Meinem Eindruck nach unterstützt er das Kippen bzw. Lockern der Dublin-II-Regeln, wonach das Erstaufnahmeland in der EU für AsylbewerberInnen zuständig bleibt, und favorisiert eine europäische Quotenregelung. Er plädiert auch für mehr gesteuerte Zuwanderung nach Europa, nach Deutschland: "Ich glaube, dass es für die Bevölkerung in Deutschland hilfreich wäre, die Flüchtlingspolitik der Regierung zu akzeptieren, wenn es zu einer Quotenregelung kommt, sodass dieses starke Gefälle zwischen Ländern, die fast gar keine Flüchtlinge aufnehmen in Europa und Ländern wie Schweden und Deutschland, die sehr viele Flüchtlinge aufnehmen, wenn wir dies Gefälle abbauen würden.“. Ein „Weiter so wie bisher“ kann es nach den erneut vielen Toten und - nach dem meiner Meinung nach ergebnis- und lösungslosen - EU-Sondergipfeltreffen auf keinen Fall geben.  

Gauck fordert, dass wir uns in Deutschland intensivere Gedanken über mehr legale Zugangsmöglichkeiten für Flüchtlinge zum Arbeitsmarkt machen müssen. Er begrüßt ausdrücklich den in Deutschland wahrnehmbaren Wandel hin zu einer größeren Bereitschaft, Flüchtlinge aufzunehmen. "Vor 20 Jahren konnte man noch mit einer gepflegten Fremdenfeindlichkeit in den Wahlkampf ziehen und dann hoffen, dass es Erfolg bringt. Das würde heute keine Partei mehr machen außer derer, die nicht drin sind im Deutschen Bundestag."

Gespräche mit maltesischen PolitikerInnen

Premierminister Dr. Joseph Muscat spricht sich gegen die Abschottung Europas und kriminelle Schlepperbanden aus. Für Europa dürfe nicht nur die östliche Partnerschaft sondern auch die mit den Anrainerstaaten im Süden Europas auf der Agenda stehen – eine Forderung, die Joseph Muscat schon während seines Besuches am 4. Februar dieses Jahres deutlich herausgestellt hat.

Er begrüßte den auf dem Sondergipfel des Europarates gefassten Beschluss der RegierungschefInnen, im Herbst dieses Jahres einen „Europa-Afrika-Gipfel“ in Malta stattfinden zu lassen. Auf dem „Europa-Afrika-Gipfel“ müsse mit den afrikanischen Partnerländern über einen Ausbau der politischen Zusammenarbeit diskutiert werden, um die „illegale Migration“ zu bekämpfen und um mehr legale Zuwanderungsmöglichkeiten zu schaffen. „Es reicht nicht, nur mit den Mittelmeeranrainern zu sprechen. Die meisten Immigranten kommen von viel weiter her, aus Afrika und Asien“, so die Präsidentin Marie Louise Coleiro-Preca.

Nach den erneuten Flüchtlingskatastrophen mit mehr als 1000 Toten im Mittelmeer hatten sich die 28 Staats- und RegierungschefInnen bei ihrem Krisentreffen am 23. April 2015 auf ein Zehn-Punkte-Programm verständigt, dessen Säulen die Verbesserung der Seenotrettung, der Kampf gegen die kriminellen Schleuserbanden sowie erste Versuche mit einer gerechteren Verteilung der aufgenommen Flüchtlinge darstellen. Die Parlamentarische Versammlung des Europarates sprach von „unzureichenden Maßnahmen“, denn über ein Quotensystem zur gerechten Verteilung der ankommenden Flüchtlinge gemäß der Wirtschaftskraft und Bevölkerungszahl sei nicht beraten worden.

Regierungs- als auch Oppositionsvertreter der kleinen Mittelmeerinsel Malta fordern mehr Solidarität zwischen den europäischen Staaten. Nach Lampedusa sei Malta wegen seiner geografischen Lage im Mittelmeer eine der Hauptanlaufstellen für Schiffe mit Flüchtlingen, die nach Europa kommen wollen. Der am dichtesten besiedelte EU-Staat Malta mit seinen 425.000 EinwohnerInnen auf der Fläche Münchens sei damit aber überfordert. Notwendig sei eine gesamteuropäische Lösung, etwa eine Quotenregelung. Viele der Flüchtlinge betrachten Malta sowieso eher als „Durchgangsstation“ und nicht als das Land, in dem sie in Europa bleiben wollen.

Malta sei mit vier Prozent Wachstum ein wirtschaftlich prosperierendes Land und könne daher auch seine sozialen Standards, zum Beispiel eine kostenfreie Kinderbetreuung oder mehr Maßnahmen zur Förderung einer höheren Erwerbstätigkeit von Frauen, ausbauen. Hinsichtlich der Aufnahme vieler Flüchtlinge sei Malta aber überfordert. Derzeit gäbe es für Flüchtlinge im Grundsatz folgende Arbeitsmöglichkeiten: die Tätigkeiten, die die MalteserInnen nicht mehr machen wollen oder aber sehr spezialisierte Berufstätigkeiten. Auszubauen seien in Malta Beschäftigungsmöglichkeiten für Menschen mit technischem Know How, die meisten Flüchtlinge würden diese Qualifikationen aber nicht mitbringen.

Vertreter der maltesischen Labour-Regierung betonen ihren Wunsch nach einer engeren Kooperation zwischen dem größten und dem kleinsten EU-Land, zwischen Deutschland und Malta. Jahrhundertelang sei die Mittelmeerinsel Malta eine Front des Kulturkampfes zwischen Christentum und Islam gewesen. Heute könne Malta eine gute Brücke zwischen der europäischen, der arabischen und der afrikanischen Regionen und Kulturen werden. Malta wisse, dass Deutschland bei der Diskussion um die Zukunft der Europäischen Nachbarschaftspolitik - gerade auch durch seine geographische Lage in der Mitte Europas - eine bedeutende Scharnierfunktion zwischen den südlichen und östlichen EU-Mitgliedsstaaten und ihren Partnerländern zukomme. Beide Staaten teilten die gemeinsamen europäischen Werte, gemeinsam gelte es diese in der Flüchtlings-und Migrationspolitik neu auszugestalten. Der Bundesrepublik wird dafür gedankt, dass diese in Anerkennung der besonderen Rolle von aktiver Nachbarschaftspolitik, seit fünf Jahren einen Lehrstuhl für Friedens- und Konflikforschung an der Mediterranean Academy of Diplomatic Studies (MEDAC) der Universität Malta finanziert. Hier werden arabische DiplomatInnen ausbildet.

Im Rahmen einer aktiven Nachbarschaftspolitik kommt der deutsch-maltesischen ParlamentarierInnengruppe eine bedeutsame Rolle zu.

Bundespräsident Gauck betont die Verlässlichkeit deutscher Außenpolitik gerade auch in der Zusammenarbeit mit den kleineren EU-Partnern. Er betont in diesen Gesprächen die Pflicht Europas, Lasten zu teilen, sprich ein gerechtes europäisches Asylverfahren zu entwickeln. Das sei heute Bestandteil des Teilens europäischer Werte.

Flucht über Libyen

Viele der in Malta „gestrandeten“ Flüchtlinge kommen aus afrikanischen Staaten über Libyen nach Malta. Sie haben schon vor ihrer Ankunft in Libyen und der Schleppertour über das Mittelmeer eine lange und gefährliche Flucht hinter sich. Sie kommen aus Ländern südlich der Sahara, oder aus Somalia, Sudan oder Eritrea, landen im libyschen Auffanglager Misrata - und wollen von hier aus per Schlepperboot nach Europa. Sie wollen dem Krieg in ihren Heimatländern oder der Diktatur wie in Eritrea entkommen, haben die Hoffnung auf ein Leben und eine Perspektive dort aufgegeben. Ihre Familien, manchmal ein ganzes Dorf hat für die Überfahrt eines Einzigen viel Geld zusammengelegt. Zumeist kommen sie über die offene und unbewachte südliche Grenze nach Libyen. Hier warten die Schlepper. Der libysche Staat greift kaum ein, denn Libyen selbst ist mit seinen zwei um die Macht konkurrierenden Regierungen ein Land im Zerfall, ein „failed state“. Das Auswärtige Amt warnt wegen der extrem unübersichtlichen und unsicheren Lage im ganzen Land vor Reisen nach Libyen. Zur Vermeidung einer großen humanitären Notlage muss bereits hier Hilfe ansetzen.

Besuch im Flüchtlingszentrum „Marsa Open Centre“

Wir haben ein sogenanntes offenes Lager für tolerierte oder akzeptierte Flüchtlinge besucht. 2005 hat die maltesische Regierung das Flüchtlingszentrum Marsa Open Centre eingerichtet, da immer mehr MigrantInnen die geschlossenen Lager verließen und in Malta blieben. Ab Oktober 2015 wird das Zentrum von der öffentlichen Hand geleitet und der Agentur für die Betreuung von AsylbewerberInnen (Agency für the Welfare of Asylum Seekers - AWAS) zugeordnet sein. Durchgeführt wird diese Maßnahme vor dem Hintergrund der Umsetzung einer neuen Politik zur Schaffung von Alternativen zu den geschlossenen Lagern.

Das Zentrum hat eine Kapazität für bis zu 500 MigrantInnen, derzeit leben dort aufgrund der Umwidmung nur 130 Personen. Neben der Unterkunft stehen den BewohnerInnen SozialarbeiterInnen sowie Klassen- und Computerräume zur Verfügung. Ziel ist es, den BewohnerInnen dabei zu helfen, eine legale Beschäftigung aufzunehmen und Unabhängigkeit vom Asylsystem zu erlangen, während sie sich auf den nächsten Schritt in ihrem Leben vorbereiten, ob nun in Malta, in anderen Europäischem Mitgliedsstaaten, den Vereinigten Staaten von Amerika oder ihrem Herkunftsland. Vor Ort ist auch ein ehrenamtlich tätiger Arzt - als Pensionär hat er seine Praxis an den Sohn weitergegeben.
Die Gebäude wurden mit Mitteln der maltesischen Regierung und des Europäischen Sozialfonds renoviert. 

Die Unterbringungsmöglichkeit für die zumeist jungen Menschen sind eng - zum Teil acht Betten in einem Schlafsaal. Mir gegenüber wurden gerade die vor Ort-Vermittlungsbemühungen auf den ersten Arbeitsmarkt als positiv herausgestellt. Die jungen Männer begrüßen es auch sehr, sich frei bewegen zu können. Groß war der Wunsch, mit dem Bundespräsidenten zu reden. Gauck forderte erneut eine konsistente europäische Zuwanderungspolitik: "Wir sind schon solidarisch, ich freue mich drüber, aber insgesamt können wir in Europa sicher mehr tun, und wir müssen uns insgesamt über die einzelnen Schritte verständigen."

KritikerInnen werfen Malta eine Abschreckungspolitik und eine mangelnde Integrationspolitik vor. Sie beklagen, dass die nach Europa geflohenen Menschen aus den Krisengebieten des Mittleren Osten oder aus Afrika zunächst bis zu 18 Monate unter schlechten Bedingungen in geschlossenen „Detention-Camps“ untergebracht, sprich inhaftiert werden. Die maltesische Regierung hat Änderungen an dieser Aufnahmepraxis angekündigt. So sollen für Minderjährige und Schwangere künftig andere Formen der Erstunterbringung geschaffen werden.

Über die Flüchtlingspolitik in Malta wollte Gauck vor Ort der Presse gegenüber keine Zensuren verteilen, „mit den Verbesserungsvorschlägen halte ich mich zurück". Er äußerte sich vielmehr im Hinblick auf Deutschland wie folgt: "Hier in diesem Lager, das ein offenes Lager ist, sind mir Menschen begegnet, einige werden nicht als Asylanten, nicht als politische Flüchtlinge anerkannt werden, weil sie aus Ländern kommen, wo kein Bürgerkrieg herrscht. Das stellt uns dann die Frage: Wollen wir die alle zurückschicken oder brauchen wir die nicht trotzdem?". Sein eindringliches Plädoyer für eine Willkommenskultur in Deutschland ist authentisch. Mir gegenüber äußerte ein Flüchtling aus Somalia, dass er gerne weiterreisen wolle. Für ihn ist Malta ein Durchgangsland. Er wolle hier nicht dauerhaft bleiben, die Chancen hier einen dauerhaften Arbeitsplatz zu finden, seien sehr gering.

ExpertInnengespräch mit NGO-VertreterInnen

Auch ein spannendes Gespräch mit VertreterInnen von Nichtregierungsorganisationen über die Integration von Flüchtlingen in Malta und für Europa stand auf der Tagesordnung. Der Botschafter der Bundesrepublik in Malta, Klaus-Peter Brandes, begrüßte die VertreterInnen von Nichtregierungsorganisationen und die ExpertInnen. An dem Austausch nahmen teil: Jon Hoisaeter, Leiter UNCHR Büro Malta, Pfarrer Dieter Paul von der Andreas Gemeinde Malta, Malin Larsson-Grave, Planungs-und Koordinationsbeamtin im Operativen Unterstützungszentrum des Europäischen Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO), Dr. Ahmed Bugri, Leiter der Foundation für Shelter and Support to Migrants (FSM), Father Mark John Cachia, Jesuit Refugee Servis - JRS), Dr. Neil Falzon, Direktor von „Aditus“ und Mario Gerade, Integra Foundation. Am Anfang wurde anhand einer Präsentation die Situation von Flüchtlingen auf Malta veranschaulicht.

Bundespräsident Gauck erklärte, dass ihn das tausendfache Sterben im Mittelmeer sehr bewege. Die Situation in vielen afrikanischen Staaten fordere unsere Hilfe geradezu heraus. Er gratulierte dem Jesuitischen Flüchtlingsdienst (JRS), deren Direktorin Dr. Katrine Camilleri, am 29. April 2015 den Roland-Berger-Preis für Menschenwürde in Berlin entgegen nehmen konnte.

Uneinigkeit auch unter den NGO´s besteht hinsichtlich der Einschätzung, ob sowohl die Malteser sich selbst als Durchgangsland sähen und ob auch die vielen Bootsflüchtlinge, Malta lediglich als Durchgangsstation sehen. Eine gesellschaftliche Klärung sei wichtig, da dies insbesondere die Grundlage einer Integrationspolitik für Malta sei. Die gesellschaftliche Verortung sei aber auch bedeutsam für die gesamte Europäische Union.

Während Dr. Neil Falzon nicht der Meinung ist, dass alle Flüchtlinge Malta schnellstens verlassen wollen und folglich einen Ansatz „Malta als Durchgangsstation“ für falsch hält, ist Dr. Ahmed Bugri, der augenblicklich das “Marsa Open Center” leitet, davon fest überzeugt. Falzon ist Gastdozent an der Universität Malta u.a. zu Menschrenrechts- und Migrationsfragen, und leitet das Malta-Büro von Amnesty International. 2011 gründete er die Nichtregierungsorganisation „Aditus“. Dr. Bugri verweist aber auf einen anderen Aspekt: Die Stimmen der NGO´s seien mittlerweile unüberhörbar in der noch jungen Integrationspolitik Maltas. Hauptakteur für die Integrationspolitik sei in erster Linie das Innenministerium und nicht das Integrationsministerium.

Dr. Falzon plädiert für mehr Möglichkeiten für legale Wege nach Malta und in die gesamte Europäische Union. „Malta ist ein gutes Land“, Malta müsse Teil der europäischen Lastenteilung und der Verantwortungsteilung sein. Gefordert wird der Ausbau von humanitären Visa. Geschlossene Lager würden auf jeden Fall EU-Recht verletzen. Er bedauert, dass es in Malta zu wenige Menschen gäbe, die bei der Integration helfen. Auch aus diesem Grunde fehlt es an flüchtlingsbezogenen Dienstleistungen.

Dr. Bugri wünscht sich mehr Aufklärung und Begegnung. Man könne in Malta nicht 800 „schwarze Männer“ zusammenstecken, die alle permanent Angst haben, dass sie zurück geschickt würden und außerdem keine Perspektive, eingebürgert zu werden. Er verwies auf die vielen psychischen Traumata der jungen Männer und fragte, wie Deutschland hier helfen könne. Die europäische Gesellschaften stünden vor einem Wandel: Seien sie vor 15 Jahren noch eine „weiße Gesellschaft“ gewesen, müssten sich die BürgerInnen nun an „schwarze NachbarInnen“ gewöhnen. Er fordert, dass jedes EU-Land entsprechende Bedingungen für eine Integration zu schaffen habe. Dazu gehöre auch der Kampf gegen Rassismus.

Der Jesuitische Flüchtlingsdienst kümmert sich nach Aussagen von Father Mark John Cachia schwerpunktmäßig um die “vulnerablen Gruppen” unter den Bootsflüchtlingen. Er fordert die Abschaffung bzw. zumindest eine drastische Verringerung der Internierungszeit für alle. Auf jeden Fall gehörten weder unbegleitete Minderjährige noch Schwangere in die geschlossenen Lager.

Pfarrer Dieter Paul kritisiert die zu geringen Ausstattungen in den Lagern und bedauert, dass es zu wenig Zusammenarbeit zwischen den Organisationen gibt. Er fordert Zentren zur Behandlung von schwer traumatisierten Flüchtlingen, Kindern, vergewaltigte Frauen und Kriegsopfern.

Jon Hoisaeter, Leiter UNCHR Büro Malta, befürchtet weitere Flüchtlingskatastrophen im Mittelmeer und fordert daher einen Ausbau der Such- und Rettungskapazitäten im Mittelmeer. Zu klären sei das jeweilige Mandat. Außerdem müssten mehr legale Zugangswege nach Europa geschaffen werden. Hoisaeter verweist darauf, dass 50 Millionen Menschen auf der Flucht sind. Fluchtbewegungen seien eine globale Herausforderung, die kein baldiges Ende haben werde. Auch die Menschen, die nicht in Europa seien, bräuchten dringend Hilfe. Es bedarf eines abgestimmten europäischen Integrationsrahmens.

Hauptaufgabe des Unterstützungszentrum des Europäischen Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) ist die Stärkung der praktischen Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten im Asylbereich, informiert Frau Malin Larsson-Grave. EASO erleichtere den Informationsaustausch in Asylfragen zwischen den Mitgliedstaaten und erstelle Analysen zur Unterstützung besonders belasteter Mitgliedstaaten, die durch ihre geographische Lage plötzlichen Massenzuströmen schutzbedürftiger Personen ausgesetzt sind. Eingeschätzt werden soll der Unterstützungsbedarf unter anderem durch Asyl-Unterstützungsteams, die den betroffenen Mitgliedstaat vor Ort beispielsweise bei der Organisation von Dolmetscherdiensten, Vermittlung von Herkunftsländerinformationen oder bei der Verwaltung von Asylvorgängen, Schulungen für MitarbeiterInnen von Justiz- und Verwaltungsbehörden helfen, sowie Hilfen bei der Neuansiedlung von Personen unter internationalem Schutz in der EU (Resettlement) ermöglichen. 

Bundespräsident Gauck: faire Lastenverteilung in der Asylpolitik

Europäische Quotenregelung, Auflockerung der Dublin-II-Bestimmungen, sprich Bewegungsfreiheit für Flüchtlinge, legale Zugangswege, Ausbau humanitärer Visa sind Stichworte, die uns während des Tages in nahezu allen Gesprächen begegneten.

Alle deutschen Gäste erkennen an, dass Malta gerade für die Bootsflüchtlinge ein Zufluchtsort ist. Wir alle sind der Meinung, dass es eine gesamteuropäische Verantwortung ist, diesen Menschen solidarisch zu begegnen. Ziel der europäischen Flüchtlingspolitik müsse es nach Meinung Gaucks sein, nicht nur die „Grenzen Europas, sondern an diesen Grenzen auch Menschenleben zu schützen“. Verstanden haben wir die Aufforderung, sich aus diesem Grunde viel intensiver mit den Ursachen der Flüchtlingsströme aus Nordafrika und dem Mittleren Osten zu beschäftigen.

Ich unterstütze die Haltung von Bundespräsident Joachim Gauck, der sich für eine gemeinsame Verantwortung und für eine gerechtere Verteilung der Flüchtlinge aus dem Mittelmeergebiet in die Länder der Europäischen Union ausspricht. Ich unterstütze die Forderung nach Schaffung von mehr legalen Zugangsmöglichkeiten auch nach Deutschland und die damit verbundene Änderung der Dublin-II-Bestimmungen.

Fakt ist: Betroffenheit angesichts der vielen Toten im Mittelmeer reicht nicht mehr aus, auch das damit verbundene Problembewusstsein nicht. Es bedarf wirkungsvoller Lösungen - viele lassen sich nur auf europäischer Ebene finden. Dafür müssen wir uns als deutsche Gesellschaft und Regierung stark machen.