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Cédric Kekes berichtet über das Planspiel Jugend und Parlament

Der Deutsche Bundestag hat ein vielfältiges Besucherprogramm. Neben der beliebten Kuppelbesichtigung gibt es Vorträge und Führungen. Zudem bietet der Besucherdienst spezielle Angebote für Kinder und Jugendliche an. Das Highlight unter diesen Angeboten ist das Planspiel „Jugend und Parlament“. Hierbei schlüpfen Jugendliche in die Rolle von Bundestagsabgeordneten und erleben die Parlamentsarbeit.

Für Jugend und Parlament 2015 habe ich Cédric Kekes als „Bundestagsabgeordneten für vier Tage“ ausgesucht. Cédric kommt aus Mariendorf, ist Schüler und Mitglied des Tempelhof-Schöneberger Kinder- und Jugendparlaments. Als er mich in meinem Büro besucht hat, habe ich ihn gebeten über seine Zeit als „Parlamentarier“ zu berichten:

Meine 4 Tage als Abgeordneter

Von Samstag, dem 13.06.2015 bis zum Dienstag, dem 16.06, fand, wie jedes Jahr, wieder einmal das Planspiel „Jugend und Parlament“ des Deutschen Bundestags statt. Bei diesem Planspiel kann jeder Bundestagsabgeordneter einen Jugendlichen aus seinem Wahlkreis einladen, damit dieser für vier Tage die Rolle eines Abgeordneten einnimmt; eine einmalige Möglichkeit, das Gesetzgebungsverfahren in Deutschland und die Tätigkeit eines Abgeordneten zu erleben und zu verstehen. In diesem Jahr erfuhr mich die Ehre, durch Frau Mechthild Rawert, MdB eingeladen zu werden.

Das Planspiel begann für mich am Samstag gegen 16:30 Uhr im Paul-Löbe-Haus. Dort erfuhren wir als erstes, welcher der fiktiven Parteien wir zugelost worden waren. Im Planspiel wird jede der im Bundestag vertretenen Parteien durch eine fiktive Partei ersetzt, die Zahlenverhältnisse bleiben jedoch gleich. Die Zuteilung erfolgt, wie schon gesagt, durch das Los, um einerseits den Spielcharakter zu betonen, andererseits auch um das Bewusstsein für andere politische Positionen zu schärfen.

Ich wurde der ÖSP, den Bündnis 90/Grünen des Planspiels zugeteilt; anschließend ging es auch gleich in die Fraktionssitzung. Dort stand erst einmal das gegenseitige Kennenlernen an, was in solch kleiner Runde von 32 Abgeordneten in sehr entspannter Atmosphäre von sich ging. Im weiteren Verlauf wählten wir unsere Fraktionsvorsitzenden (natürlich eine Doppelspitze) und die Schriftführer für die Plenarsitzung am Dienstag. Danach ging es los mit der Vorbereitung der vorliegenden Gesetzesentwürfe, vier an der Zahl, zum Thema Chancengleiche Bewerbung, Einwanderungsgesetz, EU-Beitritt und Tierschutz in der Landwirtschaft. Nach Abschluss der Fraktionssitzung gab es noch ein gemeinsames Abendessen, bevor wir dann getrennte Wege gingen, der Großteil ins Hostel, ich zurück nach Hause.

Der Sonntag begann um 09:00 Uhr im Reichstagsgebäude, wieder in den Fraktionssitzungssälen.
Von nun an spielten wir die Rolle unserer fiktiven Abgeordneten, ein neuer Name, eine neue Identität. Die Fraktionssitzung begann mit einer allgemeinen Debatte über die vorliegenden Gesetzesentwürfe, bevor wir dann, je nach Ausschusszugehörigkeit, begannen, in Arbeitsgruppen jeweils einen Gesetzesentwurf zu diskutieren. Ich beschäftigte mich mit dem Einwanderungsgesetz. Nach einem Mittagessen und einer anschließenden zweistündigen Pause, die ich zur Besichtigung der Liegenschaften des Deutschen Bundestages nutzte, ging es mit der „Berliner Runde“ weiter, in der die Fraktionsvorsitzenden sich den Fragen der „Jungen Presse Deutschland“ stellen mussten. Wir als Oppositionsfraktion kamen dabei etwas zu kurz, dass scheint aber leider das Los der Opposition zu sein. Danach ging es wieder in die Arbeitsgruppen, die der Fraktion eine Beschlussvorlage erarbeiteten, die anschließend von der Fraktion diskutiert und verabschiedet wurde.

Die erste Lesung der Gesetzesentwürfe am Montag war wohl für alle Beteiligten ein Erlebnis, einmal im Plenarsaal des Deutschen Bundestages Platz zu nehmen. Zwar fand diese ohne Aussprache statt, aber dennoch war es ein erhebender Moment. Des Weiteren bot es einen Vorgeschmack auf das, was uns in den Ausschüssen erwarten würde, die Übermacht der Großen Koalition. In der darauffolgenden Ausschusssitzung wurde dies einmal mehr deutlich, das Verhältnis betrug 20 zu 6.
Ich gehörte dem Innenausschuss an, in welchem wir uns mit dem Einwanderungsgesetz beschäftigten. Zu Anfang der Ausschusssitzung gelang es uns, einen durch die APD (SPD) eingebrachten Änderungsantrag mit einer rot-rot-grünen Mehrheit durchzubekommen, etwas, dass in allen anderen Ausschüssen ebenfalls vorkam, Koalitionskrach war somit vorprogrammiert. Die beiden Fraktionsvorsitzenden waren deshalb die ganze Zeit über damit beschäftigt, die Risse zu kitten und Kompromisse zu finden, weshalb im weiteren Verlauf der Ausschusssitzungen keine rot-rot-grünen Mehrheiten mehr zu Stande kamen, auch wenn die APD dieser sehr offen gegenüber stand, es wurde auch mit der Möglichkeit eines Koalitionsbruchs geliebäugelt. Alles in allem waren die Ausschusssitzungen jedoch deprimierend, unsere Änderungsanträge wurden so gut wie immer abgeschmettert – Opposition ist in diesem Bundestag wirklich Mist!
Nach dem Ausschuss hatten wir die Möglichkeit, unseren einladenden Abgeordneten zu treffen. Ich traf Mechthild Rawert in einem Besprechungsraum bei ihrer Teamsitzung, die mir einmalige Blicke in die Tätigkeit eines „echten“ Abgeordneten bot, unter anderem in einen Terminplan, dessen Anblick durchaus davon abhalten kann, selbst einmal Abgeordneter werden zu wollen.
Am Nachmittag ging es wieder zurück zur ÖSP-Fraktion, in der wir die Ergebnisse der Ausschusssitzungen diskutierten und unser Vorgehen für die Plenarsitzung am Dienstag berieten. Anschließend gab es ein Abendessen im Casino des Jakob-Kaiser-Hauses, zu dem auch die Abgeordneten eingeladen waren.

Der Dienstag war der letzte Tag des Planspiels, der Tag der zweiten und dritten Lesung im Plenum. Unsere Fraktion schickte zwei Redner pro Gesetzesentwurf ins Rennen; außerdem betätigten wir uns der Kunst der kreativen Zwischenrufe. Die Debatte war hitzig und interessant, auch wenn das gegenseitige Loben der Koalitionsparteien auf die Dauer etwas langweilig wurde. Nach zwei Stunden waren alle Gesetzesentwürfe verabschiedet, und wir gingen in unsere wohl verdiente Mittagspause. Danach gab es eine Diskussionsrunde mit den Fraktionsvorsitzenden, beziehungsweise ihren Stellvertretern der „echten“ Parteien, bei der wir auch Fragen stellen konnten. Die Schlussrede für Jugend und Parlament hielt Bundestagspräsident Norbert Lammert. Vier erlebnisreiche Tage fanden so ihr Ende.