Mit dem Thema Alterssicherung von MigrantInnen beschäftigte sich die Querschnittsarbeitsgruppe Migration und Integration der SPD Bundestagsfraktion am 19. Juni 2015. Als stellvertretende Sprecherin der Arbeitsgruppe hatte ich dieses Thema angeregt, weil das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) 2013 ermittelt hatte, dass die Armutsgefährdung von MigrantInnen bei über 40 Prozent liegt - damit drei Mal so hoch als in der Durchschnittsbevölkerung.
Als Referent stellte uns Dr. Wolfgang Keck, Referent für sozialpolitische Analyse bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, die statistischen Daten der Rentenversicherung vor. Er machte deutlich, dass die Datenlage nicht einfach zu erfassen ist, denn die Rentenversicherung erfasst die Versicherten nach ihrer Nationalität, nicht deren Migrationsbiografie. So liegen keine validen Zahlen vor. Allerdings lassen sich einige Trends erkennen: Seit 2010 steigt bei den Neuversicherten die Zahl der ausländischen StaatsbürgerInnen, von 5,1 % auf 7,7, %. Das hat natürlich mit der Migration durch die Wirtschaftskrise in den südlichen EU-Staaten und der Flüchtlingsbewegung zu tun.
Des Weiteren erreichen die Menschen, die in den 60er/70er Jahren als „GastarbeiterInnen“ nach Deutschland gekommen sind, das Rentenalter. Der Anteil der ausländischen StaatsbürgerInnen, die Rente beziehen, stieg in den letzten 20 Jahren von 6,7 % auf 9,4 %.
Innerhalb der Europäischen Union können die Rentenansprüche transferiert werden. Auch mit einer Reihe von anderen Staaten existieren bilaterale Sozialversicherungsabkommen, die eine Transferierbarkeit von Rentenansprüchen ermöglichen, die in unterschiedlichen Ländern erworben wurden. Zum Beispiel wurde auch mit der Türkei ein solches Sozialversicherungsabkommen geschlossen. Allerdings wurde in der Diskussion deutlich, dass Unklarheit darüber herrscht, inwieweit die Transferierbarkeit der Rentenanwartschaften in der Praxis in beide Richtungen funktioniert.
Ergebnisse der Studie Alterssicherung in Deutschland (ASID) 2011
Keck verwies auf die Studie Alterssicherung in Deutschland (ASID) 2011, in deren Befragung MigrantInnen mit einbezogen wurden. Hier lassen sich einige wichtige Schlüsse ziehen. Aufgrund zu geringer Fallzahlen sind die Daten nicht sehr valide, was die konkreten Prozentzahlen anbetrifft. Es wird jedoch deutlich, dass etwa ein Drittel der Frauen mit ausländischen Pass überhaupt keine Rentenansprüche haben. In der deutschen Bevölkerung ohne Migrationshintergrund sind es nur 9 Prozent. Nur wenige ausländische MitbürgerInnen verfügen über Rentenansprüche aus einem anderen Land, 18 % der Männer und 13 % der Frauen. Die niedrigen Rentenansprüche haben dramatische Auswirkungen auf das Haushaltseinkommen von MigrantInnen im Rentenalter (gemeint ist das Nettoeinkommen von verheirateten Paaren). So verfügen 30 % der RentnerInnen mit ausländischen Pass über ein Haushaltseinkommen von weniger als 1.000 Euro. Zum Vergleich betrifft das in der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund nur 2 %. Etwa Zweidrittel der RentnerInnen mit ausländischen Pass verfügen nur über ein Haushaltseinkommen unter 1.500 Euro, in der deutschen Bevölkerung ohne Migrationshintergrund muss etwa jeder sechster Haushalt mit weniger als 1.500 Euro auskommen. Diese Zahlen bestätigen die Ergebnisse der Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) von 2013 bezüglich der Armutsgefährdung von MigrantInnen.
Fazit
Es gibt zunehmend mehr transnationale Erwerbsverläufe, betonte Dr. Keck. Darauf reagierend forderte die Europäische Kommission im Weißbuch „Eine Agenda für angemessene, sichere und nachhaltige Pensionen und Renten“ (2012) einen EU-weiten Rentenaufzeichnungsdienst über private und betriebliche Vorsorge aufzubauen. Es fehlt derzeit an einer geeigneten umfassenden Datenbasis um die Altersvorsorge von Menschen mit Migrationshintergrund adäquat zu erfassen. Politische Reformen können nicht mehr nur für nationale Erwerbsverläufe und Einkommensgrundlagen konzipiert werden.
Für uns in der Querschnittsarbeitsgruppe Migration und Integration ist klar, dass wir die Diskussion zum Thema Altersarmut bzw. Alterssicherung bei MigrantInnen weiter fortführen werden. Gerade auch die typische Pendelmigration wirft Fragen auf, die wir verstärkt in den Blick nehmen müssen: Welches Land ermöglicht ein würdiges Altern und eine würdevolle Pflege?