Sie sind gegen das geplante Freihandelsabkommen der EU mit den USA (TTIP - Transatlantic Trade and Investment Partnership). Das machten die Mitglieder der IG BAU Ortsgruppe Tempelhof-Schöneberg und ihre GewerkschaftskollegInnen aus anderen Bezirken bei der Diskussion über TTIP, CETA, TISA unmissverständlich deutlich. Die IG BAU Ortsgruppe Tempelhof-Schöneberg hatte mich am 22. Oktober 2015 zur Diskussion in den Schöneberger Ratsstuben eingeladen. Fast alle KollegInnen hatten an der bundesweiten Großdemonstration „TTIP & CETA stoppen! - Für einen gerechten Welthandel!“ am 10. Oktober in Berlin teilgenommen. Zur Demonstration hatte ein breiter Trägerkreis aufgerufen. Zur Teilnahme an dieser Demo hatte auch die SPD Berlin aufgerufen. Einhellige Meinung: das Abkommen wie TTIP und CETA dürfen überhaupt nicht verabschiedet beziehungsweise ratifiziert werden.
Für mich gilt: Handel ja, aber nicht um jeden Preis. Und: Sicherheit vor Schnelligkeit. Ich gebe einem Abkommen nur dann meine Zustimmung, wenn es Fortschritte bei unseren Schutzstandards zum Beispiel bei den ArbeitnehmerInnenrechten, beim VerbraucherInnenschutz und beim nachhaltigem Wirtschaften im globalen Maßstab bringt. Nur wenn die Anforderungen demokratischer und sozialer Gesellschaften erfüllt sind, können Abkommen das Primat der Politik gegenüber den Kräften des Marktes stärken.
TTIP und unser Gesundheitswesen
Christian Stephan, Vorsitzender der IG BAU Ortsgruppe Tempelhof-Schöneberg http://www.berlin.igbau.de/Tempelhof-Schoeneberg.html führte unter Bezugnahme auf das Gesundheitswesen in die Thematik ein. Er verdeutlichte die Ablehnung des Freihandelsabkommens am Beispiel des Gesundheitswesens - eine Referenz an meine Tätigkeiten im Gesundheitsausschuss.
Auch ich bin - wie der GKV-Spitzenverband - der Meinung: „Gesundheitsversorgung ist keine Handelsware". Als Sozialdemokratin und Gesundheitspolitikerin stehe ich TTIP, CETA und TISA sehr kritisch gegenüber. In den augenblicklich bekannten Fassungen werde ich den Abkommen nicht zustimmen.
Mein Input zur Diskussion über das geplante Freihandelsabkommen TTIP
Die öffentliche Diskussion um das geplante Freihandelsabkommen der EU mit den USA (TTIP - Transatlantic Trade and Investment Partnership) hat in den vergangenen Monaten deutlich an Fahrt aufgenommen. Ich habe thematisiert, das auch das geplante Freihandelsabkommens der EU mit Kanada (Comprehensive Economic and Trade Agreement, kurz CETA) und das derzeit verhandelte Abkommens über den Handel mit Dienstleistungen (Trade in Services Agreement, kurz TiSA) in die Diskussion mit einbezogen werden muss.
Doch zunächst zu TTIP:
Nach einem Blick auf den Zeitplan und das Verfahren werden die Erwartungen der BefürworterInnen thematisiert. Anschließend lege ich die kritischen Punkte und die jeweilige Position der SPD nach Themenbereichen dar, um mit einer persönlichen Bewertung zu schließen.
Historie und Zeitplan
Schon 1990 entschlossen sich die Europäische Gemeinschaft und die USA ihre Handelspartnerschaft zu vertiefen. Es folgte eine Reihe von Initiativen, von denen viele scheiterten. Am 30. April 2007 wurde die Rahmenvereinbarung zur Vertiefung der transatlantischen Wirtschaftsintegration zwischen der Europäischen Union und den USA unterzeichnet und der Transatlantische Wirtschaftsrat (TEC) gegründet. Ziel des von Georg W. Bush, Angela Merkel (damals EU-Ratsvorsitzende) und Jose Manuel Barroso (damals Präsident der EU-Kommission) eingesetzten Gremiums war insbesondere der Abbau von Handelshemmnissen und die Angleichung der Regulierungssysteme. Die Einsetzung verschiedener Gremien, deren Mitglieder lange geheim blieben, die Geheimhaltung von Mandatstexten und die Nichtinformation über erreichte Zwischenstände, schuf ein tiefes, noch heute andauerndes Misstrauen in der Bevölkerung gegenüber dem Abkommen, gegenüber Regierungspolitik, gegenüber Parteien. Zwischen dem 19. bis 23. Oktober findet derzeit die 11. Verhandlungsrunde statt. Ursprünglich war ein erstes Rahmenabkommen für Ende 2015 geplant - dieser Zeitplan ist allerdings durch verhärtete Verhandlungen (u.a. durch Unzufriedenheit der EU über Angebote der USA zu Marktöffnung und Zollabbau; Aussetzen der Verhandlungen zu ISDS) nicht mehr zu halten. Zwar sind weitere Verhandlungsrunden anberaumt. Der gesamte Zeitplan steht allerdings auch unter dem Vorbehalt der US-Präsidentschaftswahlen 2016 und der Bundestagswahl 2017.
Verhandlungsverfahren
Für die Europäische Kommission ist die Handelskommissarin Cecilia Malmström politische Verhandlungsführerin, der Handelsbeauftragte Michael Froman für die USA. Die Verhandlungen finden in 24 Arbeitsgruppen statt.
Abschluss und Ratifizierung
Unabhängig davon, dass meine GesprächspartnerInnen überzeugte GegnerInnen von TTIP, CETA, TISA sind, spielt das aufgebaute Misstrauen eine wesentliche Rolle auch hinsichtlich der Informationen zum Prozess der Ratifizierung eines solchen Abkommens. Es fällt vielen schwer aufzunehmen und zu glauben, dass hier niemand klammheimlich irgendetwas beschließen kann. Einem ausgehandelten Vertrag müssen
- zunächst der EU-Handelsministerrat (die 28 HandelsministerInnen der EU-Mitgliedstaaten)
- und das Europäische Parlament zustimmen. Da es sich um ein "gemischtes Abkommen" nicht nur zu handelspolitischen Fragen sondern auch z.B. zu Menschenrechten handelt,
- müssen alle 28 EU-Mitgliedstaaten das Abkommen in ihren nationalen Parlamenten ratifizieren. In Deutschland ist dazu die Zustimmung von Bundestag und Bundesrat nötig.
In den USA muss der Kongress dem Abkommen zustimmen.
Kritik an den TTIP-Lobpreisungen der BefürworterInnen
Kritisch debattiert werden die Argumente der BefürworterInnen, die davon ausgehen, dass die Beseitigung von Handelshemmnissen zu mehr Wachstum führt. Viele ihrer Argumente sind zwischenzeitlich durch zahlreiche Studien widerlegt, so fänden beispielsweise für Deutschland Verlagerungen vom innereuropäischen (-30 %) hin zum transatlantischen Handel statt. Das schaffe aber keine zusätzlichen Wachstums- und Beschäftigungseffekte. Da derzeit sowieso nur noch für rund 5 Prozent des Handelsvolumens zwischen EU und USA Zollschranken gelten würden, befürchten KritikerInnen, dass es letztlich gar nicht um diese tarifären Handelshemmnisse geht, sondern um die Senkung von Schutzstandards. Nach einer Studie des Centre for Economic Policy Research in London von 2013 resultiert der wirtschaftliche Nutzen des TTIP zu 80 % aus dem Abbau von Regulierung sowie der Liberalisierung des Dienstleistungsverkehrs und des öffentlichen Ausschreibungswesens. Das heißt im Klartext: Allein die Privatisierung öffentlicher Leistungen und die Absenkung gesetzlicher Schutzstandards versprechen zusätzliche Gewinne für Investoren. Das will die SPD nicht, das will ich nicht!
BefürworterInnen des Abkommens behaupten, dass es keine Alternative zu TTIP gebe. Wer den „Welthandel“ - TTIP umfasst knapp 50 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung - nicht verschlafen wolle, müsse sich an dessen Spitze setzen. Andernfalls würden Wirtschaftsräume außerhalb der EU die globalen Standards definieren. Auch TTIP-KritikerInnen stellen die Zunahme des globalen Handels nicht infrage. Sie fordern allerdings, den Einfluss einer Freihandelszone von USA und EU zu nutzen, um den Welthandel gerechter zu gestalten - dies ist aber in den bisherigen Verhandlungen kein Thema. Meiner Meinung nach brauchen wir aber internationale Regulierungen im Sinne eines fairen Handels. Diese müssen sich im Vertragstext auch konkret wiederfinden, was bislang aber nicht zufriedenstellend der Fall ist. Ein Beispiel sind die ILO-Kernarbeitsnormen, diese sind aber von den USA in wesentlichen Bereichen nicht ratifiziert worden. Für die SPD als auch Gewerkschaften und Beschäftigte sind sie aber von besonderer Wichtigkeit. Die hohe Bedeutung von ArbeitnehmerInnenrechten bei der Beurteilung des Verhandlungsergebnisses trifft auch auf die Bundesregierung im Allgemeinen und das Bundeswirtschaftsministerium im Besonderen zu. In einer Antwort auf die Linken-Anfrage haben sich diese diesbezüglich festlegt. Ich finde, es wird sehr deutlich, dass ein Sozialdemokrat an der Spitze des Wirtschaftsministeriums steht - nämlich Sigmar Gabriel, Vorsitzender der SPD.
Erwartungen der europäischen SozialdemokratInnen (S&D-Fraktion) an TTIP
Im Europäischen Parlament hat die Fraktion der europäischen Sozialdemokraten (S&D-Fraktion) klargestellt, dass eine Zustimmung nur dann erfolgen wird, wenn das verhandelte Abkommen die inhaltlichen SPD-Ansprüche im konkreten Wortlaut auch zweifelsfrei sicherstellen. Die S&D-Fraktion will beispielsweise die Investor-Staat-Streitbeilegung (ISDS) nicht. Das soll ersetzt werden durch ein transparentes, demokratischen Grundsätzen entsprechendes
neues System mit öffentlichen Verfahren, öffentlich bestellten, unabhängigen BerufsrichterInnen und einer Berufungsinstanz. Damit hat sie sich auch im Europäischen Parlament durchgesetzt. Das ISDS in seiner bisher diskutierten Form wird es mit dem Europäischen Parlament nicht geben. Dass die Wahrung europäischer Standards seitens des EU-Parlament sehr ernst genommen wird, beweist unter anderem die Ablehnung des ACTA-Abkommens (Schutz des geistigen Eigentums im digitalen Bereich) im Jahr 2012.
SPD-Erwartungen an die transatlantischen Freihandelsgespräche
Die SPD hat auf ihrem 5. Parteikonvent in Berlin am 20. September 2014 den Beschluss „Unsere Erwartungen an die transatlantischen Freihandelsgespräche“ gefasst. Darin wurden umfangreiche und detaillierte Anforderungen an die Freihandelsabkommen formuliert. Diese sind in enger Abstimmung insbesondere mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund ausgearbeitet worden. Für diverse Bereiche ist von vorneherein klargestellt, dass sie für die EU nicht verhandelbar sind. Die SPD hat rote Linien definiert. Sie wird auf der Grundlage dieses Beschlusses und der aktuellen Bewertung von Vertragstexten und Verhandlungsergebnissen entscheiden, ob sie den Abkommen zustimmen kann oder eben nicht. Damit die SPD-Basis auch mitgenommen wird, sind feste Verfahrensabsprachen getroffen worden: Fakt ist, dass vor einer Entscheidung im Deutschen Bundestag, ein SPD-Bundesparteitag bzw. ein SPD-Parteikonvent stattfinden wird.
Die sozialdemokratische - also auch meine - Haltung zu
1. Transparenz
Die mangelnde Transparenz hat den Verhandlungen von ihrem Beginn an sehr geschadet. Mittlerweile hat sich insbesondere auf Drängen der S&D-Fraktion im Europäischen Parlament die Informationspolitik der EU-KOM grundlegend geändert: Dem EU-Parlament sind alle EU-Verhandlungsdokumente zu den TTIP-Verhandlungen zugänglich und die EU-Kommission informiert auf ihrer Internetseite öffentlich über ihre Positionen. Wir europäische SozialdemokratInnen haben einen regelmäßigen Dialog zwischen der EU-Kommission und VertreterInnen der Zivilgesellschaft durchgesetzt: Es gibt eine permanente Beratungsgruppe mit 15 ExpertInnen aus Gewerkschaften, Umwelt- und Verbraucherverbänden mit Zugangsrechten zu allen Verhandlungsdokumenten. Die Mitgliedsstaaten, der Ministerrat haben umgedacht: Anfang Oktober 2014 wurde die Veröffentlichung des TTIP-Verhandlungsmandats beschlossen. Auch in Deutschland hat sich Transparenz und Teilhabe geändert: Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) richtete einen zivilgesellschaftlichen TTIP-Beirat ein. Außerdem unterstützt die SPD die gesellschaftliche Debatte: Es gab eine gemeinsame Konferenz im Willy-Brandt-Haus mit der SPD-Bundestagsfraktion, auf der mehrere hundert TeilnehmerInnen kontrovers diskutierten.
Meine Haltung: In Sachen Transparenz sind noch weitere Verbesserungen nötig. Ich unterstütze die Forderung, alle politisch relevanten Verhandlungsgrundlagen öffentlich zugänglich zu machen.
2. Investor-Staat-Streitbeilegung (ISDS)
Investorenschutz und private Schiedsgerichte sind das am kontroversesten diskutierte Thema im Rahmen von Freihandelsabkommen. Schiedsgerichte dürfen internationales, europäisches und nationales Recht nicht einfach auslegen und interpretieren - das ist legitime Aufgabe öffentlicher Gerichte. Diese berücksichtigen in ihren Entscheidungen die Grund- und Menschenrechte, während Schiedsgerichte einseitig den Investitionsschutz betrachten. ISDS würde es Investoren ermöglichen, die EU oder einzelne Mitgliedsstaaten jenseits vom normalen juristischen Verfahren vor internationalen Schiedsstellen direkt auf Entschädigung für entgangene Gewinne oder Enteignungen zu verklagen. Das ist nicht hinnehmbar. Der Parteikonvent der SPD hat deshalb beschlossen, dass wir solche privaten Schiedsgerichte ablehnen.
Sowohl die SPD als auch die Bundesregierung haben bereits erklärt, dass sie Investitionsschutzabkommen für unnötig halten, weil sowohl die USA als auch Europa entwickelte und verlässliche Rechtssysteme haben. Noch sind nicht alle Mitgliedsstaaten dieser Meinung. Inzwischen hat aber Bundeswirtschaftsminister Gabriel erreicht, dass sich die sozialdemokratischen RegierungschefInnen und Parteivorsitzenden in der EU am 21. Februar 2015 mit einem gemeinsamen Papier klar positioniert haben: "Zuallererst müssen Staaten in der Lage sein, ihre regulatorische Tätigkeit weiterhin uneingeschränkt ausüben zu können. [...] Ein Investor kann nicht erwarten, dass Gesetze nicht geändert werden und dass Änderungen von Gewinnmargen - auch erhebliche aufgrund von Regierungsmaßnahmen - als solche eine Verletzung von Schutzstandards darstellen können. Nichts sollte Parlamente von der Umsetzung legitimer öffentlicher Politik abhalten. Wir drängen darauf, dass Vertragsstaaten weiterhin das umfassende Recht haben, die Schutzstandards eines Abkommens auszulegen, auch nachdem dieses in Kraft getreten ist. In Anbetracht des bestehenden hohen Investitionsschutzniveaus gemäß den Rechtssystemen der EU und ihrer Mitgliedstaaten soll zudem ausländischen Investoren innerhalb der EU grundsätzlich keine bessere materiell-rechtliche Behandlung als inländischen Investoren gewährt werden dürfen."
Auch das Europäische Parlament hat bereits mehrfach klargestellt, dass es den Rechtsweg vor normalen Gerichten und Staat-zu-Staat-Streitbeilegungsverfahren will. Die Parlamente in Frankreich und Österreich haben sich hinsichtlich des CETA-Abkommens bereits gegen eine ISDS-Regelung ausgesprochen.
Meine Haltung: Private Schiedsgerichte sind demokratisch und rechtsstaatlich nicht akzeptabel. Das ergibt sich schon aus dem grundgesetzlich verankerten Rechtsprechungsmonopol.
3. Arbeitsschutz-, Verbraucher-, Umwelt-, Gesundheits- und Sozialstandards
Wir SozialdemokratiInnen akzeptieren keine Absenkung unserer ArbeitnehmerInnenrechte und Sozialstandards. Der SPD-Beschluss sieht vor, dass jeweils beide Vertragspartner internationale Normen und Konventionen wie die Kernübereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO und die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen umsetzen sollen.
Auch in Europa und Deutschland bestehende VerbraucherInnen- und Umweltstandards dürfen durch die Freihandelsabkommen nicht geschmälert werden. Im Lebensmittelbereich und beim Verbraucherschutz gilt in der EU ausdrücklich das Vorsorgeprinzip.
Ich weiß, dass z.B. in Wohlfahrtsverbänden die Sorge besteht, dass durch TTIP und CETA die Belange der Freien Wohlfahrtspflege berührt werden könnten. Bundeswirtschaftsminister Gabriel hat mit der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAG FW) vereinbart, dass es keinerlei Veränderungen an der guten Arbeit der Wohlfahrtsverbände zugelassen wird. Das Gleiche gilt auch für die öffentliche Daseinsvorsorge und die Kulturförderung in Europa.
Meine Haltung: Eine gegenseitige Anerkennung von Standards und Zulassungsverfahren gibt es nur dann, wenn damit keine Absenkung des Schutzniveaus verbunden ist. Für alle zukünftigen Veränderungen von Standards ist unmissverständlich sicherzustellen, dass die parlamentarische Hoheit über die Definition von Standards und Zulassungsverfahren gilt.
4. Daseinsvorsorge
Die Bereiche der kommunalen Daseinsvorsorge wie Energie-, Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, Abfallentsorgung, Öffentlicher Nahverkehr, Bildung und Kultur sind ausdrücklich nicht verhandelbar. Um die hohe Qualität der öffentlichen Daseinsvorsorge in der EU zu wahren, sollen für den Bereich der Daseinsvorsorge keine Verpflichtungen durch die Abkommen entstehen. Auch bisherige EU-Vereinbarungen zum Schutz öffentlicher Dienstleistungen dürfen nicht durch das Abkommen beeinträchtigt werden. Den Staaten muss weiter möglich sein, z.B. in ihrer Beschaffungspolitik mittels Direktvergaben die regionale Wirtschaftsentwicklung zu stimulieren, Konjunkturprogramme aufzulegen und Dienstleistungen durch die öffentliche Hand ausführen zu lassen. Soziale und ökologische Kriterien sind abzusichern. An öffentlichen Aufträgen interessierte Unternehmen müssen auch zukünftig auf Einhaltung der jeweiligen Vergabekriterien, wie etwa Tariftreue, verpflichtet werden können (Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts (Vergaberechtsmodernisierungsgesetz – VergRModG).
Meine Haltung: Bisherige als auch künftige Formen öffentlicher Dienstleistungen dürfen beeinträchtigt werden. Der Auftrag zur öffentlichen Daseinsvorsorge gilt.
5. Positivliste statt Negativliste
Die Herangehensweise via sogenannter "Negativliste" im Rahmen des TTIP-Mandates ist ein Fehler. Wir SozialdemokratInnen fordern das Gegenmodell. Wir wollen eine sogenannte „Positivliste“, in der die Verhandlungspartner explizit darlegen, wo beide Seiten mit Marktöffnung und Liberalisierung einverstanden sind. Nicht genannte Bereiche bleiben unangetastet. Das Europäische Parlament hat in seiner Resolution klargestellt, dass eine Marktöffnung im Dienstleistungsbereich nur nach dem Prinzip der Positivliste akzeptiert wird.
Meine Haltung: Ich will eine Positivliste.
6. Kulturelle Vielfalt
Die Belange der kulturellen Vielfalt sowie kultureller und audiovisueller Dienste sind von den Verhandlungen auszunehmen. Damit sichern wir die kulturelle Vielfalt ab und erhalten die Möglichkeiten, Kultur und Medien auch weiterhin uneingeschränkt fördern zu können. Der Bundesrat, der schließlich zustimmen muss, hat sich hier klar positioniert.
Meine Haltung: Ich will kulturelle Vielfalt sichern, will Kultur und Medien uneingeschränkt fördern können.
7. Finanzmarktregulierung
Die SPD tritt für eine striktere Regulierung der Finanzmärkte ein und will zu einer auch international besseren Regulierung kommen. Hier kann die EU von den USA lernen, diese steuert ihre Finanzmärkte weitaus restriktiver.
Meine Haltung: Die Verhandlungen über den Marktzugang für Finanzdienstleistungen sollen ausdrücklich mit einer Harmonisierung und Stärkung der Finanzmarktregulierung verknüpft werden.
8. Sozialversicherungen
Sozialversicherungsträger, u.a. die Deutsche Gesetzlichen Unfallversicherung befürchten, dass die deutschen Sozialversicherungssysteme von den Freihandelsabkommen betroffen sein werden. Deshalb hat das Bundeswirtschaftsministerium eindeutig klargestellt, dass die Sozialversicherungen explizit von der Marktöffnung ausgenommen werden. So ist es auch im vorliegenden Textentwurf des CETA-Abkommens im Kapitel zu Finanzdienstleistungen niedergelegt.
Meine Haltung: Das deutsche Sozialversicherungssystem als ein Garant unseres Sozialstaates ist abzusichern.
9. Künftige Regulierung und Kündigungsoption
Die SPD lehnt die Einrichtung eines Regulierungsausschusses, der nach Verhandlungsabschluss in einem nachgelagerten Verfahren künftige Regulierungsfragen verhandeln kann, ab. Die gewählten Abgeordneten des Europäischen Parlaments bzw. des Deutschen Bundestages sind die EntscheiderInnen. Wir wollen keine Verschiebungen von regulatorischen Entscheidungen in ExpertInnengremien und fordern deshalb sowohl den Verzicht auf einen "Regulatorischen Rat" als auch auf den genannten „Regulatorischen Mechanismus“ vor Verabschiedung von Gesetzen in der EU und den USA. Die Option zur Kündigung von Abkommen muss bestehen bleiben.
Meine Haltung: Entscheidend ist der demokratische Gesetzgebungsprozess. Ich will keine weiteren Intransparenzen.
10. Zustimmung nur bei rechtssicherer Formulierung dieser Vorbehalte
TTIP benötigt die Zustimmung des Europäischen Parlaments und als „gemischtes Abkommen“ auch von Bundestag und Bundesrat. Vorher ist nichts rechtsgültig.
Meine Haltung: Ich stimme einem Abkommen nur dann zu, wenn die formulierten "Roten Linien" im konkreten Text rechtssicher eingehalten werden.
Dies gilt auch für die Zustimmung des Europäischen Parlaments. Mit der Resolution vom 8. Juli 2015 wurden die Bedingungen, die der SPD-Parteikonvent aufgestellt hat, insoweit übernommen. Werden die Bedingungen nicht erfüllt, wird es dem Text nicht zustimmen.
Bewertung des Freihandelsabkommens CETA
Zwar wurden die Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und Kanada zu CETA im September 2014 abgeschlossen, dennoch gilt: CETA ist noch nicht unterschrieben und damit noch nicht in Kraft. CETA kann also durchaus noch verbessert werden. Augenblicklich liegt der Verhandlungstext in englischer Sprache vor und wird einer Rechtsförmlichkeitsprüfung unterzogen. Danach erfolgt die Übersetzung in die Amtssprachen der EU und der Text steht dann in deutscher Sprache zur Verfügung.
Bundesregierung und EU-Kommission betonen:
- Durch das CETA-Abkommen werden keine weitergehenden Marktöffnungsverpflichtungen für die Kommunen eingegangen.
- Audiovisuelle Dienstleistungen sind vom Anwendungsbereich des Dienstleistungskapitels und beim Investitionsschutz ausgenommen.
- CETA gewährleistet das Recht zur innerstaatlichen Regulierung.
- Die Regelungen zum Arbeitsschutz und Tarifvertragsrecht werden durch CETA nicht angetastet und gelten genauso weiter wie Regelungen zum Mindestlohn auch.
- Zwingende Vorschriften des Arbeitsrechts oder das Streikrecht werden durch dieses Abkommen nicht in Frage gestellt.
Beim Streitschlichtungsmechanismus für Investorenklagen strebt die EU noch Änderungen an. Wir halten das Rechtssystem in Kanada für grundsätzlich vergleichbar mit denen der EU und daher Investor-Staat-Schiedsverfahren für Auslandsinvestitionen für nicht erforderlich. Das Bundeswirtschaftsministerium bringt dabei im Rat der Handelsminister der EU Änderungsvorschläge für ein neues Schiedsgerichtsverfahren (ISDS) ein.
Das europäische Parlament hat in einer Resolution Anfang Juli 2015 einen wichtigen Maßstab für private Schiedsstellen gesetzt. Es geht um demokratische und transparente Gerichtsverfahren mit unabhängigen Richtern und einer Revisionsinstanz. Da der Investorenschutz derzeit besonders bei TTIP diskutiert wird, soll es nach Festlegung der EU-Position zu ISDS in TTIP eine Übertragung auf das CETA-Abkommen geben.
Verfahrenstechnisch gilt:
- Der Europäische Rat und das Europäische Parlament werden frühestens Anfang/Mitte 2016 über das Abkommen entscheiden.
- Ein gemischtes Abkommen müssen auch hier alle 28 Mitgliedstaaten ratifizieren. Das würde voraussichtlich erst 2017 der Fall sein.
Nachdem die Konservativen bei der Parlamentswahl in Kanada am 19. Oktober 2015 abgewählt wurden, muss sowieso abgewartet werden, ob die Haltung der neuen Regierung zu CETA d unverändert bleibt. Schließlich kündigte der mutmaßlich neue Premier Trudeau (Liberale Partei) Steuererhöhungen für Reiche und höhere Staatsausgaben an.
Meine Haltung: Mit mir und mit der SPD wird es im Deutschen Bundestag ein CETA-Abkommen nur geben, wenn es den Interessen der Bürgerinnen und Bürger auch wirklich nützt.
Mein Input zur Diskussion über das Abkommen TiSA
Das "Trade in Services Agreement" (TiSA) ist als Nachfolgeabkommen des 1995 beschlossenen "General Agreement on Trade in Services" der WTO (kurz GATS) gedacht. Da die Verhandlungen im Rahmen der WTO ins Stocken gerieten, haben im Jahr 2012 insgesamt 23 Länder plus die EU Gespräche über ein internationales Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen aufgenommen. Die Verhandlungen über TiSA fallen nicht in den Zuständigkeitsbereich der WTO, die EU strebt aber an, dass Verhandlungsergebnis später in die WTO zu integrieren.Der sozialdemokratische Vorsitzende des Handelsausschuss im Europäischen Parlament, Bernd Lange, hat auch für TiSA rote Linien definiert:
- Transparenz statt geheimer Verhandlungen
- Keine Verpflichtungen im Bereich der Finanzdienstleistungen, die EU-Maßnahmen zur Regulierung entgegen stehen
- Keine Vorschriften über Datenströme, bevor die EU-Rechtsvorschriften zum Datenschutz in Kraft treten
- Besitzstand der EU bei öffentlichen Dienstleistungen, z.B. in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Wasserversorgung und Abfallwirtschaft erhalten
- Keine Verpflichtungen bei audiovisuellen Diensten oder kulturellen Diensten eingehen
- Zeitweiliger Personenverkehr zur Erbringung von Dienstleistungen nur im Einklang mit den nationalen Arbeitnehmer- und Sozialrechten sowie den Tarifverträgen
- Neue Dienstleistungen aus dem Abkommen ausschließen
Auch die Bundesregierung betont, das TiSA-Abkommen ziele nicht auf eine Privatisierung von öffentlichen Dienstleistungen. Die öffentliche Daseinsvorsorge ist von vornherein ausgenommen. Die EU hat weitere Sonderbestimmungen z. B. für die Bereiche Bildung, Gesundheit und Wasserversorgung eingebracht, um neue Marktöffnungsverpflichtungen eindeutig auszuschließen. Regelungen zum Investitionsschutz verbunden mit Streitschlichtungsmechanismen werden nicht in einem TiSA-Abkommen enthalten sein.
Zur Aufklärung: Der Abschluss eines möglichen TiSA-Abkommens muss dieselben Hürden nehmen wie das TTIP-Abkommen:
- Unterzeichnung nur nach einstimmigem Beschluss des EU-Ministerrates.
- Entscheidung im Plenum des Europäischen Parlaments über Annahme oder Ablehnung.
- Gemischtes Abkommen: Entscheidung von Bundestag und Bundesrat nötig.