Malta übernimmt Verantwortung in Europa, das wurde in meinem Gespräch mit dem maltesischen Botschafter deutlich. Als Vorsitzende der Deutsch-Maltesischen ParlamentarierInnengruppe des Deutschen Bundestages besuchte ich S.E. Albert Friggieri, außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter der Republik Malta, am 23. Oktober 2015 in der Maltesischen Botschaft. Wir haben uns über aktuelle Themen ausgetauscht, die in Malta zurzeit auf der Agenda stehen und um eine Delegationsreise der Deutsch-Maltesischen ParlamentarierInnengruppe nach Malta vorzubereiten.
Malta ist der mit nur 316 Quadratkilometern territorial kleinste, südlichste, bevölkerungskleinste, dabei aber auch bevölkerungsdichteste EU-Mitgliedsstaat. In Europa ist Malta ein Stabilitätsanker, zeigt sich Botschafter Friggieri überzeugt. Das sozialdemokratisch regierte Malta sei eine der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften Europas mit einer breit gefächerten Wirtschaft. Dazu tragen Industrie, Touristik, Schifffahrt, einer der größten Containerhäfen im Mittelmeer, die Luftfahrt, die Filmindustrie, sowie Finanzdienstleistungen, Informations- und Kommunikationstechnik sehr wesentlich bei. Malta engagiere sich ständig für die Bestrebungen der EU und der UN, die politischen Spannungen im Mittelmeerraum zu verringern. So beteilige sich die Regierung unter Dr. Joseph Muscat aktiv an den Bemühungen um Lösungen für die riesige Herausforderung, die die vielen Flüchtlingen in Europa mit sich bringen. Am 11./12. November 2015 findet in Valletta, der Hauptstadt Maltas, der EU-Afrika-Gipfel statt, außerdem noch Ende November das Commonwealth-Gipfeltreffen, bei dem es schwerpunktmäßig um den Klimawandel gehe.
Malta übernimmt Verantwortung in Europa: Im Anschluss an die EU-Präsidentschaften Luxemburg (Juli - Dezember 2015), Niederlande (Januar - Juni 2016), Slowakei (Juli - Dezember 2016) übernimmt Malta die EU-Präsidentschaft zwischen Januar bis Juni 2017.
Die Stärke der MalteserInnen sei ihre Flexibilität. Diese zeige sich in allen Bereichen. So auch aktuell während der unter Schirmherrschaft des EZB-Präsidenten Mario Draghi und des Gouverneurs der Zentralbank Maltas, Josef Bonnici, stehenden Europa-Kulturtage der Europäischen Zentralbank in Frankfurt, die dieses Jahr Malta gewidmet sind. Vom 3. November 2015 bis zum 20. Februar 2016 erwarte die BesucherInnen ein hervorragendes Programm mit Konzerten, Ausstellungen, Literaturveranstaltungen, Filmen, Tanz und Theater. Botschafter Friggieri begrüßt es, dass die MusikerInnen, KünstlerInnen und SchriftstellerInnen Maltas hier die Gelegenheit haben, sich in Deutschland bekannter zu machen. Eine weitere wichtige Etappe für Malta, seine sehr reiche und vielfältige Geschichte, eigene Sprache und Traditionen, kurz, seine eigene Identität mit viel kreativer Energie unter Beweis zu stellen, sei 2018. Valletta, seit 1980 Weltkulturerbe, ist als Kulturhauptstadt Europas 2018 nominiert worden. Bei diesem wichtigen Ereignis würde Wert gelegt auf Projekte, die nachhaltige Auswirkungen auf die Kultur und Wirtschaft von Valletta und Malta haben.
Europäisches Gipfeltreffen am 11./12. November zu Migrationsfragen in Valletta
Der Europäische Rat hat im April 2015 beschlossen, ein internationales Gipfeltreffen am 11./12. November 2015 in Mittelmeer-Konferenzzentrum in Valletta zur Erörterung von Migrationsfragen mit afrikanischen und anderen wichtigen betroffenen Ländern abzuhalten. Eingeladen sind die EU-Mitgliedstaaten, die am Rabat- und am Khartum-Prozess teilnehmenden Länder, die Beobachter beim Rabat-Prozess sowie VertreterInnen der Kommission der Afrikanischen Union sowie der Wirtschaftsgemeinschaft der westafrikanischen Staaten (ECOWAS), der Vereinten Nationen (VN) und des Amts für internationale Migration (IOM). Beraten wird über die Probleme der irregulären Migrationsströme aber auch die Chancen der Migration, die gemeinsam von den Herkunfts-, Transit- und Zielländer verantwortet werden. Prioritäre Top´s sind:
- Bekämpfung der eigentlichen Ursachen durch verstärkte Bemühungen um Frieden, Stabilität und wirtschaftliche Entwicklung
- bessere Förderung und Organisation legaler Migrationswege
- mehr Schutz für MigrantInnen und AsylbewerberInnen, vor allem für besonders gefährdete Gruppen
- effektivere Bekämpfung der Ausbeutung und Schleusung von MigrantInnen
- Verbesserung der Zusammenarbeit bei der Rückführung und Rückübernahme.
Wann und mit wem sind Interessenskooperationen moralisch „richtig“?
Bereits seit langem führt die Europäische Union mit afrikanischen Staaten auf unterschiedlichen Ebenen zahlreiche Kooperationsgespräche zur Migrationspolitik. Seit Bekanntwerden dieses EU-Afrika-Gipfels wird dieses Gipfeltreffen in der Zivilgesellschaft strittig diskutiert. Die EU wolle ausgerechnet die Kooperation mit autoritären und repressiven Regimen in Afrika wie Eritrea, Sudan und Südsudan stärken, aus denen Flüchtlinge über das Mittelmeer nach Europa gerade wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen der dort bestehenden Diktaturen fliehen. Menschenrechtsverletzer könnten doch nicht zu Bündnispartnern der EU werden. Die UN werfen der Regierung Eritreas vor, für Folter, willkürliche Verhaftungen, Zwangsarbeit und extralegale Hinrichtungen verantwortlich zu sein Auch im aktuellen Menschenrechtsbericht der Bundesregierung heißt es: "Menschenrechte werden im diktatorisch regierten Eritrea seit vielen Jahren systematisch verletzt". Kritisiert wird auch, dass seitens der EU von der Bekämpfung von Fluchthelfern gesprochen würde, es aber letztlich um die Bekämpfung von Flüchtlingen handele. Das Ziel einer solchen Europäischen Politik sei es, Flüchtlinge fern zu halten - koste es, was es wolle. Ich bin der Meinung, dass es erst mal abzuwarten gilt, was auf diesem Gipfeltreffen besprochen und vereinbart wird, bevor er im Vorfeld in Bausch und Bogen verurteilt wird.
Europäische Flüchtlingspolitik
Seit 2002 flüchteten viele Menschen über die Mittelmeerroute nach Malta. In den letzten Monaten haben sich die Fluchtrouten geändert und außerdem werden dank der Rettungsaktionen im Mittelmeer viele der Boote mit Flüchtlingen bereits frühzeitig gerettet. Seitdem hat sich die Zahl der in Malta ankommenden Flüchtlinge deutlich reduziert. Das ist eine Situation, die sich nach Meinung des Botschafters aber wieder rasch ändern kann und deshalb ständige Aufmerksamkeit und Bereitschaft erfordert.
Im Gespräch mit Botschafter Friggieri kam auch über die auf Malta existierende Zentrale der Asylagentur European Asylum Support Office (EASO), das Operative Unterstützungszentrum des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen zur Sprache. Die Behörde ist ein kleines Labor für ein gemeinsames europäisches Asylsystem. Der Europäische Rat hatte sich schon 1999 geeinigt, die EASO zu gründen. Bei der Eröffnung 2011 betonte EU-Kommissarin Cecilia Malmström, dass die EASO ein „Instrument auf dem Weg zu einem umfassenden und schützenderen gemeinsamen europäischen Asylsystem“ sein solle. Seit 2013 ist das gemeinsame Asylsystem durch insgesamt fünf Verordnungen und Richtlinien in Kraft getreten. Sie rühren nicht daran, dass jeder Staat allein entscheidet, wem er Asyl gibt - aber die Verfahren sollen sich angleichen. Allerdings haben wir das Problem, dass sich viele Länder nicht daran halten.
Die Aufgabe der Agentur ist es, Mitgliedsländer in Asylfragen zu beraten und sie durch eine gemeinsame Bearbeitung von Anträgen aber auch durch Umverteilung zu unterstützen (joint processing und relocation). 2011 und 2012 hatte das EASO erstmals insgesamt 600 Flüchtlinge aus Malta in die übrige EU verteilt. Zu dieser Zeit waren die dortigen Auffanglager völlig überfüllt. Die Menschen saßen selbst nach der Anerkennung auf der Insel fest. Es war ein Anfang, das Dublin-Dogma, nach dem jeder Mitgliedstaat allein für alle Flüchtlinge zuständig ist, die über seine Grenzen in die EU kommen, infrage zu stellen. 2014 hat die EASO etwa 2.500 AsylentscheiderInnen aus 19 EU-Staaten darin geschult, Minderjährige zu interviewen und dabei die geltenden Vorschriften einzuhalten.
EASO ist in den letzten Monaten deutlich aufgewertet und Budget sowie Personal sind aufgestockt worden. EASO soll bei der Organisation der „Hotspots“ zur Registrierung und Erstbehandlung von Flüchtlingen an den EU-Außengrenzen eine zentrale Rolle einnehmen.
Mögliche Themen der Delegationsreise
- Treffen mit VertreterInnen der Regierungs- und Oppositionsfraktionen
- Treffen mit Mitgliedern der Regierung, mit der Präsidentin
- Migration und Integration
- Gleichstellung: gleiche Rechte LGBTI in der Verfassung, progressives Gender-Identity-Gesetz, Civil Partnership für gleichgeschlechtliche Paare
- Ausbau der Kinderbetreuung für Kinder aller Altersstufen - Ausbau der niedrigen Frauenerwerbsquote - Ausbau der Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern
- Steigerung der Nachhaltigkeit der nationalen Gesundheitsversorgung; Malta als Standort für „Life Sciences“ und nahestehende technologische Disziplinen
- Malta als internationale Logistikdrehscheibe im Mittelmeer; maritime Dienstleistungen
- Besuch in Wirtschaftsunternehmen: Energieversorgung; betriebliche Kooperationspartner aus Deutschland
- Umwelt- und Verkehrspolitik; u.a. zu Planungen zum ÖPNV-Ausbau