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Malta: Migration zwischen Afrika und Europa regeln

Am 19. April 2015 verloren beim Kentern eines Flüchtlingsbootes vermutlich über 800 Menschen ihr Leben im Mittelmeer. Um weitere Tragödien dieser Art zu vermeiden, hatten die europäischen Regierungs- und StaatschefInnen daraufhin mit den wichtigsten afrikanischen Herkunfts- und Transitländern einen Migrationsgipfel in Malta vereinbart. Der sogenannte „Valletta-Gipfel“ zu Fragen der Migrations- und Flüchtlingspolitik fand am 11. und 12. November 2015 statt. Aus Afrika nahmen Regierungs- und Staatschefs aus 35 afrikanischen Staaten teil. Nach Angaben der Zentrale der Asylagentur European Asylum Support Office (EASO), dem Operativen Unterstützungszentrum des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, kamen von Januar bis September dieses Jahres mehr als 134.000 Flüchtlinge aus Afrika nach Europa. Jetzt sollen die Regierungen Afrikas dabei helfen, die Zahlen zu senken.

Bei der Vorbereitung dieses sogenannten „Valletta-Gipfel“ zeigte sich eine deutlich unterschiedliche Schwerpunktsetzung zwischen der EU und den afrikanischen Staaten. Während die EU-Mitgliedsländer die Priorität bei den Fragen der Rückführung und Bekämpfung von Schleuserkriminalität sowie Menschenschmuggel sahen, war für die afrikanischen Staaten die Ermöglichung von legaler Migration, die Erleichterung bei Visa-Erteilung und die Schaffung wirtschaftlicher Perspektiven zentral. Strittig waren auch die Einrichtung von Zentren in den afrikanischen Ländern für potentiell Asylsuchende und die Einbeziehung der EU-Militärmissionen in einen Aktionsplan.

Europa braucht die afrikanischen Partner zur Bewältigung der Migrationsbewegungen

Donald Tusk, Präsident des Europäischen Rates, dankte in seiner Begrüßungsansprache dem maltesischen Premierminister Dr. Joseph Muscat für die Vorbereitung des Gipfels. Tusk betonte nachdrücklich, dass es darum gehe, so viele Menschenleben wie möglich zu retten. Dafür tragen beide Kontinente Verantwortung. Durch Migration entstehen für alle - Herkunfts-, Transit- und Zielländer - sowohl Herausforderungen als auch Chancen. Die Hauptverantwortung liege erstens im Angehen der Ursachen der Migrationsströme, was bedeute, dass Europa seine umfassende Entwicklungshilfe effizienter und gezielter einsetzen und mehr Beschäftigungsmöglichkeiten für junge Menschen schaffen müsse. Es gehe auch darum, Konflikte zu verhindern und zu beenden und Ländern dabei zu helfen, Regierungssysteme aufzubauen, die rechenschaftspflichtig und offen sind und in denen die Rechtsstaatlichkeit gestärkt und die Achtung der Menschenrechte gewährleistet wird. Zweitens müssen die Bestrebungen und Bedürfnisse der Menschen zuerst und vor allem in ihrer Heimat erfüllt werden. Die legale Migration kann einigen eine Chance bieten, aber nicht allen. Bekämpft werden solle drittens der Menschenhandel und die illegale Schleusung von Migranten durch kriminelle Banden, deren einziges Motiv Profit ist. Es sei viertens klar, dass sowohl europäische als auch afrikanische Staaten, die Menschen schützen, den Anspruch auf internationalen Schutz haben. Europa sei bereit, den afrikanischen Staaten mehr Unterstützung für den Umgang mit Vertriebenen innerhalb Afrikas zu gewähren. Es müsse aber auch eine schnelle ordnungsgemäße Rückkehr und Rückübernahme derjenigen möglich sein, die in Europa keinen Anspruch auf internationalen Schutz erhalten. Dabei sei eine freiwillige Rückkehr der unfreiwilligen stets vorzuziehen.

Migrationsfragen seien ein sensibles politisches Thema in den EU-Mitgliedstaaten und zwischen ihnen - und sicherlich sei es in Afrika nicht anders. Um den für alle richtigen Weg zu finden, sei es aber nötig, miteinander zu reden. Europa brauche die afrikanischen Partner, „damit sie uns helfen, die gemeinsamen Herausforderungen besser zu bewältigen“.

Vereinbarungen zwischen der EU und Afrika

Allen ist klar, dass die Beschlüsse dieses Migrationsgipfels zwar eine neue Phase der Zusammenarbeit beider Kontinente darstellen - aber doch auch erst „der Startpunkt eines längeren Prozesses" sind. Viele der mit Migration zusammenhängenden Herausforderungen sind nicht geklärt.

Ratspräsident Donald Tusk erklärte im Anschluss an den Migrationsgipfel, die Vereinbarungen seien ein entscheidender Schritt zur Stärkung der Kooperation. In der angenommenen politischen Erklärung verpflichten sich die teilnehmenden Staaten auf folgende fünf prioritäre Bereiche:

  • Bekämpfung der Fluchtursachen
  • Ermöglichung legaler Migration und Mobilität
  • Schutz von Flüchtlingen und Asyl
  • Kampf gegen irreguläre Migration, Menschenschmuggel und Schleuserkriminalität
  • Stärkung der Kooperation bei Rückführung und Wiedereingliederung von Personen, die nicht in Europe bleiben dürfen

Angenommen wurde ein detaillierter Aktionsplan mit 16 konkreten Initiativen, die bis Ende 2016 umgesetzt werden sollen. Dazu zählen Projekte zur Verbesserung der Beschäftigungsmöglichkeit in den Herkunftsländern, die Verdopplung der Stipendien für Studierende und Forschende im Rahmen von Erasmus+, eine Vereinfachung der Visa-Prozesse. Auch die Polizeikooperation soll ausgebaut werden. Außerdem werden die Auslandsüberweisungen von AfrikanerInnen in der EU bis 2030 verbilligt. Dieser Punkt ist für die afrikanischen Staaten sehr wichtig, da ihre in die EU ausgewanderten BürgerInnen jährlich insgesamt zweistellige Milliardenbeträge in die Heimat überweisen. Bestehende Flüchtlingslager sollen durch internationale Organisationen besser versorgt werden.

Zum Kampf gegen illegale Migration gehören auch Rückführungsabkommen, so verpflichten sich afrikanische Staaten, illegal in die EU eingereiste Landsleute zurückzunehmen. Außerdem sollen mehr Informationen ausgetauscht und energischer gegen Schlepper vorgegangen werden. Die jeweiligen Landesgrenzen sollen besser geschützt und in vielen Ländern erst einmal eine Gesetzgebung gegen illegale Einwanderung geschaffen werden.

Verabschiedet wurde auch ein europäischer „Nothilfe-Treuhandfonds“ für Afrika. Der Fonds ist mit 1,8 Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt ausgestattet. Weitere 78 Millionen steuern 25 der 28 Mitgliedsstaaten zu – sehr viel weniger, als erwartet. Ziel ist es, die Fonds-Summe auf 3,6 Milliarden Euro zu verdoppeln. Das Geld fließt zusätzlich zu den jährlich mehr als 20 Milliarden Euro an Entwicklungshilfe aus der EU nach Afrika. Profitieren könnten davon 23 Länder in drei Regionen: im Sahel-Gebiet und um den Tschad-See, am Horn von Afrika sowie in Nordafrika. Die Mittel dienen unter anderem dazu, die Beschäftigung von jungen Männern und Frauen zu fördern und die Wiedereingliederung von RückkehrerInnen aus Europa zu ermöglichen. Das Geld soll aber auch zur Verhinderung von Schlepperkriminalität und zur besseren Grenzsicherung eingesetzt werden.

Afrika erwartet mehr von Europa

Die Liste der Projekte, die nun auf den Weg gebracht worden ist, ist lang. Deutlich ist, dass die afrikanischen Staaten viel von Europa erwarten. Die EU-Staats- und RegierungschefInnen wissen, dass die vereinbarten Maßnahmen an der aktuellen Lage in Europa nur wenig ändert. Frieden herzustellen und Wohlstand zu schaffen ist ein langer Weg.

Geplanter Delegationsbesuch der Deutsch-Maltesischen ParlamentarierInnengruppe in Malta

Der Vorstand der Deutsch-Maltesischen ParlamentarierInnengruppe hat eine Delegationsreise nach Malta für den Mai 2016 beschlossen. Es sollen Treffen mit VertreterInnen der Regierungs- und Oppositionsfraktionen, der Regierung und der Präsidentin stattfinden. Wir wollen die EU-Agentur EASO aufsuchen und mit VertreterInnen der Zivilgesellschaft sowie mit UnternehmerInnen reden. Unsere Themen werden sein:

  • Flüchtlingspolitik, Migration und Integration
  • Besuch in Wirtschaftsunternehmen: Energieversorgung; betriebliche Kooperationspartner aus Deutschland
  • Umwelt- und Verkehrspolitik; u.a. zu Planungen zum ÖPNV-Ausbau
  • Energie- und Wasserversorgung
  • Steigerung der Nachhaltigkeit der nationalen Gesundheitsversorgung; Malta als Standort für „Life Sciences“ und nahestehende technologische Disziplinen
  • Malta als internationale Logistikdrehscheibe im Mittelmeer; maritime Dienstleistungen
  • Gleichstellung: gleiche Rechte LGBTI in der Verfassung, progressives Gender-Identity-Gesetz, Civil Partnership für gleichgeschlechtliche Paare
  • Ausbau der Kinderbetreuung für Kinder aller Altersstufen - Ausbau der niedrigen Frauenerwerbsquote - Ausbau der Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern.