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„Ein Sozialstaat will soziale Gerechtigkeit und kümmert sich daher um die soziale Sicherheit seiner BürgerInnen“

Politik braucht Orientierung, Politik braucht einen Kompass in bewegten Zeiten. Auch in Phasen neuer Herausforderungen und immer komplexer werdenden Entscheidungssituationen den eigenen Standpunkt bestimmen zu können und die diesem zu Grunde liegenden Werte, Prinzipien und Ziele des eigenen Handelns klar begründen zu können, ist eine der Grundideen der Akademie für Soziale Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung. Die Akademie für Soziale Demokratie bietet politisch Interessierten und Engagierten - in der Regel Aktive im politischen Ehrenamt und Mandat, gewerkschaftlich oder zivilgesellschaftlich Engagierte - verschiedene Angebote (Seminare, Hörbücher, etc.) zur Frage, was Soziale Demokratie im 21. Jahrhundert bedeutet und wie sich die Grundwerte der Sozialen Demokratie in den einzelnen Politikfeldern auswirken. Deswegen stand ich gern als Gesprächspartnerin für das Seminar „Sozialstaat und Soziale Demokratie“ am 20. Februar 2016 bereit.

Im Sozialstaat wird der ganze Freiheitsbegriff der Sozialen Demokratie konkret. Er umfasst nicht nur den Schutz vor willkürlichen Übergriffen des Staates oder der Gesellschaft - etwa die Freiheit des Gewissens und der Meinung. Ganze Freiheit bedeutet auch die Freiheit von Not und Furcht, die materielle Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben.

Niemand wird bestreiten, dass sozialstaatliche Errungenschaften kein Beiwerk sind. Ohne Sozialstaat keine Demokratie: Soziale Bürgerrechte sind der Wesenskern einer Sozialen Demokratie. Vier Gerechtigkeitsprinzipien prägen unseren modernen Sozialstaat: Gleichheit, Chancengleichheit, Bedarfsgerechtigkeit und Leistungsgerechtigkeit. In verschiedensten Sozialstaatsbereichen kommen diese Prinzipien unterschiedlich zum Tragen. Dem Sozialstaatsgedanken entspricht auch, dass der Besuch staatlicher Schulen und Hochschulen kostenfrei ist.

Die soziale Gesetzgebung hat in Deutschland eine lange Tradition. Ihr historisch ältester Zweig ist die Sozialversicherung. Deutschland hat als erstes Land der Welt 1883 eine gesetzliche Krankenversicherung für Arbeiter eingeführt. Die Krankenversicherung besteht heute für alle abhängig Beschäftigten als Pflichtversicherung (bis zu einer bestimmten Einkommenshöhe). Weitere gesetzliche Versicherungen sind hinzugekommen, die bei Arbeitslosigkeit, Unfall, Arbeitsunfähigkeit, Pflegebedürftigkeit einspringen und im Alter eine Rente zahlen. Sie sind meist bis zu einer bestimmten Einkommenshöhe verpflichtend (Pflichtgrenze), können darüber hinaus aber auch freiwillig fortgeführt werden. Aus Steuermitteln finanziert der Staat darüber hinaus weitere soziale Leistungen, z.B. Kindergeld, Erziehungsgeld, Wohngeld, soziale Grundsicherung im Alter, Arbeitslosengeld II.

Die Bürgerversicherung: Sozialstaatlichkeit im Bereich Gesundheit und Pflege

Auch die im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages behandelten Reformen im Feld von Gesundheit und Pflege prägen unsere soziale Demokratie. Laut Koalitionsvertrag ist die politische Debatte über die Einführung der Bürgerversicherung kein offizielles Thema der großen Koalition - was keineswegs bedeutet, dass sich die Partei SPD von diesem zentralen Kernstück sozialer Demokratie verabschiedet hat. Wir stehen nach wie vor zur Einführung der Bürgerversicherung für alle, um so die Finanzierung des Gesundheits- und Pflegewesens zu gewährleisten. Jahrelang wurde vor allem die Zukunftsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) angezweifelt. Das Bild hat sich gewandelt, denn die GKVen sind gerade aufgrund des Umlagesystems robust durch die Finanzkrise und die nach wie vor andauernde Niedrigzinsphase gekommen. Hingegen wachsen die Zweifel hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit des Systems der privaten Krankenversicherung (PKV). Trotz milliardenschwerer Alterungsrückstellungen, trotz politischen Hilfen durch Schwarz-Gelb, u.a. durch die Erleichterung der Wechselmöglichkeiten von der GKV zur PKV für freiwillig Versicherte, steigen die Versicherungsprämien weiter an. Doch damit nicht genug: Die Zweifel an der Dualität des weltweit einzigartigen Nebeneinander von gesetzlicher und privater Krankenversicherung steigt immens.

Die Sicherstellung des gleichen Zugangs für alle zu den Leistungen des Gesundheits- und Pflegewesens wurde als wesentliches Kriterium für ein solidarisches Gesundheitswesen debattiert. Einigkeit herrschte auch darüber, dass es eine paritätische Finanzierung geben soll und - bei entsprechenden politischen Regierungsoptionen - alle Zahlungen, die einseitig ArbeitnehmerInnen belasten, abgeschafft werden sollen.

Krankenversicherung für Studierende

Aufgrund des Alters der Teilnehmenden tauchte die Frage nach der Krankenversicherung für Studierende in sehr unterschiedlichen Facetten auf. Hier wurde deutlich, dass die Lebenswelt der Studierenden sehr vielfältig ist, daher auch die Bedingungen jeweils verschieden sind, was aber nicht für alle nachvollziehbar ist.