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Jeder Betrugsfall ist einer zu viel

 Sozialbetrug gehört bestraft, egal ob abgerechnete Leistungen nicht erbracht wurden und PatientInnen erfunden wurden, die gar nicht pflegebedürftig sind - wie in Berlin - oder ob Sozialversicherungsabgaben für Scheinselbständige nicht abgeführt werden - wie in Schleswig-Holstein. Jeder Betrug in der ambulanten Pflege muss restlos aufgeklärt und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Missbrauch zulasten der Solidargemeinschaft muss bekämpft werden.

Das Bundeskriminalamt geht davon aus, dass die Straftaten systematisch begangen werden. Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft bundesweit gegen einzelne betrügerische Pflegedienste aber auch ÄrztInnen, ApothekerInnen, Sanitätshäuser und Angehörige. Es sollen Schmiergeldzahlungen geflossen sein. Ich danke unseren Ermittlungsbehörden, dass sie Betrugsfälle auch in der Pflege konsequent verfolgen. Gerade um die Branche zu schützen, darf Kriminalität auf gar keinen Fall geduldet werden.

Organisierter Betrug schadet dem Vertrauen in unser System. Und wir müssen auch Vorsicht walten lassen: Einige der bisher veröffentlichten Zahlen sind offensichtlich spekulativ. Ein Schadensbetrag von einer Milliarde Euro ist zu hoch gegriffen. Zumal die Ausgaben im betroffenen Bereich insgesamt 4 Milliarden Euro umfassen. Und der prioritäre Bezug auf Sprachgruppen, in Berlin auf die Russlandstämmige Community, ist auch falsch, wie Betrugsfälle in anderen Bundesländern belegen. Eine Untersuchung in Baden-Württemberg zeigt auf, dass wir aktuell mit einem zweiprozentigen Anteil von Betrugsfällen in der Pflege rechnen müssen. Auch das ist noch zu viel.

Die Pflegebranche nicht unter Generalverdacht stellen

Es ist aber auch unsere Aufgabe, die kriminellen Methoden einzelner Dienste nicht als Anlass zu nehmen, die Angehörigen der Pflege unter Generalverdacht zu stellen und diese zu stigmatisieren. Das wäre im höchsten Maße ungerecht. Die hoch engagierten Pflegefachkräfte und Angehörige leisten einen wertvollen Dienst an pflegebedürftigen Menschen. Sie haben Respekt und Anerkennung verdient. Die Rahmenbedingungen, unter denen gepflegt wird, sind schwer genug.

Kontrolle stärken

Für die SPD ist die Kontrolle in der Pflege ein wichtiges Thema. Wir haben gerade erst mit dem Pflegestärkungsgesetz  2 die Möglichkeit eingeführt, dass der Medizinische Dienst (MDK) bei Pflegediensten - anlassbezogen - unangemeldete Kontrollen durchführen kann. Dabei geht es um Verdacht auf Qualitätsmängel oder Betrug. Seit Januar dieses Jahres ist der MDK zudem verpflichtet, Abrechnungen zu prüfen.

Wir GesundheitspolitikerInnen kümmern uns um die Kontrolle in der Pflege. Die neuen Regeln müssen aber erst greifen und weitere Kontrollmöglichkeiten prüfen wir. Wichtig ist, effektiv zu kontrollieren. Unangemeldete Kontrollen in Pflegediensten sind jetzt schon möglich. Nur immer mehr Kontrolle führt m. E. nicht zum Ziel und stößt teilweise an grundrechtliche Grenzen. Kontrollen in privaten Wohnungen sind rechtlich schwierig.

Wir werden selbstverständlich prüfen, wie wir Prüfverfahren und Kontrollen verbessern können. Erwogen werden sollten auch Schwerpunktstaatsanwaltschaften für Gesundheit und Pflege, um möglichen Betrugsfällen rasch auf die Spur zu kommen. Wichtig ist in Verdachtsfällen auch der Datenabgleich. Zu überprüfen sind auch die Zulassungsvoraussetzungen für die ambulante Intensivpflege.

Die Vorfälle sind auch eine Bestätigung für die Gründung von Pflegekammern in den Bundesländern. Wir müssen der Pflege selbst eine stärkere Stimme geben. So wie bisher kann es nicht bleiben.