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Pflege geht uns alle an!

SPD Fraktion vor Ort-Veranstaltung zu den Pflegestärkungsgesetzen und Pflegestützpunkten im Gewerkschaftshaus Schöneberg am 30. Juni 2016

„Die besten Gesetze nützen nichts, wenn ihre Leistungen den Bürgerinnen und Bürgern nicht bekannt sind“, so meine Haltung. Als Gesundheits- und Pflegepolitikerin der SPD-Bundestagesfraktion kann ich mit Fug und Recht sagen, dass wir in dieser Legislaturperiode bereits sehr viel für die Verbesserung in der Pflege getan haben und auch weiterhin tun - das ist gut so. Denn Pflege gehört in die Mitte der Gesellschaft: im Interesse der Pflegebedürftigen, der pflegenden Angehörigen, der beruflich und ehrenamtlich in der Pflege Tätigen, der Bürgerinnen und Bürger. Wir wollen die Selbstbestimmung, die Mitbestimmung und Teilhabe aller stärken.

Die Fraktion vor Ort-Veranstaltung „Pflege geht uns alle an“ von Ute Finckh-Krämer, SPD-Bundestagsabgeordnete für Steglitz-Zehlendorf, und mir am 30. Juni 2016 im Gewerkschaftshaus Schöneberg stand in diesem Lichte. Wir starteten mit dem Hinweis auf die Aktualität der zahlreichen gesetzgeberischen Pflegereformen und meiner Präsentation vor allem der beschlossenen Pflegestärkungsgesetze I und II sowie des sich in der parlamentarischen Beratung befindlichen Pflegestärkungsgesetzes III und des Pflegeberufereformgesetzes. Wichtig war uns aber nicht nur die gesetzgeberische „Theorie“: Damit es nicht allein beim Einblick in die Gesetze blieb, berichtete Diane Hall-Freiwald, Pflegeberaterin im Pflegestützpunkt Tempelhof-Schöneberg in der Pallasstr. 25, 10781 Berlin-Schöneberg, wie die Kommunikation der Gesetze praktisch funktioniert und berichtete über die Aufgaben eines Pflegestützpunktes. Hier erfolgt eine wertneutale und unabhängige Pflegeberatung. Jede BürgerIn hat ein gesetzlich verbrieftes Recht auf Pflegeberatung, und das nicht erst, wenn die Pflegebedürftigkeit schon eingetreten ist. Wie bei „Pflegeveranstaltungen“ üblich, gab es zumeist aufgrund individueller oder familialer Betroffenheit viele Fragen. Die Diskussion mit den zahlreich erschienenen BürgerInnen war sehr rege. Deutlich wurde allen: Die vom Gesetzgeber ausdrücklich unterstützte Beratung durch MitarbeiterInnen der Pflegestützpunkte hilft enorm, damit die im Deutschen Bundestag beschlossenen Gesetze ihre ganzheitliche Wirkung voll entfalten können.

Große Pflegereform, um individuell gestalten zu können

Pflege ist ein umfassendes, ein vielschichtiges und vor allem ein hochaktuelles Thema – und das wird Pflege auch bleiben: Lag im Jahr 1995 die Zahl der Pflegebedürftigen noch bei 1,06 Millionen, waren es 2014 mit 2,63 Millionen Menschen schon doppelt so viel. Aufgrund des demographischen Wandels schätzen wir, dass sich bis 2050 diese Zahl nochmals verdoppelt, auf 4,4 Millionen Pflegebedürftige. Dabei werden die Lebenssituationen und Bedarfe der Menschen aufgrund der Zuwanderung, der Zunahme von Singlehaushalten und bunterer Lebensstile und neuer Altersbilder immer vielfältiger. Diese Vielfalt erfordert auch Veränderungen in der Organisation von Pflege, um individuelle Pflege zu gewährleisten.

Die Pflegestärkungsgesetze I und II

Bei den Pflegereformen spielen die Pflegestärkungsgesetze I, II und III eine dominante Rolle. Drei große Pakete mit differenzierten Schwerpunkten: Mit dem Pflegestärkungsgesetz I haben wir vor allem die Leistungen für Pflegebedürftige und pflegende Angehörige ausgebaut und dynamisiert, unter anderem die Zuschüsse für Umbaumaßnahmen in den Wohnungen erhöht. Mit dem Pflegestärkungsgesetz II führen wir ab dem 1. Januar 2017 einen neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff und ein neues Begutachtungssystem ein. Mit der differenzierteren Bepunktung kann die Lebenssituation der einzelnen Menschen mit ihren somatischen, psychischen und/oder kognitiven Beeinträchtigungen individueller betrachtet und in einem Pflegegrad erfasst werden. Mit dem neuen Pflegegrad 1 schaffen wir für bis zu 500.000 Menschen einen Leistungsanspruch, der es Menschen ermöglicht, Angebote der allgemeinen Betreuung und für wohnumfeldverbessernde Maßnahmen in Anspruch nehmen zu können. An diesen Unterstützungen im Alltag fehlt es bis dato oft. Wir stärken auch aktiv das Prinzip „Reha vor Pflege“.

Das Pflegestärkungsgesetz III

Am 28. Juni 2016 hat das Bundeskabinett den Entwurf eines Dritten Pflegestärkungsgesetzes (PSG III) beschlossen. Die parlamentarische Beratung beginnt im September. Mit dem PSG III wollen wir die Pflegeberatung in den Kommunen stärken, damit die benötigten Unterstützungsleistungen zügig bei den Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen ankommen. Mit der Stärkung der Pflegestützpunkte erhalten die BürgerInnen, die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen eine Beratung aus einer Hand. Die Kommunen erhalten mehr Steuerungs- und Planungsoptionen. Auf diese neue Verantwortung müssen sich die Kommunen aber auch noch einstellen. Es bedarf neuer Kooperation mit den Sozialversicherungsträgern.

Gesetze über die Pflegestärkungsgesetze hinaus

Die Pflegestärkungsgesetze I, II und III stellen das Herzstück der Pflegereformen dar. Für die Pflege sind aber auch noch andere Gesetze relevant, so zum Beispiel das Präventionsgesetz. Mit diesem wollen wir eine engere Zusammenarbeit der Akteure in der Prävention und Gesundheitsförderung verwirklichen. Gesundheitsfördernde Angebote sollen zunehmend eine Rolle spielen in den Pflegeeinrichtungen, aber auch in Kitas, Schulen, Betrieben und Kommunen. Auch den Selbsthilfegruppen, -organisationen und -kontaktstellen kommt eine große Bedeutung zu.

Zu den großen Pflegereformen gehört auch die Einführung der generalistischen Pflegeausbildung mit dem Pflegeberufereformgesetz. Bei fast allen Pflegeveranstaltungen, die ich in diesem und letzten Jahr veranstaltet habe, wurde richtigerweise auf das Problem des fehlenden Pflegepersonals hingewiesen. Ein Ansatz, dem Pflegenotstand qualitativ als auch quantitativ zu begegnen und die Attraktivität der Arbeit in der Pflege zu steigern, ist die Schaffung eines neuen Berufsbildes Pflege. Diese Reform ist sehr dringlich – daher bedauere ich es sehr, dass dieser Gesetzentwurf vor der Sommerpause nicht mehr zur Abstimmung gekommen ist.

Pflegestützpunkte

Damit Pflegeleistungen dort ankommen, wo sie ankommen sollen, liegt der Fokus des Pflegestärkungsgesetz III vor allem im Ausbau der Pflegeberatung. Damit fördern wir die soziale Teilhabe pflegebedürftiger Menschen und ihrer Angehörigen.

Auch in Berlin übernehmen Pflegestützpunkte diese wichtige Aufgabe der Vermittlung der Leistungsansprüche und der individuellen Beratung. Kommunen bekommen mit dem Pflegestärkungsgesetz III das Initiativrecht, weitere Pflegestützpunkte zu errichten. In Berlin existieren derzeit 33 Pflegestützpunkte. Träger der Berliner Pflegestützpunkte sind beispielsweise Albatros, Diakonie, VDK, Volkssolidarität, Unionhilfswerk und andere. Bis vor kurzem gab es in Tempelhof-Schöneberg 2 solcher Pflegestützpunkte, einen in der Reinhardstraße 7 (Tempelhof), einen in der Pallasstraße 25 (Schöneberg). Ich freue mich, dass am 2. Juli 2016 ein weiterer Pflegestützpunkt in Mariendorf in den Räumen der Deutschen Rheuma-Liga feierlich eröffnet wurde.

Diane Hall-Freiwald, Pflegeberaterin im Pflegestützpunkt in Schöneberg, veranschaulichte die tägliche Arbeit in einem Pflegestützpunkt. Sie betonte nachdrücklich, dass es lohnenswert sei, sich rechtzeitig „in guten Zeiten“ Gedanken über Pflegebedürftigkeit und damit zusammenhängende Ansprüche zu machen und Informationen einzuholen. Pflegebedürftigkeit sei kein Thema nur für Ältere. Durch einen Unfall kann Jede und Jeder plötzlich Pflege in Anspruch nehmen müssen. 

Wie läuft eine Beratung konkret ab?

Obwohl es sich lohnt, frühzeitig über Pflege nachzudenken, sieht die Realität oft anders aus. Obwohl sich Pflegebedürftigkeit zumeist „schleichend“ ankündigt, trifft der Bedarf die meisten Menschen vermeintlich plötzlich, viele Fragen stürzen auf Pflegebedürftige und pflegende Angehörige ein. Pflegestützpunkte sind eine gute Anlaufstelle, um sich Unterstützung zu holen. In Pflegestützpunkten ist vielfältiges Wissen, auch zur Ausgestaltung der Kostenübernahme, gebündelt. Außerdem sind die MitarbeiterInnen in den Pflegestützpunkte sehr gut vernetzt und stehen in direktem Kontakt mit den relevanten Diensten wie Krankenhäusern, ambulanten Pflegediensten, Apotheken, Pflegeheimen, Selbsthilfegruppen und weiteren Initiativen und Einrichtungen. Die Beratung erfolgt anonym, neutral und kostenfrei. Sie geht auf die individuellen Lebenssituationen ein und zeigt individuelle Optionen auf. So beschreibt Diane Hall-Freiwald das Beispiel eines pflegebedürftigen Mannes und seiner Familie, die sich auf Hinweis ihres Hausarztes bei der Suche nach einem Pflegeheim an den Pflegestützpunkt wendeten. Im Pflegestützpunkt wurden ihnen dann die Möglichkeiten der häuslichen Pflege aufgezeigt, mit allen dazugehörigen Ansprüchen wie der Wohnraumanpassung, der hauswirtschaftlichen Unterstützung und den Betreuungsangeboten. Es wurde eine gemeinsame Wohnungsbegehung gemacht, die notwendigen Ärzte kontaktiert und der Kontakt zum Krankenhaus hergestellt, über Leistungen informiert, von denen die Familie bis dato nichts wusste. Geschaffen wurde insgesamt eine reale Alternative zur stationären Langzeitpflege. Wichtig sei den Familien, die Möglichkeiten in Gänze darzustellen - mit dem Ziel zur Verbesserung der Lebensumstände, so Diane Hall-Freiwald. Diese Familie entschied sich schließlich gegen ein Pflegeheim und für die häusliche Pflege. Der pflegebedürftige Mann sei in seinen letzten Lebensmonaten noch einmal regelrecht aufgeblüht.

Vor allem bei den kleinen Tücken in der Leistungsgewährung kann eine Pflegeberatung hilfreich sein. So gibt es beispielsweise für wohnraumverbessernde Umbauten bis zu 4.000€ - dass diese einmalig gezahlt werden, ist den wenigsten bewusst. Gerade hier sei eine Beratung im Vorfeld einer Umbaumaßnahme sehr sinnvoll, so Diane Hall-Freiwald. Die MitarbeiterInnen der Pflegestützpunkte seien BeraterInnen und UnterstützerInnen auf persönlicher Ebene.

Antworten auf Fragen – dafür gibt es die Pflegestützpunkte!

Fast nahtlos schlossen sich die zahlreichen Fragen der Anwesenden an. Es gibt einen hohen Bedarf an Antworten. Die meisten Fragen bezogen sich auf Details und individuelle Situationen: Wie kann reaktive Rehabilitation in Anspruch genommen werden? Wie läuft eine Begutachtung dazu ab? Wie sieht es für GrundsicherungsempfängerInnen aus? Wie lange gelten die Lohnersatzleistungen? Diese und mehr Fragen beantwortete Diane Hall-Freiwald detailliert und umfangreich.

Die Pflegestützpunkte beraten kostenlos! Jede und jeder Pflegebedürftige und seine oder ihre Angehörigen können Beratungen in Anspruch nehmen. Dabei ist die Wahl des Pflegestützpunktes nicht an den Wohnort gebunden. Es gibt einen rechtlichen Anspruch auf Beratung und zu den individuell zuständigen Leistungen. Um den vollen Umfang möglicher Leistungen auch zu bekommen, lohnt es sich darüber informiert zu werden. Ich freue mich, dass die Bekanntheit der Pflegestützpunkte steigt. Auch dafür diente diese Fraktion vor Ort-Veranstaltung.  

„Rawert-Mediathek“

Die Beiträge der RednerInnen der Fraktion vor Ort-Veranstaltung wurden live mitgeschnitten und können auch hier noch einmal nachgesehen und gehört werden.

Hier gibt es Informationen zu den „Pflegestützpunkte Berlin - Informationen, Beratung und Unterstützung rund um die Pflege“.

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160630 Vortrag Powerpoint Pflege.pdf588.69 KB
2016-05_PSP_Präsentation_Hall-Freiwald.pdf1.18 MB