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Sommertour 2016: Besuch einer Sozialstation der Sozialdienste der Volkssolidarität Berlin gGmbH

Der Aufbau einer Pflegeinfrastruktur, die den Bedürfnissen der älteren und pflegebedürftigen Menschen, denen der Familienangehörigen und denen der in der Pflege tätigen Menschen entspricht, ist eine der Kernaufgaben zukunftsorientierter gestaltender Politik in Berlin. Dafür bedarf es der Kooperation der aller föderaler Ebenen ebenso wie dem Aufbau sektorenübergreifender Konzepte in der gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung. Der Landespflegeplan Berlin beschreibt einige der künftigen Herausforderungen für das Land Berlin und der hier tätigen Akteure.

Gemeinsam mit Jan Stöß, Kandidat im Wahlkreis 2 in Berlin-Mitte (Alexanderplatz, Engelbecken, Leipziger Platz) für das Berliner Abgeordnetenhaus besuchten wir die Sozialstation Mitte/Prenzlauer Berg der Sozialdienste der Volkssolidarität Berlin gGmbH, Fischerinsel 2. In unser gemeinsamer Namen bedanke ich mich sehr herzlich bei Uwe Mahrla, Geschäftsführer, und ‎Jana Kruspe, Personalreferentin bei Sozialdienste der Volkssolidarität gGmbH, sowie André Lossin, Landesgeschäftsführer der Volkssolidarität Berlin e.V., für ein fachlich sehr informatives und konstruktives Gespräch. Die Sozialstation Mitte/Prenzlauer Berg macht gute Arbeit. Deutlich wird im Gespräch aber auch, dass es in der Berliner Pflegeinfrastruktur noch zahlreiche Baustellen gibt, die wir gemeinsam im generationsübergreifenden Interesse aller verbessern sollten. Wir alle wollen schließlich gut altern.

Volkssolidarität zeigt PolitikerInnen den Alltag in der ambulanten Pflege

Zu den Sozialdiensten der Volkssolidarität Berlin gGmbH gehören 7 Sozialstationen, 3 Seniorenheimen, 3 Wohnanlagen für "Wohnen mit Service", 2 Tagespflegestätten, der Ambulante Palliativ-Beratungs- und Hospizdienst und 5 Wohngemeinschaften für Menschen mit Demenz, die in Kooperation mit einem anderen Pflegedienst betreut werden. Beschäftigt werden rund 700 MitarbeiterInnen und 30 Auszubildende.

Die Sozialstation Mitte / Prenzlauer Berg

Jan Stöß und ich erkundigten uns nach dem Funkionieren einer Sozialstation, die mehrere hundert KlientInnen mit ambulanter Pflege versorgt, nach der speziellen sozialräumlichen Situation auf der Fischerinsel, ob es Personalmangel gäbe, nach künftigen Herausforderungen.

In der Sozialstation sind über achtzig exminierte PflegerInnen, HauspflegerInnen und SozialarbeiterInnen beschäftigt. Es finden stete Qualitätsverbesserungen statt und das ehrenamtliche Engagement wird ausgebaut. Es erfolge auch eine Umstellung der Pflegedokumentation. Geboten werden auch Beratungen der Pflegebedürftigen und deren Angehörigen zu den möglichen Leistungen, die die Pflegeversicherung bietet.

Debattiert wurde auch über

  •        die Zunahme von Menschen, die die Hilfe zur Pflege in Anspruch nehmen.
  •        die Leistungsentgelte in der auf Landesebene verhandelten Kostenpauschalen
  •        über die aus Sicht des Trägers vom Land zu übernehmenden Investivkosten
  •        über die noch bis zum 31. Dezember 2016 geltende Pflege-Betreuungs-Verordnung.

Ein drängendes Problem ist die Zunahme der Zeitarbeit auch in der Pflege.


Foto zeigt v.li.n.re. Uwe Mahrla, Geschäftsführer der Sozialdienste der Volkssolidarität Berlin gGmbH, Jan Stöß, Mechtild Rawert und André Lossin, Geschäftsführer Volkssolidarität Landesverband Berlin e.V.

Angebote in der Pflege in einem immer älter und bunter werdenden Berlin

Von den derzeit über 3,5 Millionen BerlinerInnen sind über 1,3 Millionen 50 Jahre und älter, davon wiederum über 140.000 80 Jahre und älter. Berlin profitiert vom Zuzug von vor allem jüngeren Menschen. Fakt ist aber auch, dass die Zahl der über 80-Jährigen sich bis 2030 nahezu verdoppeln, von heute 140.000 auf 270.000 wird. Der demografische Wandel führt dazu, dass wir das Zusammenleben der Generationen neu denken müssen, insbesondere auch in den Bereichen Gesundheit und Pflege. Mit steigendem Alter leben immer mehr Menschen häufig alleine. Es nimmt auch das Risiko für (mehrere) Erkrankungen und Pflegebedürftigkeit zu, die sogenannte Multimorbidität. Der Bedarf an einem ineinandergreifendem, interdisziplinär aufeinander abgestimmtem gesundheitlichen und pflegerischen Hilfesysteme ist in dieser Lebensphase sehr hoch. Der im Mai 2016 für Berlin vorgelegte Landespflegeplan 2016 - Pflege und pflegeunterstützende Angebote in Berlin stellt Angebot und Nachfrage in der Pflege auf der Basis der aktuellen Bevölkerungsdaten und statistischen Erhebungen zu ambulanten Pflegediensten und stationären Einrichtungen dar. Wichtige Trends der Berliner Pflegelandschaft sind unter anderem:

  • Rund 75 Prozent der insgesamt 112.509 Pflegebedürftigen im Jahr 2013 werden zu Hause versorgt. Die Angehörigen versorgen mehr als die Hälfte der Pflegebedürftigen allein und ohne Hilfe von professionellen Pflegekräften. Der Großteil der zu Hause Gepflegten fällt unter die Pflegestufe I, aber auch mehr als die Hälfte der Pflegebedürftigen mit der Pflegestufe III werden zu Hause versorgt. Am stärksten steigt der Anteil der Pflegebedürftigen in Pflegestufe I. Frauen stellen wegen ihrer höheren Lebenserwartung zwei Drittel der pflegebedürftigen Menschen.
  • Die Bedeutung stationärer Pflege bleibt dahinter zurück: Nur ein Viertel der Pflegebedürftigen in Berlin lebt in einem Pflegeheim.
  • Der Ausbau der Kapazitäten in der ambulanten Pflege durch die Pflegedienste (2016: über 600, davon 2/3 private Anbieter) als auch einem Zuwachs beim Personal ist in den letzten Jahrzehnten deutlich schneller angestiegen als die Zahl der Pflegebedürftigen. Auch in der stationären Pflege wuchsen die Kapazitäten, sind aber beim Zuwachs der Anzahl der Einrichtungen, der verfügbaren Plätze, des Personals und den in Pflegeheimen versorgten Pflegebedürftigen deutlich hinter dem Ausbau der ambulanten Pflege durch Pflegedienste zurückgeblieben. Die BewohnerInnenstruktur hat sich stark verändert, die Verweildauern verkürzen sich, u.a. weil das durchschnittliche Einzugsalter bei 82 Jahren liegt. Mit dem steigenden Durchschnittsalter der BewohnerInnen nimmt die Multimorbidität, die Leistungen für die behandlungspflegerischen Maßnahmen und der Aufwand für die Pflege Sterbender zu. Hieraus resultieren steigende Anforderungen an das Personal in stationären Einrichtungen. Weiter gestärkt werden muss die Verbesserung grundsätzlicher Rahmenbedingungen für die Arbeit der Pflegeheime als auch die Entwicklung von Hospizkultur und Palliativkompetenz.
  • Bei Fortschreibung der bisherigen Versorgungsanteile steigt - im Vergleich zu 2013 - der Anteil der Menschen, die in einem Pflegeheim versorgt werden, bis 2030 um etwa 15.000 auf 42.500 Menschen an. Die Zahl der zu Hause allein von pflegenden Angehörigen versorgten Menschen wächst um ca. 42.500 Personen, die von Pflegediensten versorgten Menschen um rund 14.000. Die Zahl der Pflegegeldempfangenen stiege um nahezu 30.000 Personen. Um den derzeit erreichten Versorgungsgrad auch 2030 mit etwa 170.000 Menschen zu halten, muss ein erheblicher Ausbau der ambulanten und stationären Kapazitäten erfolgen.
  • Ein zentrales Handlungsfeld ist die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Gruppe der pflegenden Angehörigen, die in ihrer eigenständigen Rolle, mit ihren Bedürfnissen hinsichtlich ihrer eigenen Lebensqualität stärker als heute in den Blick zu nehmen sind. Ihre Pflegebereitschaft und -fähigkeit ist im Kontext verstärkter Frauenerwerbstätigkeit, Arbeitsmobilität, sich verändernder Familienverhältnisse, zunehmender Hochaltrigkeit und damit Pflegebedürftigkeit sowie einer ansteigenden Zahl der Singlehaushalte zu betrachten.

    Darauf haben wir mit dem Ausbau der Leistungssteigerungen durch die Pflegestärkungsgesetze I und II Bezug genommen. Wir rechnen mit einem Anstieg  von Pflegebedürftigen, die zu Hause professionelle       Unterstützung durch Pflegedienste benötigen. Der Bedarf entwickelt sich im Kontext gewandelter Haushalts- und Familienstrukturen, der Care Migration, der Zunahme der Demenzerkrankungen und der hochaltrigen vielfach multimorbiden Pflegebedürftigen. Fakt ist: Je mehr die Pflege durch Angehörige entfällt, desto stärker steigt der Bedarf nach professioneller Pflege.
  • In Berlin arbeiteten Ende 2013 rund 42.040 Menschen - rund 80 Prozent Frauen - in der Pflege, davon 20.632 in stationären Einrichtungen und 21.408 Beschäftigte in den ambulanten Pflegediensten. Seit 2003 wuchs die Zahl der Beschäftigten in der stationären Pflege um 22,5% und im ambulanten Bereich von 65,3%. Insgesamt waren 2013 nur noch rund 40% der professionell Pflegenden in Vollzeit beschäftigt, die meisten im ambulanten Bereich.
  • Mit Stand 20. Oktober 2015 gibt es in Berlin 89 Tagespflegeeinrichtungen mit 1.658 Plätzen. Ein Angebot der Nachtpflege besteht nach wie vor nicht. Mit Stand 01. Januar 2016 gibt es in Berlin 23 Kurzzeitpflegeeinrichtungen mit 400 Plätzen – leider weniger als 2011. Hier muss trotz vergleichsweise hoher Personal- und Sachkosten, großer saisonaler Auslastungsschwankungen und geringer Planungssicherheit angesichts der steigenden Zahl der zu Hause lebenden Pflegebedürftigen und die immer kürzer werdenden Verweildauer in Krankenhäusern nachgebessert werden. Auch ist ein Kurzzeitpfleg-Bedarf für schwerstkranke, pflegebedürftige Kinder und Jugendliche gegeben.
  • Wohngemeinschaften sind ein wichtiger Teil der Versorgungsstruktur geworden:  Anfang November 2015 594 Wohngemeinschaften mit insgesamt 4.445 Plätzen. Berlin hat damit wahrscheinlich das größte und differenzierteste Angebot im Bundesgebiet vorzuweisen. Für mehr als die Hälfte der Wohngemeinschaften weisen die Pflegedienste Demenz als Schwerpunkt aus.
  • Für eine gute Pflege brauchen wir bis zum Jahr 2030 mehr professionell Pflegende. Berlin wächst und wird älter - geschätzt wird, dass die Gruppe der über 80-Jährigen in Berlin prozentual am stärksten steigt, auf etwa 170.000. Bei gleichbleibendem Wunsch nach den verschiedenen Versorgungsformen steigt der Bedarf - bis 2030 nur in Berlin - an zusätzlichem Personal in der Größenordnung von rund 22.000 Beschäftigten.
  • Gewichtige Ziele sind daher die Gewinnung von Nachwuchs für die Pflegeberufe und die Erhaltung der Arbeitszufriedenheit der im Beruf stehenden Pflegekräfte. Daher ist das auf Bundesebene debattierte Pflegeberufereformgesetz von entscheidender Bedeutung. Entscheidende Instrumente für eine Sicherstellung einer angemessenen pflegerischen Versorgung in einer älter werdenden Gesellschaft auch in der Zukunft sind die Förderung der Ausbildungszahlen und die Weiterentwicklung der Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten sowie die Verbesserung der Arbeitsbedingungen.
    Zur Deckung des Nachwuchs- und Pflege(fach-)kräftebedarfs

    - ist die Zahl der Vollzeitstellen zu erhöhen,
    - muss das Prinzip der gleichen Bezahlung für gleiche und gleichwertige Arbeit für Männer und Frauen umgesetzt werden,
    - sind Maßnahmen zur Förderung und zum längeren Erhalt der Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit zu ergreifen.
  • Obwohl das Land Berlin bereits über ein gut ausgebautes Netz an Informations- und Beratungsstellen und weiteren pflegeflankierenden Diensten verfügt, wird die Bedeutung der Pflegestützpunkte - gerade auch für die Beratung pflegender Angehöriger in Bezug auf Leistungen des SGB XI - noch zunehmen. Zunehmen wird auch der Fortbildungsbedarf für die MitarbeiterInnen, um dem steigenden Beratungsbedarf erfüllen zu können. 
  • Die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales hat am 07. Juli 2016 die „Verordnung zur Anerkennung und Förderung von Angeboten zur Unterstützung im Alltag (Pflegeunterstützungsverordnung - PuVO)“ veröffentlicht. Die PuVO stärkt die Unterstützungsstrukturen für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen und setzt die Neuregelungen der Pflegestärkungsgesetze I und II für das Land Berlin um. Die Pflegeunterstützungsverordnung tritt gemeinsam mit den bundesgesetzlichen Regelungen zum 1. Januar 2017 in Kraft. Sie löst ab dem 01. Januar 2017 die bisherige Pflege-Betreuungs-Verordnung ab (bisherige Anerkennung niedrigschwelliger Betreuungsangebote). 
  • Mit dem im Pflegestärkungsgesetz II verankertem neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff werden die Bedürfnisse von an Demenz erkrankten Menschen stärker als je zuvor seit Bestehen der Pflegeversicherung aufgegriffen. Durch die ab dem 1. Januar möglich werdende Inanspruchnahme haushalts- und teilhabebezogener Leistungen wird sich die Lage von Menschen mit Demenz tendenziell noch weiter verbessern - auch weil es in Berlin schon ein vergleichsweise insgesamt gut ausgebautes ambulantes und (teil-) stationäres Versorgungsangebot im Pflege- und Gesundheitsbereich gibt.

  • Um den Rechercheaufwand für Pflegebedürftige und ihren Angehörigen zu verringern, müssen die Informationen zu dem stark ausdifferenzierten Berliner Angebot im Bereich der Pflege leichter zugänglich gemacht und besser strukturiert werden. Es gilt die Eingangsseiten der wichtigsten Plattformen und die Recherchemöglichkeiten sukzessive zu verbessern, sie stärker aufeinander auszurichten und miteinander zu vernetzen.

 
© Volkssolidarität Landesverband Berlin e.V. Das Foto zeigt Uwe Mahrla, Geschäftsführer der Sozialdienste der Volkssolidarität Berlin gGmbH (links) im Gespräch mit Mechtild Rawert und Jan Stöß.