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MUT-TOUR und „Markt der seelischen Gesundheit“ auf dem Tempelhofer Feld am 5. August 2016

Über Depressionen wird zu selten gesprochen. Dennoch leiden zurzeit etwa 8 Millionen Menschen in Deutschland an einer behandlungsbedürftigen Depression. „Depressionen sind hinterlistig. Sie verstecken sich oft, zeigen sich kurz und überraschend, kann meine Kinder erwischen, meine Freunde oder Kollegen. Manche unserer Nächsten leiden womöglich daran, ohne dass wir es merken“, so Hajo Schumacher, der Schirmherr des Berliner Aktionstages. Depression kann jeden Menschen in unterschiedlichen Altersphasen treffen. Depressionen sind allgegenwärtig – sprechen wir also häufiger über diese Erkrankung.

Ich danke allen Engagierten, die sich mit dem „Markt der seelischen Gesundheit“ für eine Gesellschaft einsetzen, in der niemand stigmatisiert wird.

MUT-TOUR Aktionstag BERLIN

Um Depressionen und andere psychische Krankheiten aus dem Tabu-Bereich zu holen, braucht es Mut. Wie das geht, wurde am 5. August 2016 in Form der MUT-TOUR auf dem Tempelhofer Feld gezeigt. Die MUT-TOUR ist Deutschlands erstes Aktionsprogramm in Form einer seit 2012 existierenden    Fahrradtour. Diese führt durch die gesamte Bundesrepublik: Das Tempelhofer Feld ist also nur eine ihrer vielen Etappen. Das Ziel der Tour ist es, Menschen mit und ohne Depressionserfahrungen zusammenzubringen und sich gemeinsam in Richtung Entstigmatisierung zu bewegen.

„Markt der seelischen Gesundheit“ auf dem Tempelhofer Feld

Von 14 bis 20 Uhr fand dort der „Markt der seelischen Gesundheit“ statt. Zahlreiche Organisationen aus dem Bereich psychische Erkrankungen stellten ihre Projekte und Behandlungsschwerpunkte vor. Der „Markt der seelischen Gesundheit“ wurde von der Deutschen Depressionsliga e.V., bipolaris e.V. und den Organisatoren der MUT-TOUR organisiert. Natürlich gab es auch Essen, Musik und ein Kinderprogramm, alles mit der Botschaft: Gemeinsam in Bewegung bleiben. Am Abend fand zusätzlich noch ein MUT-LAUF statt. Mit 310 LäuferInnen, 66 StandbetreuerInnen von 34 Institutionen, zwei Bands und über tausend BesucherInnen war der „Markt der seelischen Gesundheit“ ein Erfolg und zugleich eine Etappe auf dem Weg hin zur Entstigmatisierung der Krankheit Depression.

Depression aus dem Schatten holen – in Berlin gibt es zahlreiche Anlaufstellen

Von den rund 8 Millionen Menschen in Deutschland, die an Depression leiden, werden nur etwa 10 Prozent richtig behandelt. Andere erhalten nicht einmal die richtige Diagnose. Da auch in Schulen und anderen Einrichtungen häufig nicht offen über Depression gesprochen wird, begeben sich viele Menschen aus Angst vor Stigmatisierung nicht in Behandlung. Zusätzlich zur Erkrankung gibt es die Angst vor Vorurteilen, alles in allem eine doppelte Belastung der Erkrankten.

Viele Institutionen in Berlin arbeiten im Bereich der Aufklärung, um diesen Kreis der Vorurteile zu durchbrechen: so die Deutsche DepressionsLiga e.V. oder die Stiftung Deutsche Depressionshilfe . Beide fungieren als InformationsvermittlerInnen und InteressenvertreterInnen gegenüber Politik, Gesundheitswesen und Öffentlichkeit als aktive PatientInnenvertretung für an Depression erkrankte Menschen. Vor allem sind sie auch erste Anlaufstelle, um über Symptome und mögliche Ursachen nachzudenken oder an Behandlungsorte weiterzuvermitteln.

Der Austausch über die Krankheit Depression ist genauso wichtig wie ihre Behandlung. Auch bipolaris - Manie & Depression Selbsthilfevereinigung e.V. und Selko arbeiten in diesem Bereich. Oft stellt die Erkrankung auch für das Umfeld der Betroffenen eine hohe Belastung dar. Es hilft, sich mit Menschen, die gleiche Erfahrungen machen, auszutauschen und über die Schwierigkeiten im Alltag zu sprechen.

Auf dem „Markt der seelischen Gesundheit“ stellten zahlreiche Organisationen ihre breiten Angebote vor, die Teil der psychologischen Behandlung sind. So beispielsweise kbs e.V., ein sozialpsychiatrisch orientierter Verein, der bei seinem vielfältigen Angebot auch ein Projekt namens „Die Biber“ hat. Als Berlins ältestes Zuverdienstprojekt bieten „Die Biber“ chronisch psychisch erkrankten Menschen, die auf einen geschützten Arbeitsplatz angewiesen sind, die Möglichkeit trotz Erkrankung produktiv tätig zu sein. Gleiches Ziel verfolgt das Unionshilfswerk. Angeboten werden 25 Berufsbereiche, in denen Menschen im geschützten Raum der Werkstatt, dem Arbeitsbereich USE, Fuß fassen und auch auf Dauer beschäftigt sein können, sich somit auch Rentenansprüche erwerben.

Auch die Klinik für seelische Gesundheit im Kindes- und Jugendalter, die Teil des in Tempelhof gelegenen St. Joseph Krankenhaus ist, war auf dem „Markt der seelischen Gesundheit“ vertreten. Ihr Angebot richtet sich an Kinder und Jugendliche mit allen Formen psychischer Erkrankungen und Entwicklungsstörungen. Da die Ursachen psychischer, psychosomatischer und neuropsychiatrischer Erkrankungen und Entwicklungsstörungen im Kindes- und Jugendalter meist komplex sind und das Verhalten und die Lebensgestaltung der jungen PatientInnen in vielfältiger Form beeinflussen, ist eine differenzierte und gleichzeitig ganzheitliche, familienorientierte Vorgehensweise erforderlich. In der Erlebnispädagogik gibt es verschiedene Projekte für Jugendliche, um die psychische und physische Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit zu steigern und gemeinschaftlich kreativ zu werden. So entstand unter anderem der Sinnes- und Kräutergarten. Aber es gibt auch gezielte Projekte für ältere Menschen.

Es präsentierte sich auch die Fliedener Klinik Berlin, die neben dem regulären psychotherapeutischen Angebot auch ein spezielles Psychotherapieangebot 60+ hat. Der Prozess des Älterwerdens und damit verbundene Verlusterfahrungen, sich verändernde Kompetenzen und aber auch die Betreuung schwer erkrankter Angehöriger erzeugen oft depressive Syndrome. In ambulanten und teilstationären Angeboten sollen diese besonderen Ursachen und ihre Symptome Beachtung finden.

Bei einer Depression Hilfe und Unterstützung einzuholen, damit sollte nicht gewartet werden. Fritz am Urban beispielsweise ist ein Therapieangebot, das frühzeitig intervenieren möchte. An diese Klinik wenden sich oft junge Erwachsene mit beginnenden psychischen Krisen. Ziel ist es, durch frühzeitigen Austausch zu lernen, mit inneren Turbulenzen umzugehen. Es gibt Therapieangebote wie Ergo- und Musiktherapie, Sozialberatung, Metakognitives Training, welche es ermöglichen, jungen Menschen ein Verständnis über ihre Krankheit zu vermitteln und ihnen so frühzeitig das Werkzeug zum Umgang damit in die Hand zu geben.

Depression ist eine Krankheit, die den Alltag bestimmt, das Leben prägt. Trotzdem können Betroffene über ihr Leben dominierendes Thema oft nicht sprechen. Die Anzahl der Unterstützungsangebote auf dem „Markt der seelischen Gesundheit“ zeigen, dass es für Betroffene und ihre Angehörigen möglich ist, über das Thema offen zu reden und sich auszutauschen. Niemand ist alleine, niemand soll alleingelassen werden. Eine enttabuisierte Zukunft ist möglich. Aber es braucht MUT – und darum wollen wir bei diesem Thema gemeinsam in Bewegung bleiben.