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Fairer Handel statt Freihandel

Am 22. September, drei Tage nach dem SPD-Parteikonvent, fünf Tage nach den zahlreichen Demonstrationen gegen CETA & TTIP, hat auch der Deutsche Bundestag intensiv über CETA debattiert. CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement) ist das umfassende Wirtschafts- und Handelsabkommen zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedsstaaten und der kanadischen Regierung. Die Verhandlungen laufen seit 2009. Mein Ziel ist ein Vertragswerk, das nicht Freihandel, sondern fairen Handel im Rahmen einer gerechten und solidarischen Weltwirtschaftsordnung garantiert.

Hätte ich heute im Rahmen der Debatten im Deutschen Bundestag über den Vertragstext abstimmen müssen, würde ich mit Nein stimmen. Zu groß sind noch offen gebliebenen Fragezeichen, die sich auf einige der Inhalte beziehen. Zu groß die bisherigen Kommunikationslücken mit der Bevölkerung in Deutschland. Der Berliner SPD-Landesvorstand hatte dazu am 5. September 2016 eine klare Position beschlossen, die ich unterstütze.

Aber heute wurde nicht über den Vertragstext des CETA-Abkommens abgestimmt.

Abgestimmt wurde - neben Anträgen der Grünen und der Linken - über den vom 20.9.2016 datierten Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD (Drs. 18/9663).

In diesem Antrag wird der Bundeswirtschaftsminister beauftragt, im Handelsministerrat der EU den aktuell vorliegenden Vertragsentwurf CETA in die parlamentarischen Verfahren der Parlamente auf europäischer und nationaler Ebene zu geben. Darüber wurde abgestimmt. Und da sage ich natürlich Ja, zumal auf jeden Fall noch weitere Debatten dazu im Deutschen Bundestag folgen.

Entscheidungen auf dem SPD-Konvent

Die SPD hat auf ihrem Konvent am 19. September 2016 die Anforderungen an das Abkommen und den vor uns liegenden Prozess formuliert. Wir haben ganz klare Bedingungen beschlossen, die am Ende Maßstab für das Abstimmungsverhalten aller SPD-Abgeordneten sind. Wenn diese Forderungen nicht erfüllt sind, werde ich CETA nicht zustimmen. Beschlossen wurde:

  • Im Bereich des Investorenschutzes muss mit Blick auf Rechtstatbestände wie „faire und gerechte Behandlung“ und „indirekte Enteignung“ sichergestellt werden, dass keine Bevorzugung von ausländischen gegenüber inländischen Investoren oder Bürgerinnen und Bürgern stattfindet. Investorenschutz sollte somit auf die Diskriminierung gegenüber inländischen Investoren beschränkt werden.
  • Es muss unmissverständlich und rechtsverbindlich erklärt werden, dass die EU im Rahmen des CETA-Abkommens in keiner Weise vom primärrechtlich verankerten Vorsorgeprinzip (Art. 191 AEUV) abweicht.
  • Im Rahmen des Beratungsprozesses muss ein Sanktionsmechanismus bei Verstößen der Partner gegen Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards entwickelt werden. Die acht ILO-Kernarbeitsnormen müssen ratifiziert werden. 
  • Es muss sich aus dem CETA-Vertrag unmissverständlich ergeben, dass bestehende und künftig entstehende Dienstleistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge nicht vom Vertrag erfasst werden.

Erreichte Klarstellungen und Verbesserungen

Ich begrüße, dass Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel bei seiner Reise nach Kanada eine Reihe von essentiellen Verbesserungen am CETA-Vertragswerk durchsetzen konnte. Darüber hinaus ist es dem Ringen der Parlamentarischen Linken in der SPD-Bundestagsfraktion, hier insbesondere dem Einsatz unseres Sprechers Matthias Miersch zu verdanken, dass weitere fortschrittliche Punkte im heute verabschiedeten Antrag als Handlungsauftrag für die Bundesregierung enthalten sind:

So soll durch eine entsprechende Beschlussfassung im Ministerrat das Europäische Parlament in die Lage versetzt werden, das Verfahren unter Beteiligung der nationalen Parlamente an sich zu ziehen, die Zivilgesellschaft einzubeziehen und in einem transparenten Verfahren mit Kanada ein faires Ergebnis zu verhandeln. Des Weiteren soll die vorläufige Anwendung des Vertrages ausgeschlossen werden.

Antrag der Fraktionen von SPD und CDU/CSU zu CETA

Der vorliegende Antrag der Fraktionen von SPD und CDU/CSU zu CETA ermöglicht diesen Weg. Er erkennt die Fortschritte im Rahmen des Verhandlungsprozesses einschließlich der Einstufung des Abkommens als gemischtes Abkommen an. Er gibt der Bundesregierung im Rat die Möglichkeit der Zustimmung, greift in zentralen Punkten jedoch die breit diskutierten Problemfelder des vorliegenden Entwurfs des CETA-Vertragstextes auf und mahnt entsprechende rechtsverbindliche Änderungen an. Er spricht sich dafür aus, erst nach Zustimmung des Europäischen Parlaments Teile des Abkommens vorläufig anzuwenden und fordert in diesem Zusammenhang u.a. das besonders kontrovers diskutierte Kapitel über den Investitionsschutz ganz von einer vorläufigen Anwendung auszunehmen. Eine Gültigkeit dieses Kapitels wäre somit nur möglich, wenn alle Parlamente innerhalb der EU zustimmen.

Ermöglicht werden ausführliche Anhörungsverfahren des Europäischen Parlaments als auch der nationalen Parlamente, also auch des Deutschen Bundestages, mit der Zivilgesellschaft. Dies hat auch der SPD-Parteikonvent am vergangenen Montag gefordert. Europa hat damit die Chance, neue Wege zu gehen und in einem intensiven Dialog gerade mit denjenigen, die CETA kritisch gegenüber stehen, Lösungsansätze in den kontrovers diskutierten Themenfeldern zu entwickeln. Natürlich spielt auch die Frage eine Rolle, ob es noch weitere Bereiche gibt, die nationale Kompetenzen betreffen. Soweit im Ministerrat diesbezüglich keine sachgerechte Lösung gefunden wird, muss die Stellungnahme der kommunalen Spitzenverbände berücksichtigt werden, nach der aufgrund der bislang unzureichenden Klärung der Fragen über die Anwendbarkeit des Vertrages auf die öffentliche Daseinsvorsorge auch weitere Bereiche von der vorläufigen Anwendung ausgeschlossen werden müssen. Das gilt auch für die in CETA neu geschaffenen Gremien, die auch in der Verfassungsbeschwerde problematisiert werden, die bezüglich des Abkommens anhängig ist.

Als deutsche Gesellschaft müssen wir auch zur Kenntnis nehmen, dass CETA nur in wenigen Ländern der EU kritisch diskutiert wird. Insbesondere die osteuropäischen Staaten drängen sogar auf CETA, weil für sie bislang deutlich schlechtere bilaterale Investitionsschutzabkommen mit Kanada gelten. Um Veränderungen im weiteren Verfahren erreichen zu können, wäre ein pauschales Nein im Ministerrat nicht zielführend.

Mein Abstimmungsverhalten

Ich kritisiere am vorliegenden Antrag, dass zu den ILO - Kernarbeitsnormen die Formulierung des SPD Konvents nicht übernommen wurde. Weiterhin fehlt eine wesentliche Formulierung zur Einschränkung der neuen Gerichtsbarkeit im Verhältnis inländische und ausländische Investoren und BürgerInnen.

Zusammen mit der neuen progressiven kanadischen Regierung sind essentielle Verbesserungen in Aussicht gestellt. Noch vermag ich aber nicht einzuschätzen, ob die Klärung von Rechtsunsicherheiten in Protokollnotizen einen vergleichbar rechtsverbindlichen Charakter haben wie ein Verhandlungstext. Die Zeit war zu kurz, um alle Fragen zu klären. Unter Abwägung aller mir bekannten Aspekte stimme ich heute mit Enthaltung.

Am Ende des jetzt vor uns liegenden Prozesses wird jede und jeder Abgeordnete entscheiden müssen, ob er/sie dem Abkommen zustimmt. Auch dafür haben sowohl der SPD-Parteikonvent und meine SPD Berlin eindeutige Maßstäbe beschlossen.

Den Anträgen von Linken und Grünen habe ich aus unterschiedlichen inhaltlichen Gründen nicht zugestimmt. So finden in der Stellungnahme der Grünen zu CETA die ArbeitnehmerInnenrechte bzw. ILO-Kernarbeitsnormen keinerlei Erwähnung und bei den Linken finden sich etliche falsche Behauptungen im Begründungsteil.

Weitere Informationen der SPD-Bundestagsfraktion zu CETA

So sieht der CETA-Fahrplan aus

22.09.2016: Stellungnahme des Bundestages: Das Parlament spricht sich mehrheitlich dafür aus, im Rat der Europäischen Union den Weg zu eröffnen, das Europäische Parlament und die nationalen Parlamente intensiv mit Ceta zu befassen und weitere Verbesserungen in rechtsverbindlichen Erklärungen mit Kanada festzuhalten. Zudem beschließt der Bundestag, dass die Teile des Abkommens, die in die alleinige Zuständigkeit der EU fallen, nicht ohne Zustimmung des Europäischen Parlaments vorläufig in Kraft treten dürfen. Die übrigen Teile, in denen nationalstaatliche Kompetenzen berührt sind, dürfen nicht vorläufig angewendet werden. CETA darf vollständig erst dann in Kraft treten, wenn auch alle nationalen Parlamente grünes Licht gegeben haben.

23.09.2016: Die EU-HandelsministerInnen treffen sich in Bratislava. Sie erörtern, welche Teile mit Zustimmung des Europäischen Parlaments vorläufig in Kraft gesetzt werden könnten. Formelle Entscheidungen werden darüber nicht getroffen.

Bundeswirtschaftsminister Gabriel bringt in die Beratungen auf EU-Ebene die offenen Punkte und notwendigen Klarstellungen ein, um weitere Beratungen und Nachbesserungen zu erwirken.

18.10.2016: Der EU-MinisterInnenrat entscheidet darüber, ob CETA von der EU und den Mitgliedstaaten unterzeichnet werden soll und welche Teile vorläufig in Kraft treten sollen. Die SozialdemokratInnen haben durchgesetzt: Ohne Zustimmung des Europäischen Parlaments darf CETA nicht vorläufig angewendet werden. Auch mit Zustimmung des EU-Parlaments kommt eine vorläufige Anwendung nur für Bereiche in Frage, die in die Zuständigkeit der EU fallen. Der Investorenschutz darf keinesfalls vorläufig in Kraft gesetzt werden.

27.10.2016:  EU-Kanada-Gipfel: Die EU-Kommission, die kanadische Regierung und die EU-Mitgliedstaaten unterzeichnen das Abkommen. Das Treffen kann auch genutzt werden, um weitere Verbesserungen, Präzisierungen und Klarstellungen zu vereinbaren.

Herbst 2016: Mit der Unterzeichnung des Abkommens beginnt die Stunde der Parlamente. Sie müssen ausführlich beraten und umfassend prüfen, inwieweit CETA die Ansprüche an eine fortschrittliche Handelspolitik erfüllt.

Zunächst wird das Abkommen an das Europäische Parlament weitergeleitet. Die SozialdemokratInnen erwarten, dass das Europäische Parlament die offenen Punkte aufgreift und, wo nötig, weitere Klarstellungen erwirkt. Die Zivilgesellschaft muss in die Beratungen einbezogen werden. Die SPD-Fraktion fordert zudem eine gemeinsame Anhörung von Vertretern des Europäischen Parlaments und der nationalen Parlamente.

2017: Eine Entscheidung des Europäischen Parlaments ist frühestens im kommenden Jahr zu erwarten. Mit Zustimmung des EU-Parlaments könnte das um begleitende Klarstellungen verbesserte Abkommen teilweise vorläufig angewendet werden.

Bevor CETA vollständig in Kraft tritt, müssen alle 28 EU-Mitgliedstaaten das Abkommen ratifizieren. In Deutschland setzt das die Zustimmung des Bundestages und des Bundesrates voraus. Der Ratifizierungsprozess dauert voraussichtlich zwei bis vier Jahre. Klar ist: Wenn ein nationales Parlament CETA ablehnt, kann es nicht in Kraft treten.