(Erschienen in der Berliner Stimme Nr. 21/22 - 66. Jahrgang 15. Oktober 2016)
Mechthild Rawert: Pflegestärkungsgesetze helfen 2,63 Millionen Menschen
In Deutschland leben über 2,63 Millionen pflegebedürftige Menschen. Ihren Bedürfnissen sowie denen ihrer Angehörigen und der Beschäftigten in der Pflege muss Rechnung getragen werden.
Die Bundespolitik macht dieses mit der Weiterentwicklung der Sozialen Pflegeversicherung und den Pflegestärkungsgesetzen (PSG) I, II und III. Wir SozialdemokratInnen haben kontinuierlich gearbeitet, gewirkt, nachgebessert und verhandelt, damit die pflegerischen Versorgungsleistungen überall bei den Menschen ankommen. Wir stärken die notwendigen pflegerischen Infrastrukturen vor Ort.
Drei große Schritte: PSG I, II, III
Durch das PSG I (Inkrafttreten: 1. Januar 2015) wurden die Leistungen für Pflegebedürftige und deren Familien ausgeweitet. Zur Stärkung der häuslichen Versorgung haben wir für die häusliche Pflege deutlich mehr Mittel zur Verfügung gestellt, den Anspruch auf Betreuungsleistungen in der ambulanten Pflege ausgeweitet und Verbesserungen für pflegende Angehörige auf den Weg gebracht. Wir haben die Personalsituation in einigen Bereichen der Pflege verbessert, indem wir klare Anreize für die Zahlung von Tariflöhnen geschaffen haben.
Das am 1. Januar 2016 in Kraft getretene PSG II ist ein Meilenstein für die Pflege. Kernelemente sind ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff sowie ein neues Begutachtungsverfahren (NBA). Beide treten zum 1. Januar 2017 in Kraft. Erstmals werden körperliche, psychische und mentale Einschränkungen gleichermaßen berücksichtigt, so dass für alle ein gleichberechtigter Zugang zur Pflegeversicherung besteht. Davon profitieren insbesondere Menschen mit dementiellen Erkrankungen. Die drei bisherigen Pflegestufen werden durch fünf Pflegegrade ersetzt. Ressourcenorientiert wird ermittelt, wie selbstständig eine Person ist, welche individuellen Fähigkeiten vorhanden sind. Wir stärken mit diesem Gesetz auch den Grundsatz „Rehabilitation vor Pflege“.
Mit dem PSG III wird die Pflegeberatung für Pflegebedürftige und deren Angehörige wohnortnah verbessert. Eine Pflegeinfrastruktur muss aufgebaut werden. Das sich noch in der parlamentarischen Debatte befindliche PSG III tritt ebenfalls am 1. Januar 2017 in Kraft. Die öffentliche Anhörung findet am 17. Oktober im Bundestag statt, bis zum 14.10. kann sich per Mail mit vollständigem Namen, Geburtsdatum und dem polizeilich gemeldeten Wohnort anmeldet werden: gesundheitsausschuss@bundestag.de.
Die Ziele des PSG III
1. Die Umsetzung der Empfehlungen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Stärkung der Rolle der Kommunen in der Pflege:
Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe entwickelte Maßnahmen zur Stärkung der pflegerischen Infrastruktur, dazu gehören nun viele SPD-Forderungen aus der letzten Legislatur: Wir stärken die kommunale Verantwortung, erweitern deren Handlungsspielräume im Bereich der Pflegeberatung und unterstützen beim Ausbau von regionalen Beratungsstützpunkten.
2. Die Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs in das Sozialhilferecht und in das soziale Entschädigungsrecht nach dem Bundesversorgungsgesetz:
Auch nach der deutlichen Verbesserung der Leistungen der Pflegeversicherung ist ein darüber hinaus gehender Bedarf an Pflege möglich. Bei finanzieller Bedürftigkeit wird dieser Anteil durch die Hilfe zur Pflege im Rahmen der Sozialhilfe sowie dem sozialen Entschädigungsrecht gedeckt.
3. Die Regelung der Schnittstellen zwischen Pflegeversicherung und Eingliederungshilfe:
Es gibt Abgrenzungsfragen zwischen den Leistungen der Eingliederungshilfe und den Leistungen der Pflegeversicherung. Das PSG III will hier Klarheit schaffen. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Die Diskussion wird auch im Kontext der Debatten um das Bundesteilhabegesetz geführt.
4. Maßnahmen zur Verhinderung von Abrechnungsbetrug in der Pflege:
Zur besseren Bekämpfung einzelner betrügerischer „schwarzer Schafe“ in der ambulanten Pflege führen wir ein ganzes Maßnahmenpaket mit mehr Kontrollen sowie Qualitäts- und Abrechnungsprüfungen ein.
5. Die Vermeidung von Leistungslücken zwischen Pflege- und Krankenversicherung:
Wir ergänzen Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Krankenversicherung mit Regelungen im PSG III, damit auch Menschen mit Pflegegrad 1 bspw. einen Anspruch auf Kurzzeitpflege haben.
6. Eine Stärkung der Beteiligung der Selbsthilfe im Qualitätsausschuss:
Ein im Rahmen des PSG II gegründeter Qualitätsausschuss entwickelt neue wissenschaftliche Verfahren zur Darstellung von Pflegequalität. Die Selbstvertretung und Selbsthilfe von Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderungen werden in diesem Ausschuss gestärkt.
„Nach der Reform ist vor der Reform“
Mit den Pflegestärkungsgesetzen I bis III gestalten wir die Soziale Pflegeversicherung neu und machen diese zukunftsfester. Doch stehen noch weitere Herausforderungen an, u.a. eine Professionalisierung der Gesundheits- und Pflegeberufe. Hier findet derzeit eine Blockade unter anderem seitens weiter Teile der CDU/CSU statt. Noch gebe ich die Hoffnung nicht auf: Ich kämpfe auf Bundesebene weiter für das Pflegeberufereformgesetz und die damit verbundene Einführung der generalistischen Pflegeausbildung. Für eine gute Versorgung brauchen sowohl die Beschäftigten als auch vor allem die PatientInnen und Pflegebedürftigen diesen Beitrag zu einer bedarfsgerechten, qualitativ hochwertigen Pflege (-bildung) zwingend. Auch auf Landesebene ist noch vieles zu tun, u.a. die Einführung einer Pflegekammer. Auch dafür kämpfe ich - auch während der aktuellen Koalitionsverhandlungen.