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Demokratie in Betrieb und Gesellschaft - Betriebs- und Personalrätekonferenz der SPD-Bundestagsfraktion

Demokratie macht am Arbeitsplatz nicht Halt. Das ist für die SPD-Bundestagsfraktion ein Grundprinzip. Mitbestimmung für Arbeitnehmer*innen gehört zu einer freien Gesellschaft. Sie ist Kernelement des deutschen Modells der sozialen Marktwirtschaft und lebendiger Ausdruck unserer Vorstellung von Wirtschaftsdemokratie. Wir Sozialdemokrat*innen sollen die Betriebsverfassung als Teil der demokratischen Kultur stärken. Nur mit Mitbestimmung auf Augenhöhe kann der Wandel zur Arbeitswelt 4.0 erfolgreich und menschengerecht gestaltet werden.

Dass die SPD-Bundestagsfraktion Betriebs- und Personalrätekonferenzen durchführt, ist Tradition. Die bereits 24. Betriebs- und Personalrätekonferenz der SPD-Bundestagsfraktion fand am 31. Mai 2017 im SPD-Fraktionssaal statt. An ihr nahmen über 350 Betriebs- und Personalrät*innen teil. Darunter auch Michael Steinhoff, Betriebsratsvorsitzender und Olaf Schlichting, Betriebsrat des Industrieanlagenanbieters Knorr-Bremse Powertech GmbH mit Sitz in Reinickendorf, meinem Betreuungswahlkreis.

Beide teilten mir in unserem gemeinsamen Gespräch mit, dass dieses Forum eine gute Möglichkeit zum Austausch zwischen Politik und Arbeitnehmer*innen-Vertreter*innen. Dass unsere Bundesministerin Andrea Nahles das Thema Tarife und Tarifbindung in der nächsten Legislaturperiode in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellen will, wird von beiden sehr Betriebsräten sehr begrüßt. Tarifflucht müsse aktiv verhindert werden.

Starken Eindruck haben auch SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz und Bundesjustizminister Heiko Maas mit ihren Reden hinterlassen. Der Aufruf von Heiko Maas (SPD) an uns alle, sich beim Rechtspopulismus nicht weg zu ducken und nicht weg zu gucken sondern sich in die Gestaltung unserer Demokratie aktiv einzumischen, hat den Nerv aller getroffen.

Mitbestimmung und Teilhabe auf dem Arbeitsmarkt

„Mitbestimmung ist zentraler Kern unserer sozialen Marktwirtschaft“, erklärte Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles auf der 24. Betriebs- und Personalrätekonferenz der SPD-Bundestagsfraktion. Mitbestimmung und Teilhabe in Betrieb und Gesellschaft ist zentraler Bestandteil unserer Demokratie. Sie zu stärken und zu schützen ist gerade in Zeiten auch international zunehmender nationalistischer Strömungen besonders wichtig. Hass und Hetze führen letztendlich zu Gewalt. Dem muss gesellschaftlich als auch politisch vorgegriffen werden.

Über 40 Gesetze seien in dieser, sich dem Ende neigenden Legislaturperiode im Bereich Arbeit und Soziales beschlossen worden, berichtete Nahles. Und mit jedem dieser Gesetze werde versucht, die Situation der Arbeitnehmer*innen zu verbessern. Der wohl größte Erfolg der SPD in dieser Legislaturperiode ist die Einführung des flächendeckenden Mindestlohnes. Von ihm haben bis jetzt bereits über vier Millionen Menschen in Deutschland profitiert - der überwiegende Teil davon sind Frauen.

Deutschland befindet sich im Augenblick in einer wirtschaftlich äußerst guten Lage. Die Arbeitslosenquote liegt bei unter 2,5 Millionen und noch sind eine weitere Millionen Stellen offen. Auch die Jugendarbeitslosigkeit hat den besten Wert seit einigen Jahrzehnten. Aber gerade in wirtschaftlich guten Zeiten müssten auch Vorkehrungen für schlechtere Zeiten getroffen werden. Etliche Ziele der SPD seien mit der CDU/CSU-Fraktion nicht durchsetzbar (gewesen).

Zentrales Thema der kommenden Legislatur sei für das die Stärkung der Tarifautonomie und der Abbau von Möglichkeiten zur Tarifflucht. Auch kämpfen wir Sozialdemokrat*innen energisch für ein besseres Rentenniveau, für volle Parität in der Krankenversicherung, für die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung und auch für ein Rückkehrrecht von Teilzeit auf Vollzeit.

Chancengleichheit für alle!

Vor einigen Wochen wurde im Deutschen Bundestag der 5. Armuts- und Reichtumsbericht beschlossen. Deutlich werde, dass sich die Kluft zwischen den Besserverdienenden und den finanziell Schwächeren vergrößere. Dies müsse, so Thomas Oppermann, der Fraktionsvorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion zum Anlass genommen werden, im Kampf für angemessene Löhne nicht nachzulassen, denn angemessene Löhne sind ein Schritt zur Chancengleichheit aller Menschen in Deutschland. Eine gespaltene Gesellschaft, egal auf welcher Ebene gespalten, ist auch wirtschaftlich schwächer. Um die gesellschaftliche Spaltung zwischen Arm und Reich zu verkleinern, setzt sich die SPD ein für eine Politik der Stärkung des sozialen Zusammenhalts in Deutschland und für die Sicherstellung der Leistungsgerechtigkeit. Hierzu gehören fünf Aufgabenfelder:

  1. Eine kontinuierliche Erwerbsbiografie mit leistungsgerechter Entlohnung ist von zentraler Bedeutung, auch um Armut im Alter zu vermeiden. Langjährig Versicherte sollen von ihren Alterseinkünften angemessen leben können.
  2. Es ist Aufgabe der Kinder- und Jugend- sowie der Bildungspolitik, Kinder und Jugendliche noch besser individuell und möglichst unabhängig von den Ressourcen in ihrem Elternhaus zu fördern, um soziale Teilhabe- und Aufstiegschancen zu verbessern.
  3. Wir müssen neben einem verlässlichen System der sozialen Sicherung auch den Zugang zu weiteren gesellschaftlich notwendigen Gütern und Dienstleistungen sicherstellen. Hierzu gehören neben der Sicherung des Lebensunterhalts auch medizinische Versorgung, bezahlbarer Wohnraum und eine leistungsfähige Infrastruktur. 
  4. Wir müssen auch zukünftig eine nachhaltige Finanzierung öffentlicher Ausgaben und Investitionen, fiskalische Tragfähigkeit sowie eine leistungsgerechte Besteuerung sicherstellen. Von Investitionen in mehr Chancengleichheit, sozialen Zusammenhalt und öffentliche Daseinsvorsorge profitiert die gesamte Volkswirtschaft. Wenn alle profitieren, sind auch alle adäquat an der Finanzierung zu beteiligen. 
  5. Den politischen Akteur*innen, Sozialpartner*innen und der Zivilgesellschaft muss es gelingen, die Teilhabe und die Akzeptanz demokratischer Werte in unserem Land zu erhalten und für neue Herausforderungen zu stärken.

Wir Sozialdemokrat*innen stehen für eine gezielte Steuerentlastung der normalverdienenden Arbeitnehmer*innen ein. Damit unsere Wirtschaft auch weiterhin stark bleibt, braucht es einer starken Arbeitnehmer*innenschaft. Doch das allein reicht nicht - der Bund muss investieren: Investieren in eine gute Infrastruktur. Investieren in junge Unternehmen. Investieren in die Forschung und vor allem investieren in Bildung.

Verkehrsinfrastrukturgesellschaft als größtes Streitthema

Thomas Oppermann ging auch auf die am kommenden Tag anstehende Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems ein. Dahinter verbirgt sich ein umfangreiches Regelungspaket, das auch das viel diskutierte Thema Autobahnprivatisierung enthält. Hier konnte wesentliche Erfolge gegenüber der in der ersten Lesung noch beratenen Fassung vorgenommen werden. Fest steht: Die Verwaltung der Bundesautobahnen wird an den Bund übertragen, das Eigentum des Bundes an den Autobahnen und Bundesstraßen ist unveräußerlich. Eine „Privatisierung durch die Hintertür“ ist mit der Ergänzung des Verfassungstextes ausgeschlossen. Eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung Privater an der Gesellschaft und deren Tochtergesellschaften ist ausdrücklich ausgeschlossen. Den Protesten und dem Engagement der SPD-Bundestagsfraktion ist es zu verdanken, dass all diese Schlupflöcher in der Verfassung selbst geschlossen wurden. Oppermann versicherte, dass die Gesellschaft, die die Autobahnen nun betreiben soll zu 100% in der Hand des Bundes bleibt. Die Bürger*innen der Bundesrepublik, die die Straßen ja bereits einmal bezahlt haben, sollen dies kein zweites Mal tun müssen.

In der Öffentlichkeit problematisiert wurden auch die sogenannten Öffentlich-Privaten Partnerschaften (ÖPP). Diese gibt es bereits, sie werden nicht erst durch das vorliegende Regelungspaket ermöglicht. Aber auch hier konnten wir Verbesserungen erreichen: Erstmalig werden in der Verfassung ÖPP für ganze Streckennetze oder wesentliche Teile explizit ausgeschlossen. Zwar hätten wir uns als SPD-Bundestagsfraktion noch eine weitergehende Regelung gewünscht, aber dennoch gilt: Das Grundgesetz selbst setzt ein klares Zeichen gegen die ÖPP-Ausweitung. Wer künftig Öffentlich-Private Partnerschaften vollständig verhindern will, muss dafür eintreten, dass der Staat mehr in die Infrastruktur investiert, wie es Martin Schulz und die SPD fordern. Wir müssen nun den Druck auf all die politischen Kräfte erhöhen, die die schwarze Null als Dogma gegenüber dringend notwendigen öffentlichen Investitionen priorisieren.

Kapital und Arbeit auf Augenhöhe

Eine Gesellschaft in der keiner der Herr und keiner der Knecht ist, eine Gesellschaft in der alle Menschen auf gleicher Augenhöhe miteinander leben, sei sein Wunsch und sein politisches Ziel, erklärte SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz. In einer Demokratie ist das gesellschaftliche Miteinander auf gleicher Augenhöhe zu schaffen. Dies ist sogar eines der Grundelemente der Demokratie.

Demokratie ist aber nicht nur eine Staatsform, demokratische Verhältnisse können und müssen auch in Betrieben herrschen. Zu solch demokratischen Verhältnissen zählt auch die Gründung eines Betriebsrates. Dieses wird allerdings immer wieder von Unternehmen unterbunden, sei es durch massive Diskriminierung, oder durch Androhungen der Kündigung. Die Verhinderung einer Betriebsratsgründung ist aber rechtswidrig, betonte Schulz. Dagegen ist mit allen rechtsstaatlichen Mitteln anzugehen.

In den Betrieben muss die Position der Frauen und ihre Chancengleichheit noch weiter gestärkt werden, beispielsweise durch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, von Beruf, Familie und Pflege. Eine wesentliche Erleichterung für Elternteile ist der Ausbau von betreuten Ganztagsschulen und weiterer öffentlicher Infrastrukturmaßnahmen.

Rechtspopulismus als Gefahr für die Demokratie?

Nationalistische und populistische Strömungen nehmen international, in Europa, in Deutschland, aber leider auch in Betrieben immer mehr zu. Sie definieren ein Land und dessen Bevölkerung nach Belieben und entstehen aus einem paranoiden Weltbild heraus, erklärte Hajo Funke, Professor an der Freien Universität Berlin. Sie gründen sich aus Sorge Angst oder Wut, Gefühle, die sich nur allzu leicht dramatisieren und missbrauchen lassen. Sie werden auf einen „Sündenbock“, meist eine Minderheit an Menschen, projiziert, ohne dabei aber Lösungen für Probleme anzubieten. Das Ausschließen von Minderheitengruppen verstößt gegen das Grundgesetz und darf nicht toleriert werden.

Deutschland - die durch Rechtspopulismus herausgeforderte Demokratie

Eine steile These von Bundesjustizminister Heiko Maas: Rechtspopulismus gefährdet die Demokratie nicht. Demokratiegefährdend ist vor allem die Gleichgültigkeit der breiten Masse gegenüber dem Rechtspopulismus. Gleichgültigkeit gefährdet die Demokratie auch dadurch, dass ein großer Teil der Gesellschaft Werte wie Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, Wohlstand oder Arbeitnehmer*innenrechte für selbstverständlich hält.

Das betreffe vor allem die jüngere Generation, so Heiko Maas. Die jungen Leute sind in einer Demokratie groß geworden, in der Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, Wohlstand und der Arbeitnehmer*innenrechte existieren. Viele sind der Überzeugung, das würde auch so bleiben. Viele Bürger*innen vergessen, dass hinter diesen Werten, hinter der Tatsache, dass diese Werte überhaupt für selbstverständlich erachtet werden können, ein Jahrzehnte langer Kampf der Bürger*innen um Freiheit und Rechtsstaatlichkeit steckt.

Rechtspopulismus gedeiht nicht nur aus der Angst heraus abgehängt zu werden. Rechtspopulismus gedeiht auch in Ländern, in denen die sozialen Unterschiede weitaus geringer ausfallen als in Deutschland.  Rechtspopulismus bedrohe die Demokratie nicht. Rechtspopulismus verändert Demokratie.

In Deutschland sind die rechtspopulistischen Strömungen eine Minderheit, wenn auch eine laute. Die Mehrheit der Bevölkerung steht schützend vor der Demokratie und ihren Werten – der größte Teil der Bürger*innen gehöre leider zur schweigenden Mehrheit. Aber reicht das noch? Diese schweigende Mehrheit muss Haltung zeigen, fordert der Bundesjustizminister. Ein Mensch kann viel mehr bewegen als er von sich selbst glaubt. Das gelte im Übrigen auch für das Internet. Bis jetzt werden Straftaten, wie Aufrufe zum Mord und Hetze gegen einzelne Menschen oder Menschengruppen im Netz in sozialen Netzwerken zugelassen. Die Freiheit eines jeden einzelnen muss aber geschützt werden - auch im Netz.