Am 12. Juni 2017 wäre Anne Frank 88 Jahre alt geworden. Wie wäre ihr Leben verlaufen, wenn sie nicht 1944 von den Nazis ermordet worden wäre? Hätte sie die Schule beendet, einen Beruf ausgeübt, geheiratet und Kinder gehabt? Auf ein erfülltes Leben zurück geblickt? Diese Fragen stellten sich wohl schon Millionen Menschen, die ihr bewegendes und aufwühlendes Tagebuch aus dem Versteck im Amsterdamer Hinterhof gelesen haben. Anne Frank wurde nur 15 Jahre alt doch ihre Erinnerungen an die Gräueltaten des Nationalsozialismus sind als Mahnmal der Geschichte erhalten geblieben. Sie zeigt uns eindrucksvoll welche schrecklichen Folgen Rassismus und Hass haben.
Team Rawert im Anne-Frank-Haus in Amsterdam
Von der Unterkunft und den bedrückenden letzten Lebensjahren Anne Franks habe ich gemeinsam mit meinem Team letztes Jahr in Amsterdam selbst einen Eindruck bekommen. Der Projektleiter für Bildungsprojekte, Levien Rouw, und der Hauptleiter für Bildungsprojekte, Jan Erik Dubbelman führten uns durch das Haus. Im Innenhof erfuhren wir von den Beweggründen, welche Anne Franks Familie überhaupt nach Amsterdam getrieben haben. Danach begaben wir uns in das Haus, in dessen Hinterhaus die Familie Frank fast zwei Jahre ausharrte. Wir haben die sehr beengte Lebens- und Wohnsituation der Familie Frank „erlebt“. Ihr Versteck wurde verraten, die Verhaftung erfolgte am 4. August 1944. Anne Frank starb im Konzentrationslager Bergen-Belsen, nur ihr Vater Otto überlebte.Das weltbekannte Tagebuch der Anne Frank, welches sie ab ihrem 13. Geburtstag schrieb, ist ein historisches Dokument aus der Zeit des Holocaust. Es wurde in mehr als 70 Sprachen übersetzt. Die Autorin Anne Frank gilt als eine Symbolfigur gegen die Unmenschlichkeit des Völkermordes in der Zeit des Nationalsozialismus. In der Cafeteria diskutierten wir über dieGefahren der rechtspopulistischen und rechtsextremen Parteien und Bewegungen in Europa, insbesondere in den Niederlanden und Deutschland. Deren Erstarken ist europaweit eine Gefahr für unsere Demokratie, für unseren Rechtsstaat, für die Prinzipien unseres Grundgesetzes. Zusammen mit meinem Team mache ich mich stark für Frieden und Freiheit.
Das Anne Frank Haus in Amsterdam ist die niederländische Partnerorganisation des Anne Frank Zentrums e.V. in Berlin. Beide Organisationen thematisieren durch Ausstellungen und Bildungsangebote die Geschichte des Nationalsozialismus und des Holocaust, aber auch Antisemitismus, Rassismus und Diskriminierung in der heutigen Gesellschaft.
Das Programm „Anne Frank Botschafter*innen. erinnern und engagieren“
Um an Anne Frank und ihr Schicksal zu erinnern und die Botschaft ihres weltberühmten Tagebuchs weiterzutragen hat das Anne Frank Zentrum in diesem Jahr zum ersten Mal den Anne Frank Tag ins Leben gerufen. Über 70 Schulen nahmen rund um den 12. Juni mit vielfältigen Aktionen gegen Antisemitismus und Rassismus am Anne Frank Tag teil.
Niemand aber kann so viel Einfluss auf Jugendliche wie die Jugendlichen selbst haben. Deshalb werden jedes Jahr an Anne Franks Geburtstag am 12. Juni Jugendliche für ihr Engagement zu Anne Frank Botschafter*innen ausgezeichnet. Dieses Jahr fand die Verleihung in der niederländischen Botschaft in Berlin statt. Patrick Siegele, Direktor des Anne Frank Zentrums, stellte zu Beginn der Veranstaltung die Initiative „Anne Frank Botschafter*innen. erinnern und engagieren“ vor, in dem zur Zeit 33 Jugendliche in 7 Projekten betreut werden.
Mit dem Programm fördert das Anne Frank Zentrum seit 5 Jahren junge Menschen dabei, eigenständig Projekte für Demokratie und gegen Antisemitismus, Rassismus und Rechtsextremismus an ihrem Wohnort umzusetzen.
Die Ausbildung zum Peer Guide
Das Anne Frank Zentrum unterstützt die Jugendlichen bei ihrem Engagement und fördert die Ausbildung von Jugendlichen zu sogenannten Peer Guides in den deutschlandweiten Wanderausstellungen. Peer Guides fungieren als Lernbegleiter*innen und unterstützen die Bildungsarbeit unter Gleichaltrigen, indem sie auf relevante Themen hinweisen und Diskussionen anregen, die sich an der Lebenswelt der Jugendlichen orientieren.
Nach der Ausbildung zu Peer Guides zu Bildungsseminaren können die Jugendlichen zu „Anne Frank Botschafter*innen“werden. Dazu werden sie zu Bildungsseminaren nach Berlin eingeladen. Hier können sie sich mit anderen Peer Guides vernetzen und über Erfahrungen mit der Ausstellung austauschen. Ziel der Lernplattform ist es, mit der Unterstützung von Expert*innen Ideen und Konzepte für eigene demokratiefördernde Projekte zu entwickeln. Zu den Themen Diskriminierung, Vorurteilen, Zivilcourage und Demokratie sollen anschließend Projekte an den eigenen Wohnorten durchgeführt werden. Dazu gehören zum Beispiel Workshops zu Anne Frank, die Durchführung von Stadtrundgängen oder Veranstaltungen wie Lesungen und Konzerte. Die Peer Guides geben ihr erlerntes Wissen durch die Projekte an andere Jugendliche weiter und unterstützen sie wiederum beim Aufbau neuer Projekte.
Die Preisträger*innen in diesem Jahr
Zu den besonders kreativen Preisträgern zählt in diesem Jahr das Projekt „Bunt in die Zukunft!“. Ganz im Zeichen der gesellschaftlichen Integration haben die acht Jugendlichen in Schwalmstadt-Treysa einen Graffiti-Workshop für Menschen mit und ohne Behinderungen in organisiert. Dazu lud die Projektgruppe den Profi-Sprayer Marcel de Medeiros ein, der die Teilnehmenden in die Graffiti-Kunst einführte. Als Inspiration für die Kunstwerke dienten den Teilnehmer*innen Zitate aus dem Tagebuch von Anne Frank in Leichter Sprache.
Um das gesellschaftliche Miteinander dreht sich auch ein weiteres Projekt mit dem Motto „buntes Sofa“. Die Projektgruppe aus sechs Jugendlichen plant auf dem Weinfest „Römische Weinstraße“ in Schweich die Errichtung eines temporären Wohnzimmers mit dem Ziel Begegnungen zwischen den Menschen im Stadtraum zu schaffen und einen Austausch über den Zusammenhalt in der Gesellschaft anzuregen. Dadurch soll die Zivilgesellschaft vor Ort weiter gestärkt werden.
Alle Preisträger*innen wurden von Heiko Maas, Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz, und Dr. Henk Voskamp, Geschäftsträger a.i., Königreich der Niederlande in Empfang genommen. Heiko Maas machte in seinem Grußwort noch einmal deutlich, wie wichtig zivilgesellschaftliches Engagement für unsere Gesellschaft ist.
Solidarität muss für alle gelten
Wir müssen Zivilcourage zeigen und das schließt ein, dass allen Menschen die Menschenwürde zuerkannt und ihnen Schutz vor Verfolgung gewährleistet wird. Für Europa bedeutet dies, dass wir Menschen, die vor Hunger und Gefahr flüchten auch weiterhin Schutz bieten müssen.
Doch damit hört die Verantwortung von uns Europäer*innen noch lange nicht auf. Geflüchtete müssen in der neuen Heimat gleichberechtigt leben können. Es bedarf eines gleichberechtigten Zugangs zu Bildung, Arbeitsplätzen und Wohnraum für alle Teile der Bevölkerung. Dafür wird sich die SPD auch in der nächsten Legislaturperiode weiter einsetzen.