Ich danke der CHP Berlin für die Organisation dieser Mahnwache für Demokratie und Gerechtigkeit in der Türkei. Es freut mich zu hören, dass die über mehrere Tage - vom 21. Juni - 25. Juni jeweils von 17:00 - 23:00 Uhr - stattfindende Demonstration am U-Bhf. Kottbusser Tor jeweils von mehreren hundert Menschen pro Tag besucht wurde. Also ein großer Erfolg. Ich danke Kenan Kolat, Vorsitzender der CHP Berlin e.V., für die Einladung zur Teilnahme an der Mahnwache und am Bayram Fest.
Über das Auslöschen der Demokratie in der Türkei, verschärft nach dem Verfassungsreferendum am 16. April diesen Jahres, ist in den letzten Monaten öffentlich auf zahlreichen Veranstaltungen intensiv diskutiert worden.
Die Abstimmung beim Referendum über die Verfassungsänderung ist in Berlin mit 48,59 Prozent von HAYIR-Stimmen sehr äußerst knapp ausgegangen. Das bedeutet Hoffnung für die Menschen in der Türkei, aber auch hier in Deutschland. Denn die Türkei ist nicht nur der derzeit regierende Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan und seine AKP.
Der Wechsel von einem parlamentarischen zu einem Präsidialsystem bedeutet einen tiefgreifenden Wandel des politischen Systems. Präsident Recep Tayyip Erdogan erhält mehr autokratische Macht, die Gewaltenteilung ist praktisch aufgehoben.
Seit dem Putschversuch in der Türkei am 15. und 16. Juli 2016 durch Teile des türkischen Militärs befindet sich die Türkei im Ausnahmezustand. Die Versammlungs-, Meinungs- und Pressefreiheit sind dramatisch eingeschränkt. Die Wirkungen sind nicht nur in der Türkei bzw. bei der türkeistämmigen Gesellschaft zu beobachten, so auch in Deutschland. Unter den mittlerweile seit Monaten in Untersuchungshaft befindlichen Journalist*innen befinden sich auch Deutsche. Diesen werden ebenso rechtsstaatliche Rechte vorenthalten wie den türkeistämmigen Journalist*innen.
Das Schwinden der Demokratie in der Türkei schmerzt auch viele Deutsche
Im Berliner Alltag treffe ich viele türkeistämmige Menschen - die einen unterstützen die AKP, die anderen nicht. Hauptsächlich geht es aber immer um die Zustimmung oder Ablehnung von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan. Mich beunruhigt die Ruhe, mit der einige türkeistämmige Menschen das Schwinden der Demokratie in der Türkei hinnehmen. So wie es in Deutschland demokratiegefährdend ist, dass eine laute Minderheit Zustimmung bzw. Gleichgültigkeit gegenüber dem Rechtspopulismus bzw. Rechtsextremismus verkündet, so halte ich Zustimmung bzw. Gleichgültigkeit gegenüber der Abschaffung demokratischer Werte wie Meinungs-, Versammlungs- und Pressefreiheit in der Demokratie auch für demokratiegefährdend. Die Hoffnung, dass das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit jede Veränderung der Demokratie übersteht, ist trügerisch. Demokratie gilt es in jedem Staat zu verteidigen. Demokratie muss wehrhaft sein.
Martin Niemöller: Streiten für den Menschen, streiten für die Demokratie
Ob der Veränderungen in europäischen oder nicht-europäischen Staaten, fällt mir immer öfter ein Spruch des evangelischen Pfarrers Martin Niemöller, einem sehr berühmten Vertreter der „Bekennenden Kirche“ ein:
„Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist.
Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Sozialdemokrat.
Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Gewerkschafter.
Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.“
„Herr Erdogan, lassen Sie diese Leute frei“
Martin Schulz richtete auf dem außerordentlichen SPD-Bundesparteitag in Dortmund in seiner Ansprache einen deutlichen Appell an den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan: "Herr Erdogan, lassen Sie diese Leute frei", sagte er mit Blick auf die inhaftieren Journalist*innen in der Türkei. "Am besten noch heute." Außerdem solle Herr Erdogan zu Recht und Demokratie zurückkehren. Spontan standen die rund 6.000 Menschen in der Halle auf und erklärten damit ihre Solidarität. Den SPD-Bundesparteitag besuchte auch der in der Türkei verfolgte Journalist Can Dündar, dass Sprachrohr der Freiheit der Türkei. Can informiert auf seiner Webseite "ozguruz.org" über Menschenrechtsverletzungen und Zerstörung der Pressefreiheit in der Türkei.
SPDqueer bedauert Verbot der Gay-Pride-Parade in Istanbul
Das Verbot der Gay-Pride-Parade durch die Behörden Mitglieder der SPD Arbeitsgemeinschaft für Akzeptanz und Gleichstellung (SPDqueer) und auch ich. Die Demonstration für die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und Intersexuellen (LGBTI) könne nicht stattfinden, weil sie „die Sicherheit von Touristen und die öffentliche Ordnung“ gefährde. Das Gay-Pride-Organisationskomitee bezeichnet es als „Lüge“, dass die Veranstaltung nicht angemeldet worden sei. Der Antrag sei schon vor Wochen eingereicht worden. Die LGBTI-Community und ihre Unterstützer*innen hätten das verfassungsmäßige Recht, sich friedlich zu versammeln. Der Staat solle nicht die Demonstration verbieten sondern diese schützen. Leider werde nichts unternommen, dass in den sozialen Netzwerken türkische Nationalisten und Rechtsextremisten Stimmung gegen die Demonstration machen.
Foto: Mustafa Temel