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Eine selbstbestimmte Familienplanung darf keine Frage des Geldbeutels sein

Das Bundesforum Familie organisierte am 28. Juni 2017 in Berlin eine Auftaktveranstaltung zum Modellprojekt „biko – Beratung, Information und Kostenübernahme bei Verhütung“ . Das Modellprogramm dient der Verbesserung einer selbstbestimmten Familienplanung. 

Seit der Studie „frauen leben 3 - Familienplanung im Lebenslauf von Frauen – Schwerpunkt: Ungewollte Schwangerschaften“ ist belegt, dass sexuell aktive Frauen mit einer niedrigen Bildung und/oder mit einer subjektiv als schlecht eingeschätzten finanziellen Situation häufiger nicht verhüten – und dass obwohl sie keinen Kinderwunsch haben. Frauen, die staatliche Transferleistungen erhalten (ALG II, Grundsicherung) nehmen seltener die Pille und verhüten seltener mit der Spirale, dafür aber häufiger mit Kondomen. Sie überantworten damit ihre persönliche Familienplanung verstärkt auf die Männer.

Befragungen von Beratungseinrichtungen für die Studie bestätigten, dass die Kosten eine der großen Hürde für eine dauerhafte und sichere Verhütung darstellen. Gesehen wird entweder ein grundsätzliches Problem der Umsetzung des Rechts auf Familienplanung oder ein Problem speziell für Frauen mit geringem Einkommen. Einige Beraterinnen verweisen auf eine Übernahmepraxis der Kosten in ihren Kommunen, die das Problem aber nur teilweise löst: Bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen werden die Kosten für rezeptpflichtige Verhütungsmittel erstattet. Doch die Kostenübernahme ist nicht flächendeckend und unterschiedlich ausgestaltet. Hinzu kommt, dass dieses Kostenübernahmeangebot meist nicht bekannt ist.

Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) hat das Problem erkannt. Es fördert im Rahmen eines Modellprojektes das von Pro Familia drei Jahre lang angelegte Modellprogramm „biko“.

Exkurs Berlin: Kostenübernahme möglich

Bis zum vollendeten 20. Lebensjahr erhalten gesetzlich Krankenversicherte ärztlich verordnete Verhütungsmittel als Leistung ihrer Krankenkasse. Alle anderen Berliner Bürgerinnen und Bürger können empfängnisverhütende Mittel kostenlos erhalten, wenn sie über ein geringes Einkommen verfügen.

Das Zentrum für Familienplanung prüft, ob entsprechende Voraussetzungen der Kostenübernahme gegeben sind. Im Berliner Südwesten befindet sich das nächste Zentrum für Familienplanung in der Rubensstr. 125, 12157 Berlin (Gelände des Vivantes Auguste-Viktoria-Klinikums, Haus 30, 4. Etage), Tel.: (030) 90299-1701, Sprechzeiten: Mo und Do 9:00-12:00 Uhr und Mi 14:30-18:00 Uhr sowie nach telefonischer Vereinbarung.

Weitere Zentren für Familienplanung finden Sie in: Charlottenburg-Wilmersdorf, Friedrichshain-Kreuzberg, Marzahn-Hellersdorf und Mitte. Eine Ausnahme bei der Kostenübernahme bilden die Pillen, die den Wirkstoff Cyproteronacetat enthalten. Diese sind nicht primär als Verhütungsmittel zugelassen und können deshalb bei einer Verschreibung durch die Krankenkasse finanziert werden. Die Zentren für Familienplanung berät auch dazu.

 „biko“ - Beratung, Information und Kostenübernahme bei Verhütung

"biko" steht für Beratung, Information und Kostenübernahme. An sieben über die Republik verteilten Standorten - leider nicht in Berlin - erhalten Frauen Beratung und Information überVerhütungsmethoden und eine Kostenübernahme für verschreibungspflichtige Verhütungsmittel. Voraussetzung ist, dass sie geringe Einnahmen haben oder Transferleistungen erhalten. Ziel von „biko“ ist die Erprobung einer bundesweit geltenden Regelung zur Kostenübernahme für Verhütungsmittel für Frauen.

Während der Auftaktveranstaltung wurde „biko“ erstmals einem  pädagogischen Fachpublikum und der Politik vorgestellt. In ihrem Grußwort stellte Elke Ferner, Parlamentarische Staatssekretärin im BMFSFJ fest, dass sichere Verhütung für Frauen ohne Kinderwunsch nicht vom Geldbeutel abhängen darf. Die derzeitige Situation sei nicht zufriedenstellend. Mit „biko“ werden seit Anfang dieses Jahres Umsetzungsmöglichkeiten für eine bundeseinheitliche Regelung erarbeitet werden.

Vertreterinnen aller sieben „biko“-Standorte standen für Gespräche während der Tagung zur Verfügung. Alle konnten berichten, dass sowohl Ärzt*innen als auch Apotheker*innen das Projekt vor Ort unterstützen würden und auch die örtlichen Medien positiv berichtet hätten. Die ersten Monate des Projektes zeigten, dass der Bedarf für eine Kostenübernahme vorhanden ist. Viele, der zur Beratung gekommenen Frauen erklärten, sie hätten die Kosten für verschreibungspflichtige Verhütungsmittel nicht selbst aufbringen können und deshalb auf selbstbestimmte und sichere Verhütungsmethoden verzichtet.

Ich verbinde mit dem Modellprojekt die Hoffnung, dass wir in der nächsten Legislaturperiode zu einer parlamentarischen Debatte kommen. Sichere Verhütung ist Teil sexueller Selbstbestimmung und damit ein Menschen- also auch ein Frauenrecht. Sichere Verhütung ungewollter Schwangerschaften darf weder vom Wohnort und dem finanziellen Standing der Kommune noch vom eigenen Geldbeutel abhängen.