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Sich engagieren und organisieren ist gerade in den „Sorgeberufen“ unabdingbar!

„Da zu unserer Ausbildung auch viel Unterrichtsstoff im wirtschaftspolitischen und natürlich auch im medizinisch-gesundheitlichen Bereich gehört, bitten wir Sie um ein Gespräch.“ Anfragen von Lernenden, die mir gleich einen Katalog von Fragen mitschicken, liebe ich. Die Motivation, sich mit Politiker*innen auszutauschen ist hoch. So war ich sehr gespannt auf das Treffen mit den 18 Umschüler*innen zur MFA – Medizinischen Fachangestellten und einigen Lehrkräften am 22. August 2017 im Reichstagsgebäude. Sie lernen und lehren an der bbw Akademie für Betriebswirtschaftliche Weiterbildung GmbH am Standort Berlin-Karlshorst. Und die Diskussion mit den 28- bis 53-jährigen wurde so, wie ich es mir erhofft hatte: sehr rege und interessant. Herzlichen Dank dafür.

Wir haben eine Reihe wichtiger gesundheitspolitischer Fragen besprochen: Die Bürger*innenversicherung, die Professionalisierung der Gesundheits- und der sozialen Berufe, die Notwendigkeit, sich für eigene Interessen auch zu organisieren unter anderem für eine höhere, eine gerechte Bezahlung in den Gesundheits- bzw. Care-Berufen, die Übernahme der Kosten von Vorsorgeuntersuchungen und eines meiner Herzensthemen: die Sinnhaftigkeit bzw. Sinnlosigkeit von IGeL-Leistungen.

Solidarische Bürgerversicherung                                          

Das Konzept der solidarischen Bürger*innenversicherung ist auf hohes Interesse gestoßen. Sie ist das nächste große sozialdemokratische Projekt, dass wir dringend anpacken müssen – es wird im Übrigen auch von den Linken und von Bündnis 90/Die Grüne befürwortet. Es ist gut, dass es diese breite politische Unterstützung gibt.

Die Bürger*innen sollen darauf vertrauen können, bei Krankheit bestmöglich versorgt zu werden. Die SPD will alle Bürger*innen in der Gesundheitsversorgung auf die gleiche Weise versichern. Unser Zeil ist die paritätische Bürger*innenversicherung, das heißt Arbeitgeber*innen und Versichere werden wieder den gleichen Anteil am gesamten Versicherungsbeitrag in der Kranken- und auch der Pflegeversicherung zahlen. Wir Sozialdemokrat*innen schaffen den einseitigen Zusatzbeitrag der Versicherten wieder ab. Das sinkt auch deren „Bruttokosten“.

Wichtige Kernpunkte der solidarischen Bürgerversicherung: Alle bislang und  erstmals gesetzlich Versicherten werden automatisch in die Bürger*innenversicherung aufgenommen. Bisher Privatversicherte können innerhalb eines befristeten Zeitraums wählen, ob sie in diese wechseln können. Zudem beabsichtigen wir mit der Bürger*innenversicherung eine einheitliche Honorarordnung für Ärzt*innen zu schaffen. Wichtig: Fällt die Unterscheidung in unterschiedliche Honorarordnungen für gesetzlich und privat Versicherte weg, besteht für Ärzt*innen kein Anreiz mehr gesetzlich und privat Versicherte unterschiedlich zu behandeln. Oder sich in Regionen mit besonders vielen Privatversicherten anzusiedeln. Deswegen gilt bei der Bundestagswahl: Stimmen Sie für die Bürger*innenversicherung! Stimmen Sie für die Abschaffung der Zwei-Klassen-Gesellschaft im Gesundheitswesen. Stimmen Sie für die SPD!

Emanzipation der Gesundheitsberufe und sozialen Berufe

Mit der Professionalisierung der personenorientierten Dienstleistungsberufe, der Gesundheits-, Sozial- und Erziehungsberufe setze ich mich seit Jahrzehnten auseinander. In dieser Legislatur insbesondere im Zusammenhang mit der Pflegeberufereform. Über die vielen Fragen gerade zu diesem Thema habe ich mich sehr gefreut. Politik kann und muss Weichen stellen – aber sie kann es nicht alleine!

Die Menschen, zumeist Frauen, die in diesen Berufen tätig sind, müssen sich ihrer Einflussmöglichkeit, ihrer Wirkmacht sehr viel stärker bewusst werden. Die Beschäftigten müssen sich aber auch organisieren und ihre Forderungen nach einer besseren Bezahlung, nach mehr Wertschätzung, nach besseren Pflegeschlüsseln lauter und organisierter in die Gesellschaft tragen! Dies ist gerade in unserer Gesellschaft und im demographischen Wandel notwendig. Auf dem aktuellen Arbeitnehmer*innenmarkt haben Beschäftigte doch was zu sagen!

Daher mein Appell: Organisieren Sie sich, treten Sie in die Gewerkschaften, in die Berufsverbände ein und kämpfen Sie für eine Pflegekammer und andere starke Selbstverwaltungsorgane, die Ihre! Interessen vertreten! Ich setze mich politisch leidenschaftlich ein für die Emanzipation der Gesundheitsberufe. Es ist nicht einfach, das weiß ich auch, denn schließlich muss der Kuchen im Gesundheitswesen umverteilt werden.

IGeL-Leistungen – sinnvoll oder sogar schädlich?

Ich erhielt die Frage, warum für Vorsorgeuntersuchungen so oft Zuzahlungen geleistet werden müssen. Meine Antwort: Ganz klar ist, dass für alles medizinisch Notwendige die Krankenkassen aufkommen. Darüber, was medizinisch notwendig ist, entscheidet anhand evidenzbasierter Erkenntnisse der Gemeinsame Bundesausschuss. Er ist das höchste Gremium der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen. In ihm sind im Kern die Kassen, die Ärzt*innen und die Krankenhäuser, aber auch viele weitere Akteur*innen des Gesundheitswesens vertreten, so zum Beispiel auch Patient*innenvertreter*innen.

Gefragt wurde ich, warum Ultraschalluntersuchungen der Eierstöcke selbst bezahlt werden müssen? Die Frage verweist auf eine breite Unsitte im Gesundheitswesen: Patient*innen Leistungen anzubieten, die nicht unbedingt sinnvoll sind, die von diesen aber privat bezahlt werden müssen. Ich rede von den sogenannten individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) – diese gehören auf den Prüfstand! Das Geschäft damit ist aber lukrativ: es beläuft sich auf über eine Milliarde Euro, die die Patient*innen zahlen – und größtenteils für nichts!

Mögen IGeL in speziellen Einzelfällen sinnvoll sein, in der Regel sind sie es nicht – so manches Mal sind sie sogar schädlich – nämlich dann, wenn sie unnötige Behandlungen zur Folge haben. Der IGeL-Monitor des Gemeinsamen Bundesausschusses gibt einen wertvollen Überblick über die IGeL-Leistungen und wie sie zu bewerten sind. Eine wertvolle Informationsqualle für alle Patient*innen.

Und hier die Antwort zum Thema der Frage nach den gynäkologischen Ultraschalluntersuchungen:

„Einen Ultraschall der Eierstöcke zur Krebsfrüherkennung bewerten wir mit „negativ“.

Eierstockkrebs, auch Ovarialkarzinom genannt, ist die fünfthäufigste Krebstodesursache bei Frauen. Zur Früherkennung wird von den gesetzlichen Krankenkassen ein jährliches Abtasten ab dem 20. Lebensjahr bezahlt. Frauenärzte bieten darüber hinaus Ultraschalluntersuchungen der Eierstöcke an, oft im Rahmen einer „gynäkologischen Krebsvorsorge“. Besteht ein Verdacht auf Eierstockkrebs ist der Ultraschall selbstverständlich eine Leistung der Gesetzlichen Krankenversicherung - ohne Verdacht eine IGeL. Ultraschalluntersuchungen sind als IGeL bei vielen Arztgruppen weit verbreitet: Jede fünfte angebotene IGeL ist ein Ultraschall.

Eine im Juni 2011 veröffentlichte große Studie bestätigte, was andere Studien bereits angedeutet haben: Mit Ultraschalluntersuchung sterben gleich viele Frauen an Eierstockkrebs wie ohne Untersuchung. Diese und andere Studien zeigen jedoch, dass Frauen durch Fehlalarme häufig unnötig beunruhigt und sogar eigentlich gesunde Eierstöcke entfernt werden. Eine erneute Suche nach aktuelleren Studien im Juli 2014 bestätigte unsere Bewertung. Auch ärztliche Fachgesellschaften raten inzwischen von der Untersuchung ab.“

Meine Bitte: Vor dem Bezahlen einer IGeL-Leistung – informieren Sie sich zu Hause, holen Sie sich eine Zweitmeinung ein. Die haben das gesetzlich verbriefte Recht dazu!