Bald 105 Jahre steht an der Heilbronner Straße in Schöneberg die „Kirche zum Heilsbronnen“. Eine stattliche evangelische Kirche nah am Bayerischen Platz. Wikipedia weiß: „Weil sich auf dem Wiesenstück zuvor eine Quelle befunden haben soll, kann dies bei der Namensgebung für die neue Kirche eine Rolle gespielt haben.“
Zu Besuch bei Pfarrer Florian Kunz und Diakon Axel Heyne wird die Nähe zur Quelle spürbar: Ich erfahre viel über Um- und Aufbrüche. Beide Männer stehen für eine Gemeinde mit bewusst gelebten Traditionen und einer geöffneten Tür für Neues.
Trauungen für gleichgeschlechtliche Paare sind hier nun endlich möglich. Vor nicht allzu langer Zeit war, trotz der Nähe zum Regenbogenkiez, völlig undenkbar, dass Frauen- oder Männerpaare hier vor den Altar treten und heiraten können.
Seit dem 1. Juli 2016 sind Lesben und Schwule in der evangelischen Landeskirche (EKBO) gleichgestellt: Bei Trauungen, dem Eintrag im Kirchenbüchern und allen anderen Fragen von Dienstrecht bis zu den Zuschlägen für Paare. Die protestantische Akzeptanz für LGBTIQ* ist gewachsen. Kunz freut sich: „Wir haben die Öffnung vor dem Staat beschlossen. Darauf bin ich ein wenig stolz!“ Erste Segnungen haben in seiner Kirche bereits stattgefunden. Paare müssen nicht mehr an die Zwölf-Apostel-Gemeinde verwiesen werden.
Der Gemeindepfarrer möchte spürbar weitere Barrieren abbauen, auch vor der eigenen Kirchentür. So sind die Zuwege in die Kirche für Rollstuhlfahrende noch nicht optimal. Ein Umbau ist geplant. Der Bezirk ist angefragt, denn die Fläche vor der Tür – auch die Treppe – ist öffentlicher Grund.
Derzeit wird ein Fahrstuhl im Gemeindehaus eingebaut, der auch rollstuhlgerecht ist. Bislang war Rollstuhlfahrenden der Zugang zum Gemeindebüro und in die Säle in den oberen Stockwerken nicht oder nur über die Treppe möglich.
Inklusion ist Thema in der Gemeinde am Heilsbronnen, ob bei der Frage nach einem besseren Zugang Gehbehinderter oder der Begleitung von Menschen mit Demenz. Im Schaukasten entdecke ich einen Hinweis auf besondere Gottesdienste für Demente und ihre Angehörigen. Das beeindruckt mich. Initiativen wie diese sind wichtig.
Kunz erlebt mit Bedauern, wie ältere Gemeindeglieder im hohen Alter „unsichtbar“ werden, weil sie nicht mehr am Gemeindeleben teilnehmen können. Die Wege werden ihnen zu weit, die Teilhabe schwer.
Mich bewegt die Frage, wie wir älteren Menschen bessere Zugänge schaffen können. Auch fehlen öffentliche Räume ohne Konsumzwang. Im Heilsbronnen sind alle willkommen, auch ohne Geld. Dafür sorgen viele Freiwillige, die die vielfältigen Angebote der Kirchengemeinde ermöglichen.
Diakon Heyne berichtet, dass der Altersdurchschnitt der Gemeindeglieder bei 50 Jahren liegt. Doch der Gemeindebezirk erlebt einen Wandel der Einwohner*innenstruktur. Im Vergleich zum Friedrichshain gelten die Mieten im Bayerischen Viertel noch als erschwinglich für Familien. Die Gemeinde registriert viele Zuzüge.
„Das Konzept der Gemeindeöffnung ist gelungen“, freut sich Heyne. Er ist seit 1980 in der Gemeinde und hat die verschiedenen Phasen der Entwicklung erlebt. Nun gibt es mehr Zusammenarbeit mit den Initiativen im Kiez, beispielsweise mit dem Café Haberland. Spielenachmittage und ein Familiengarten für Eltern mit Kleinkindern runden das Angebot ab.
Die neue Offenheit ist dem Gemeindekirchenrat und den Mitarbeitenden der Kirchengemeinde zum Heilsbronnen zu verdanken. Die Erfahrungen dort machen Mut. Danke an alle, die dazu beigetragen haben.