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Nur eine inklusive Gesellschaft ist eine gerechte Gesellschaft

„Wir sind nicht behindert, wir werden behindert“, appellierte Benno Laakmann – und ich füge hinzu, nur eine inklusive Gesellschaft ist eine gerechte Gesellschaft.

Um den Barrieren auf den Grund zu gehen, habe ich gemeinsam mit der „Arbeitsgemeinschaft Selbst Aktiv - Menschen mit Behinderungen in der SPD“ der SPD Berlin am 30. August 2017 in den Wilhelm-Leuschner Saal des DGB-Hauses in der Keithstraße zur Diskussion eingeladen. Trotz des schönen Sommerwetters waren sehr viele Menschen mit und ohne Behinderung unserer Einladung gefolgt. Es nahmen Vertreter*innen von Selbsthilfeorganisationen von Menschen mit Behinderung, Aktivist*innen, Beiräten für Menschen mit Behinderungen, Senior*innenvertretungen, Sozialverbänden, Fachverbänden und Trägern teil sowie zahlreiche Mitglieder der AG Selbst Aktiv teil. Sie alle brachten zahlreiche Anliegen und Anregungen für die Politik und die Gesellschaft mit.

Für die lebhafte Diskussion sorgten auch die übrigen Teilnehmer*innen auf dem Podium:

  • Benno Laakmann vom Allgemeine Blinden- und Sehbehindertenverein Berlin gegr. 1874 e. V. (ABSV)
  • Rainer-Michael Lehmann, Landesvorsitzender der AG Selbst Aktiv - Menschen mit Behinderungen in der SPD Berlin und ehemaliger Sprecher der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus für Menschen mit Behinderung
  • Ulrike Pohl, Referentin im Referat Menschen mit Behinderungen des Paritätischen Berlin
  • Boris Velter, Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten im Gesundheitswesen (ASG) und als Staatssekretär für Gesundheit in der Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung tätig.

Der Ausschluss vom Wahlrecht ist ein Skandal – CDU/CSU blockierte Änderung

Rund 85.000 Menschen dürfen nicht an der Bundestagswahl am 24. September 2017 teilnehmen, weil sie wegen ihres Betreutseins in allen Angelegenheiten vom Wahlrecht ausgeschlossen sind. Das ist ein Skandal! Das habe ich gleich am Anfang meiner Begrüßung deutlich gemacht.

 In diesem Jahr hat die Parlamentarische Versammlung des Europarates meinen Bericht „Die politischen Rechte von Menschen mit Behinderungen: ein demokratisches Anliegen“ beschlossen. In dem Bericht stehen wichtige Handlungsempfehlungen für ein inklusives Wahlrecht und für mehr politische Teilhabe für Menschen mit Behinderungen. Das sind klare Aufforderungen zum Handeln für die 47 Mitgliedstaaten des Europarats - also auch für Deutschland.

Menschen dürfen nicht wegen ihrer Behinderung vom Wahlrecht ausgeschlossen werden. Ich ärgere mich sehr, dass CDU und CSU nicht bereit waren, dass Wahlrecht diesbezüglich noch vor der Bundestagswahl 2017 zu ändern. Das ist weder gerecht noch inklusiv!

Martin Schulz steht für eine inklusive Gesellschaft

In seiner Grußbotschaft zum Europäischen Protesttag der Menschen mit Behinderung fand Martin Schulz klare Worte: „Gerade in diesem Wahljahr, in dem wir über Gerechtigkeit sprechen wollen, muss es heißen: eine gerechte Gesellschaft muss eine inklusive Gesellschaft sein. Dafür wollen wir weiter einstehen.“

Barrierefreies Gesundheitswesen

Der barrierefreie Zugang zu Arztpraxen ist noch immer ein großes Problem und eine wichtige Forderung von Selbst Aktiv, erklärte Rainer-Michael Lehmann. Problematisch sei die medizinische Versorgung für Menschen mit Behinderungen im Krankenhaus. Dies gelte insbesondere für die notwendigen Assistenzleistungen für Menschen mit Behinderungen, ergänzte Ulrike Pohl. „Wir brauchen eine Sensibilisierung der Ärzt*innen bereits in der Ausbildung für unsere besonderen Belange“, forderte Pohl.

Medizinische Versorgungszentren für Menschen mit Mehrfachbehinderungen

Während die medizinische Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit Mehrfachbehinderungen bis zu ihrem 18. Lebensjahr gut funktioniert, ist die Versorgung ab dem 18. Lebensjahr problematisch. Deswegen mache ich mich bereits seit langem für Medizinische Versorgungszentren für Menschen mit Mehrfachbehinderungen (MZEB) stark. Auch auf dieser Veranstaltung wurde das Thema mehrfach angesprochen. Gesundheits-Staatssekretär Boris Velter machte deutlich, dass er die medizinische Versorgungslücke bei Menschen mit Mehrfachbehinderungen sieht und sich für die Einrichtungen von MZEB für Erwachsene einsetzt. Das begrüße ich sehr!

Gesundheit darf nicht vom Geldbeutel abhängen

Auf den unmittelbaren Zusammenhang zwischen sozialer Lage und Gesundheitszustand machte Boris Velter aufmerksam. Die soziale Lage hat unmittelbaren Einfluss auf die Lebenserwartung und der Wohnort Einfluss auf die gesundheitliche Versorgung. So haben Menschen im Wedding eine um drei Jahre kürzere Lebenserwartung als in Zehlendorf. Deswegen ist die Bürgerversicherung keine abstrakte Idee, sondern eine Frage der sozialen Gerechtigkeit und einer inklusiven Gesellschaft. „Die gesundheitliche Versorgung muss dort ankommen, wo die Menschen sie am meisten brauchen und nicht dort, wo am meisten verdient wird“, forderte Velter.

Barrierefreie Teilhabe

Es geht um Barrierefreiheit in allen Lebensbereichen. Barrierefreiheit hat viele Gesichter, betonte Rainer-Michael Lehmann. Als positives Beispiel nannte er die Inklusionstaxis. „Das Personenbeförderungsgesetz und die Verordnung über den Betrieb von Kraftfahrunternehmen im Personenverkehr (BOKraft) müssen geändert werden“, forderte Lehmann. Dadurch werden Bundesländer ermächtigt, durch gezielte Vergabe von Taxizulassungen eine ausreichende Anzahl von Inklusionstaxis verpflichtend zu etablieren.

„Wir möchten das gleiche Leben führen wie ein Mensch ohne Behinderung“, betonte Ulrike Pohl. Ihre Aussage macht deutlich, wie wichtig eine inklusive Gesellschaft ist. Ich hoffe, mit der Veranstaltung und der inhaltsreichen Diskussion konnten wir einen Beitrag in Richtung einer inklusiven gleichgestellten Gesellschaft leisten.