Mechthild Rawert referiert auf der Diskussionsveranstaltung "Frauen in der Pflege" des Berliner Frauenbundes 1945 e. V.
Es wird allzu oft als selbstverständlich genommen: Frauen leisten die meiste Pflegearbeit. Als pflegende Angehörige und als ehrenamtlich Tätige. Aber auch in den Pflegeberufen sind Frauen überproportional repräsentiert.
Zugleich wird das Potential der Frauen in den Pflegeberufen nicht ausreichend genutzt. Nach wie vor sind Frauen in ihren Karrieremöglichkeiten eingeschränkt. Der Männeranteil in der Pflegeausbildung steigt zwar. Während Männer vorwiegend im Akutpflegebereich und als Führungskräfte arbeiten, bleibt die Langzeitpflege mit ihren schwierigen Bedingungen jedoch in Frauenhand.
In der Angehörigenpflege wiederum leisten viele Frauen der sogenannten Sandwich-Generation einen Spagat zwischen Erwerbsarbeit, Kindern und der Pflege von Angehörigen - mit psychischen und sozialen Folgen sowie Folgen für die berufliche Karriere. 82 Prozent der Frauen, die pflegebedürftige Angehörige haben, pflegen diese selbst. Bei den Männern sind es nur 64 Prozent. Überwiegend pflegen diese Männer die Partnerin oder den Partner, während die Pflege der Eltern nach wie vor „Frauensache“ ist.
Es ist gut, dass die Zahl der Männer, die Verantwortung in der Pflege übernehmen, steigt. Sie werden in Zukunft noch mehr gefragt sein. Denn die Zahl der Pflegebedürftigen steigt. Wenn eine menschenwürdige und gute Pflege sichergestellt werden soll, wird sich die Gesellschaft nicht mehr allein auf die „liebende Tochter“ und die „aufopfernde Ehefrau“ verlassen können. Denn dann würden große Versorgungslücken entstehen.
Die Inanspruchnahme formeller Angebote in der Pflege wird aller Voraussicht nach zunehmen. Die Gesellschaft ist auf die Erwerbstätigkeit von Frauen angewiesen. Trotz der umfangreichen Verbesserungen, die die SPD- Bundestagsfraktion in dieser Legislaturperiode zur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf durchgesetzt hat – im Familienpflegezeitgesetz und im Pflegezeitgesetz, bleibt diese in der Gesellschaft des längeren Lebens eine politische Daueraufgabe. Angehörigenpflege darf nicht überfordern. Sie muss für alle sowohl in den Lebenslauf als auch in den Alltag integrierbar sein. Dazu muss sich weiterhin dringend etwas in den Köpfen von Männern und Frauen sowie den Rollenverständnissen der Geschlechter ändern.
Ort:
Berliner Frauenbund 1945 e. V.
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