Persönliche Erklärung der Abgeordneten Mechthild Rawert gemäß § 31 der GO zur Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan (International Security Assistance Force, ISAF) unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolution 1386(2001) und folgender Resolutionen, zuletzt Resolution 2011(2011) vom 12. Oktober 2011 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen:
Der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan auf Grundlage der Beschlüsse des UN-Sicherheitsrates dauert mittlerweile zehn Jahre an. Ich habe den Einsätzen der Bundeswehr in der Regel meine Zustimmung im Deutschen Bundestag gegeben. Bei der Entscheidung im Jahr 2011 waren allerdings meine Zweifel über die Ernsthaftigkeit der Beibehaltung des Strategiewechsels durch die Bundesregierung so groß, dass ich dem Antrag nicht zustimmen konnte.
Doch im Unterschied zur Situation der Entscheidung über den Bundeswehreinsatz im letzten Jahr lässt sich im Januar 2012 konstatieren, dass der Abzug der Bundeswehrtruppen bereits begonnen hat. Im Regierungsantrag ist der Truppenrückzug im Jahr 2012 von 5350 Soldaten auf zunächst 4900 und im weiteren Jahresverlauf auf 4400 festgelegt. Während Ende November noch 5329 Bundeswehrsoldaten in Afghanistan stationiert gewesen waren, betrug die Truppenstärke am 7. Dezember 2011 noch 4991. Damit sind meine ernsthaften Zweifel, ob die Bundesregierung ihr Wort für eine Abzugsperspektive hält, vorerst ausgeräumt.
Für problematisch halte ich, dass der Antrag der Bundesregierung die Hintertür offen lässt, den Truppenabzug aufzuweichen. Die Formulierung „soweit die Lage dies erlaubt und dadurch die eingesetzten Truppen oder die Nachhaltigkeit des Übergabeprozesses nicht gefährdet werden“ lässt diese Interpretation zu.
Insgesamt entspricht der vorliegende Mandatstext weitgehend der SPD-Position für einen Strategiewechsel, der auf eine politische Lösung der Konflikte in Afghanistan setzt und als Voraussetzung einen Versöhnungsprozess innerhalb des Landes auch mit den Taliban vorsieht.
Der Transitionsprozess sieht vor, dass die Sicherheitsverantwortung Schritt für Schritt an Afghanistan übergeben wird. Das erfordert eine verstärkte Ausbildung afghanischer Sicherheitskräfte. Seit Juli 2011 findet diese Transition in Gebieten mit eher ruhiger Lage statt. Mittlerweile sind 305.600 Soldaten und Polizisten in Afghanistan ausgebildet worden und bis Oktober 2012 sollen es 352.000 sein. Der Härtetest für die Übertragung der Sicherheitsverantwortung steht erst noch bevor.
Ich erwarte, dass ein tragfähiges Konzept zur nachhaltigen Ausbildung, Ausstattung und vor allem bezüglich der Finanzierung der afghanischen Sicherheitskräfte entwickelt wird, wie es im Antrag der Bundesregierung versprochen wird. Denn ein Rückfall Afghanistans in eine erneute Bürgerkriegssituation, wie nach dem Abzug der sowjetischen Truppen, muss verhindert werden. Das ist aus meiner Sicht eine Verantwortung, die sich aus den zehn Jahren des Einsatzes der Bundeswehr in Afghanistan ergibt.
Die mehrdimensionalen Konflikte in Afghanistan und seinen Anrainerstaaten lassen sich nur auf politischem und nicht auf militärischem Wege lösen. Dem trägt der Strategiewechsel insofern Rechnung, indem auch die Taliban als Verhandlungspartner akzeptiert werden und in einen Versöhnungsprozess eingebunden werden.
Eine politische nichtmilitärische Lösung bedeutet zugleich auch die Aufwertung ziviler Konfliktlösungen sowie Aufbauhilfe im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit. Insofern war die Aufstockung der jährlichen Unterstützung für Wiederaufbau und Entwicklung in Afghanistan auf bis zu 430 Mio. Euro notwendig. Um den Aufbau einer stabilen Wirtschaft und Gesellschaft zu gewährleisten, müssen die Mittel für Entwicklungszusammenarbeit über den von der Bundesregierung zugesagten Zeitraum bis 2013 hinaus beibehalten werden.
Die deutsche Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee. Jede Soldatin, jeder Soldat braucht insbesondere bei Auslandseinsätzen politische, moralische und auch finanziell ausreichende Unterstützung zur Gewährung bestmöglicher Sicherheit. Ich bin nach wie vor bereit, diese zu geben. Frieden ist aber mehr als die Abwesenheit von Krieg. Eine Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger ist nach wie vor für den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan. Ich stimme dem Antrag zu, weil er eine fest terminierte Abzugsperspektive bietet.