In den letzten Tagen war in der Presse viel über Maulkorberlasse für Bundestagsabgeordnete, die andere Meinungen als ihre Fraktionen vertreten, zu lesen. Die Medien wussten hier mehr als die allermeisten Abgeordneten, da die angedachten Änderungen der Geschäftsordnung bisher nur im Geschäftsordnungsausschuss beraten worden waren. Weder die Fraktionen noch das Plenum hatten diese Vorschläge bis dato gesehen, schon gar nicht darüber diskutiert.
Der auch von mir geteilte öffentliche Protest hat bewirkt, dass in den nächsten Wochen keine Geschäftsordnungsänderungen erfolgen werden. Ich kann allerdings garantieren, dass diese Planungen und auch das Verfahren selbst in der kommenden Sitzungswoche auf jeden Fall in der SPD-Bundestagsfraktion diskutiert werden. Ich hätte den mir nur aus der Presse bekannten Geschäftsordnungsänderungen in dieser Form nicht zugestimmt. Dabei bin ich keineswegs gegen Verfahrensänderungen, sie müssen aber die Garantie bieten, dass sich die Debattenkultur einer offene und toleranten Gesellschaft im Deutschen Bundestag widerspiegelt.
Demokratische Debattenkultur
Mich freut das hohe Interesse an einer lebendigen parlamentarischen Diskussionskultur seitens der Bürgerinnen und Bürger sehr. Für mich heißt das: Wir alle wollen eine lebendige Demokratie. Aber nicht jede Änderung schadet der demokratischen Debattenkultur, manche Änderungen fördern diese auch: So haben neue Verfahrensregelungen für die Fragestunde des Parlamentes in den vergangenen Monaten dafür gesorgt, dass diese nicht nur für die Abgeordneten spannender und lebendiger geworden ist. Ich würde es sehr begrüßen, wenn sich auch die Bundeskanzlerin der offenen Befragung des Parlamentes stellen würde. In anderen Parlamenten ist das durchaus üblich, wird aber von den Regierungsfraktionen bisher blockiert.
ZuschauerInnen bzw. ZuhörerInnen der parlamentarischen Debatten haben sich in den vergangenen Jahren zumeist per Email auch bei mir zu Worte gemeldet. Diese Teilhabe wird von mir ausdrücklich erwünscht. Allerdings haben mich einige der nun eingegangenen Mails nicht erfreut, insbesondere die mit Schmähaussagen und ohne Namensnennung. Zu Aussagen wie: „Insofern muss ich feststellen, daß die wahren Feinde der Demokratie nichts Links- oder Rechtsextremisten oder Islamisten sind, sondern sie sitzen bereits mehrheitlich im Bundestag.“ sage ich nur: „Sachte, liebe Bürgerinnen und Bürger!“. Vor der Zusendung mancher E-Mail sollte eine Phase der Entschleunigung eingelegt und zum Nachdenken genutzt werden. Als Abgeordnete kann auch ich Respekt erwarten, zumal ich politischen Diskussionen keinesfalls ausweiche. Nötig ist sie bei diesem Inhalt auf jeden Fall.