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1. Fuldaer Public Health Nutrition Tagung 2012: Lebenswelten nachhaltig gesundheitsfördernd gestalten

Der Fokus der sehr gut besuchten 1. Fuldaer Public Health Nutrition-Tagung der Fachbereiche Oecotrophologie und Pflege & Gesundheit der Hochschule Fulda am 19. April lag darauf, Lebenswelten nachhaltig und gesundheitsförderlich gestalten und ernährungsabhängigen Erkrankungen vorbeugen zu wollen. Wie muss wirkungsvolle Prävention gestaltet sein, für die ganze Bevölkerung, im Setting, auf individueller Ebene? Welche politischen Maßnahmen dazu sind bereits erfolgt bzw. unbedingt erforderlich? Was kann dieser junge Studiengang dafür tun?

Gesundheitsfördernde Lebenswelten sorgen für mehr Chancengerechtigkeit im Gesundheitswesen
Bewegungsreiche und ernährungsbezogen ausgewogene „gesunde Lebenswelten“ sind nachweislich Faktoren, die zum einen zur Erhöhung der Lebensdauer vor allem aber zu einem längeren Leben in Gesundheit ohne bzw. mit wenigeren chronischen Erkrankungen und behindernden Einschränkungen  wesentlich beitragen. Wir konstatieren den Anstieg der mittleren Lebenserwartung, den Rückgang der Herz-Kreislauf-Mortalität und rückläufige Sterberaten bei bestimmten Krebserkrankungen als unmittelbare Folgen einer zunehmend besseren medizinischen Diagnostik und (Akut-)Therapie. Gegenläufige Entwicklungen sind allerdings die Zunahme allergischer Erkrankungen, Diabetis mellitus und Adipositas - insbesondere bei Kindern und Jugendlichen.

Gesundheitschancen und Krankheitsrisiken sind in unserer Gesellschaft ungleich verteilt: Von vielen Erkrankungen und Beschwerden sind Menschen mit weniger Bildungschancen und niedrigem Berufsstatus wesentlich häufiger betroffen als andere. Hinsichtlich einer gesundheitsriskanten Lebensführung sind diese Faktoren entscheidender als ein niedriges Einkommen. Es bestehen Zusammenhänge zwischen „dem sozialen Status und der damit verbundenen Lebensbedingungen und Teilhabechancen einerseits und dem individuellen Gesundheitsverhalten, das auch Aspekte der Krankheitsbewältigung, der Inanspruchnahme von Präventions- und Versorgungsangeboten umfasst“, wie Dr. Thomas Lampert vom Robert-Koch-Institut in Berlin nachdrücklich herausstellte. Verhältnis- als auch Verhaltensprävention seien daher zentrale Herausforderungen von Public Health und Gesundheitspolitik gerade in Industriestaaten.

Kein Erkenntnis- sondern ein politisches Handlungsproblem
Schon längst wissen wir, dass
-    es eine Diskrepanz zwischen der Ernährungspraxis und präventiven Ernährungsempfehlungen gibt,
-    eine gesunde Ernährung durch die vielfältigen Werbeversprechen seitens der Lebensmittelindustrie vor allem im Bereich der industriell hergestellten Fertigprodukte erschwert wird,
-    massenmediale gesundheitsaufklärerische Maßnahmen zwar gut in der Lage sind, ein Bewusstsein für Gesundheitsprobleme zu wecken allerdings bei der Änderung von Einstellungen oder Verhalten in ihrer Effektivität begrenzt sind, nur sehr genau geplante zielgruppenorientierten Angebote sind wirkungsvoll,
-    um ein wirkungsvolles Marketing für die Familienernährung als auch die Gemeinschaftsverpflegung durchzusetzen, wir eine Strategie der Verhältnisprävention, die die Ernährungsindustrie vom Einzelhandel bis zur Gemeinschaftsverpflegung einbezieht, brauchen.

Workshops: Gesundheitlichen Herausforderungen neu begegnen
In den vier Workshops wurden folgende politische Herausforderungen diskutiert:
-    Chronische Krankheiten vermeiden.
-    Gesundheit fördern - In jedem Alter.
-    Gesundheitliche Ungleichheit verringern.
-    Steuerungsansätze für eine gesunde Ernährung.

Zu den seit einigen Jahren auch in den Ausschüssen für Gesundheit bzw. Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestages diskutieren politischen Ansätzen zur Vorsorge ernährungsbedingter Erkrankungen gehören sowohl die Ampelkennzeichnung als auch ein Werbeverbot für Kinderlebensmittel.

Die Nährwertampel konnte trotz positiver Erfahrungen in anderen europäischen Staaten aufgrund der Ablehnung von CDU/CSU in der Großen Koalition nicht eingeführt werden. Die augenblickliche CDU/CSU/FDP-Regierung will diese Maßnahme gar nicht. Die SPD-Bundestagsfraktion befürwortet im Sinne eines vorsorgenden VerbraucherInnenschutzes eine Nährwertampel.

Brauchen wir ein Werbeverbot für Kinderlebensmittel?
Seit 2007 vertrete ich die Position: „Ja, wir brauchen ein Werbeverbot für Kinderlebensmittel!“ (siehe http://www.mechthild-rawert.de/inhalt/2007-06-01/bausteine_im_demographi...).

Bereits heute leben nach Aussagen des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte in Deutschland 1,9 Millionen Kinder und Jugendliche, die übergewichtig sind, und rund 800.000 adipöse Kinder und Jugendliche.

Werbung für Kinder funktioniert - leider!

20.000 bis 40.000 TV-Spots sind die Jahresbilanz eines fernsehenden Kindes. Gut die Hälfte aller Spots vermarkten Süßwaren, Limonaden und Knabberartikel. Bei Kindern unter 5 Jahren bilden sich die Ernährungsvorlieben erst noch aus, daher funktioniert die Werbung der Firmen und Hersteller für die immer jüngeren Altersgruppen auch so erfolgreich. Bei 2- bis 5-Jährigen werden durch die Verankerung bestimmter Marken und Produkte langfristig Ess- und Trinkgewohnheiten geprägt - leider nicht im Sinne einer gesundheitsfördernden Ernährung.

Wir brauchen ein Werbeverbot für Kinderlebensmittel

Unabhängig davon, dass die von der Lebensmittelindustrie aus Profitstreben (Umsatz mittlerweile ca. 200 Millionen Euro) kreierten „Kinderlebensmittel“ völlig überflüssig sind, sind diese in den allermeisten Fällen ernährungsphysiologisch minderwertig, wie die aktuelle Untersuchung von foodwatch aufzeigt. Faktum ist, dass dieses durch die Lebensmittelindustrie geschaffene Angebot und ihre Vermarktung Bestandteil einer „Adipositas fördernden Umwelt“ ist. Auch die UN formuliert deutlich, dass die Zunahme ernährungsbedingter Krankheiten nicht einfach nur mit mehr oder weniger bewusst getroffenen Lebensstilentscheidungen zu hat sondern - vor allem in den Industriestaaten und zunehmend auch in den Schwellenländern - ein „systemisches Problem“ sind. Freiwillige Appelle würden hier nichts ändern.

Das Ziel, sich an Kinder unter zwölf Jahre richtende Werbung zu verbieten, wird auch von der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e.V. überstützt. Doch die CDU/CSU/FDP-Regierung unternimmt nichts - zu Lasten der Gesundheit und Lebensqualität unserer Kinder. Andere Staaten sind klüger: Ein generelles Werbeverbot für Kinder unter zwölf wurde bereits in Schweden und Norwegen längst umgesetzt.

Ich halte diese Untätigkeit für politisches Versagen.


Positionspapier für den Workshop finden Sie im Anhang.

AnhangGröße
120419_Public Health Nutrition_abstract.pdf104.3 KB