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„Mitten im Leben“ - ein lebenslanger Wunsch

„Mitten im Leben“ - dieses Motto steht für die Philosophie der DOMICIL-Seniorenpflegeheime, einem privat betriebenen Unternehmen mit 24 Einrichtungen bundesweit, 8 davon in Berlin. „Dem Betreiber ist Nachhaltigkeit sehr wichtig, hier agiert kein Hedgefonds, der Senioreneinrichtungen lediglich betreibt, um Steuern zu sparen“, so Jeannette Podßuweit, seit 2010 Regionalleiterin für die Berliner DOMICILe. „Wir sind offene Häuser für die jeweilige Nachbarschaft, bieten einen Mittagstisch auch für ältere NachbarInnen der Einrichtungen an und unterstützen dadurch den Grundsatz „ambulant vor stationär“. „Mitten im Leben“ heißt für unsere Häuser auch, dass sie zentral gelegen sind, dass die Bewohnerinnen und Bewohner am Leben im Kiez je nach individuellem Befinden auch teilhaben können.“ Dass dem so ist, konnte ich bei meinem Besuch am 28. August im DOMICIL-Seniorenpflegeheim Residenzstraße GmbH selber wahrnehmen. Zu früh gekommen und draußen vor der Eingangstür noch die Sonne genießend, kam ich ins Gespräch mit BewohnerInnen, die sich selbständig mit Rollator auf den Weg zum Einkaufen bzw. zum Arztbesuch machten.

Meine Gesprächspartnerinnen waren Jeanette Podßuweit und Renate Kersten, Seelsorge/Beratung, Katrin Sieg, Einrichtungsleiterin DOMICIL-Seniorenpflegeheim Residenzstraße GmbH und Herr Tino Knauer, Pflegedienstleiter. Später hinzukam Ralf-Michael Löttgen,  Bundesgeschäftsführer des Bundesverband der Dienstleistungswirtschaft (BDWi). Die auf einer gemeinsamen Zugfahrt zwischen Bremen und Berlin gegebene Information, dass die DOMICIL-Seniorenpflegeheim Residenzstraße GmbH den Quality Award des Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e.V  (bpa) erhalten habe, war Hintergrund meines Besuches.

Den „Quality-Award“ des bpa wird an Projekte verliehen, die der Lebensqualität in besonderer Weise zu Gute kommen. Die DOMICIL Seniorenresidenz erhielt ihn 2011 aufgrund eines von Frau Kersten entwickelten Konzeptes zur Arbeit mit Ehrenamtlichen im Bereich Seelsorge. „Jeder Notfallsanitäter hat das Recht auf Notfallseelsorge, um mit dem Erlebten psychisch fertig zu werden. Dieses Recht brauchen auch freiwillig und vor allem beruflich Tätige in der Pflege“, fordert Frau Kersten, die die Qualifizierung und den Einsatz der in der Einrichtung tätigen Freiwilligen managt, unmissverständlich gleich zu Beginn. Die ehrenamtlich Tätigen sind nicht in die direkte Bezugspflege eingebunden, sind ausschließlich da, um das Wohlbefinden der Bewohnerinnen und Bewohner zu stärken. Um die Qualität im Interesse der BewohnerInnen ständig zu verbessern, um den freiwillig und beruflich Tätigen eine gute Einsatz- und Arbeitsumgebung zu schaffen, „muss eine professionelle seelische Entlastungsmöglichkeit gegeben sein. Diese beugt auch dem in sozialen und pflegerischen Berufen zunehmendem Burnout und der Flucht aus dem Arbeitsfeld  vor.“ Sie begrüße es sehr, dass DOMICIL dieser Aufgabe im Rahmen einer sozialen Unternehmenskultur nachkomme.

„Auch über das Sterben wird gesprochen“

Der durchschnittliche Bewohner ist „eine Bewohnerin, über 80 Jahre alt, leidet an mehreren Grunderkrankungen und an einer leichten oder schweren Demenz und lebt durchschnittlich gut zwei Jahre in der Einrichtung“. Viele wurden schon vorher ambulant zu Hause betreut. Beim Rundgang wurde auf die Kondolenztischchen hingewiesen, ein sichtbarer Hinweis, dass in diesem letzten zu Hause das Leben aber auch das Sterben seinen Platz hat. Es wird Abschied genommen von jeder Bewohnerin, jedem Bewohner, die/der hier verstirbt. Das gehört zur Würde des Menschen, „kein Sarg geht durch die Hintertür“.

Die Einrichtung hat sich dem Berliner „Netzwerk Palliative Geriatrie“ angeschlossen und arbeitet eng mit Hospizdiensten und Home Care ÄrztInnen (Palliativmediziner) zusammen, erläutern Frau Sieg und Herr Knauer. Mit den BewohnerInnen aber auch den Angehörigen werden ausführliche Gespräche geführt, u.a. auch darüber, welche Behandlung gewünscht wird im Falle eines lebensbedrohlichen Zustands. Mein Gefühl während des Gespräches und des Rundganges war: Es ist spürbar, dass hier viel miteinander gesprochen wird - eine Grundvoraussetzung für das Wohlbefinden der BewohnerInnen und der MitarbeiterInnen.

„Wir wollen gut qualifiziertes und zufriedenes Personal“

Die Situation der Beschäftigten in der Pflege allgemein und im speziellen war intensiver Diskussionsgegenstand. Jede Einrichtung hat sich mit dem Fachkräftemangel auseinanderzusetzen, muss gezielt etwas dafür tun, qualifiziertes Personal für die eigene Einrichtung zu gewinnen und zu halten. Damit dieses so ist und bleibt hat DOMICIL in den eigenen Einrichtungen einiges aus den Weg gebracht: „In der Pflege muss im Interesse der Bewohnerinnen und Bewohner immer neu gelernt werden“ so Herr Knauer. Er verweist darauf, dass im DOMICIL extra eine eigene Stelle „Praxisanleitung“ geschaffen wurde, die sich ausschließlich und nicht mehr nur „nebenbei“ um die Anleitung der Auszubildenden und die Einarbeitung neuer KollegInnen kümmert. Fakt ist, dass den zumeist als Altenpflegerinnen ausgebildeten Fachkräften umfassendere medizinische Kenntnisse fehlen, diese aber für eine bewohnerInnenorientierte gute Versorgung unerlässlich sind. Kenntnisse aus der Krankenpflege sind in Senioreneinrichtungen mittlerweile ebenso bedeutsam wie die für Betreuung und Beratung. Ein sehr wichtiges Lernziel aller Schulungen ist die „Befähigung zu lebensbegleitendem Lernen“.

„MitarbeiterInnenzufriedenheit ist das A und O“.
Zur Steigerung der MitarbeiterInnenzufriedenheit und damit zur Bindung an die Einrichtung, unternimmt diese DOMICIL-Einrichtung proaktiv einiges, u.a.

  • Für MitarbeiterInnen, die sich von der AlterpflegehelferIn zur AlternpflegerIn weiterqualifizieren wollen, wird das Schulgeld übernommen und bei der Schichteinteilung wird auf diese Weiterqualifizierung Rücksicht genommen. Auf meine Nachfrage, ob es Verträge gibt, die darauf abzielen, diese MitarbeiterInnen anschließend für einige Zeit noch fest an die Einrichtung zu verpflichten, wurde zu Recht geantwortet: „Solche Verträge sind juristisch nicht gültig. Bei uns gibt es so etwas nicht. Wir setzen auf ein freiwilliges und kooperatives Miteinander.“
  • „Die Umsetzung der eigenen Fachlichkeit und das soziale Miteinander ist oftmals wichtiger als die Entlohnung.“ Unerlässlich ist die Wertschätzung jeder einzelnen Beschäftigten. Die Dienstplangestaltung erfolgt mittlerweile dezentral in den einzelnen Teams, so ist mehr Flexibilität für die einzelnen Teammitglieder möglich.
  • Der Dokumentationsaufwand für die in der direkten Bezugspflege Tätigen wurde reduziert.
  • Es werden keine Leasingkräfte mehr beschäftigt. „Damit verhindern wir hohe Fehlerquoten, eine für die BewohnerInnen nicht zumutbar hohe Personalfluktuation und auch viel Ärger unter den Beschäftigten.“

Reform der EU-Berufeanerkennungsrichtlinie
Die in Fachkreisen als auch der Politik äußerst kontrovers debattierte Absicht der Europäischen Kommission, mit der Neuregelung der EU-Berufeanerkennungsrichtlinie 2005/36/EG langfristig auch für Deutschland eine 12-jährige Allgemeinbildung als Zugangsvoraussetzung für die Gesundheits- und Krankenpflege zu implementieren, wurde ebenfalls debattiert. In 24 Staaten Europas ist dieses längst Usus, auch für Deutschland gilt: 12 Jahre Allgemeinbildung bedeutet NICHT Abitur, wie einige Verbände irreführend in die Debatte eingebracht haben. 12 Jahre Allgemeinbildung sind auf unterschiedlichste Weise erreichbar und nachweisbar. Hier liegt eine enorm hohe Herausforderung für das Deutsche Bildungssystems: Die Verantwortlichen auf Bundes- und vor allem Länderebene müssen sich endlich um entsprechende Möglichkeiten für Äquivalenzen kümmern. Sie müssen sich für ein Bildungswesen Pflege einsetzen, in dem gilt: „Kein Abschluss ohne Anschluss“ und „Gewährleistung der horizontalen und vertikalen Durchlässigkeit“.

Deutliche Anforderungen an die Politik
Seitens meiner GesprächspartnerInnen wird davon ausgegangen, dass in dieser Legislaturperiode keine großen Projekte im Bereich Pflege auf den Weg gebracht werden. Stark kritisiert wird die Nichteinführung des „neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs“, stark kritisiert, die unzureichende nachhaltige Finanzierung der Pflegeversicherung. Als weitere Anforderungen an die Politik wird formuliert:

  • Begrüßt wird die durch Gesundheitsministerin Ulla Schmidt möglich gemachte Beschäftigung von zusätzlichen Betreuungskräften in Pflegeeinrichtungen nach § 87b SGB XI.  Hier müsse ein Weiterentwicklung und vor allem eine noch bessere Finanzierung erfolgen.
  • Die Übergänge Krankenhaus – Senioreneinrichtung seien häufig noch nicht zufriedenstellend gelöst. Sowohl das Entlassungsmanagement in den Krankenhäusern auch als die Integrierte Versorgung sei zu verbessern.
  • Für die vielen psychischen Erkrankungen seien bessere gesetzliche Regelungen und vor allem bessere Versorgungsstrukturen zu treffen. Damit sei nicht nur die Erkrankung Demenz gemeint.

Ich habe mich gefreut, diese Einrichtung kennengelernt zu haben.