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Der 5. Versöhnungstag in der Evangelischen Kirchengemeinde Mariendorf

Vergebung ist Voraussetzung für einen Neuanfang. Darauf verwies Klaus Wirbel vom Nagelkreuzzentrum Mariendorf während des 5. Versöhnungstags in der Evangelischen Kirchengemeinde Mariendorf am 17. November. Er erinnerte an das Gebet „Vater vergib“, welches Propst Richard Howard während der Weihnachtsfeier 1942 hielt. Trotz der völligen Zerstörung Coventrys durch deutsche Fliegerangriffe wurden die Völker zu Vergebung und Versöhnung aufgerufen. So entstand die mittlerweile weltweit agierende Nagelkreuz-Bewegung. In der Tradition dieser Vergebungs- und Versöhnungsarbeit stand der diesjährige Versöhnungstag in der Evangelischen Kirchengemeinde Mariendorf.

Pfarrerin Dr. Cornelia Kulawik, von der ebenfalls der Nagelkreuzbewegung angehörenden Gemeinde der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, las und interpretierte die Geschichte vom Hauptmann von Kapernaum (Mattäus, Kap. 8). Losgehen, Fremdes wahrnehmen und überwinden, miteinander in Beziehung treten - das ist auch heute eine große menschliche und gesellschaftliche Herausforderung.

„Es ist auch meine Geschichte“
In dem beeindruckenden Film „Es ist auch meine Geschichte“ über Neuköllner Stadtteilmütter auf den Spuren des Nationalsozialismus, porträtiert Julia Oelker Frauen, die losgehen, um sich mit der Vergangenheit Deutschlands vertraut zu machen. Sie treffen jüdische Zeitzeugen, treffen die Tochter eines Roma, der Ausschwitz überlebte. In diesen Begegnungen wird für mich deutlich: Frauen wie diese Stadtteilmütter verändern Deutschland - sie prägen ein gemeinsames Deutschland, unabhängig von ihrer jeweiligen Herkunft. Ein mich beeindruckender Satz einer der Stadtteilmütter im Film ist: „Ich versuche zu differenzieren und die Menschen nicht nach ihrer Herkunft zu beurteilen“.

„Integration in der Praxis - Miteinander leben - Versöhnung vor Ort“
Für die Gäste und die TeilnehmerInnen der Podiumsdiskussion „Integration in der Praxis - Miteinander leben - Versöhnung vor Ort“ unter der Moderation von Dr. Rolf Baß, stehen Begegnung und Dialog miteinander im Mittelpunkt: Für Julia Oelker sind die unfassbaren rassistisch motivierten Ausschreitungen von Hoyerswerda 1992 auf ein Flüchtlingswohnheim sowie ein Wohnheim für VertragsarbeiterInnen Anlass gewesen, sich intensiver mit Fremdenfeindlichkeit und Rassismus zu beschäftigen. Für die Mitarbeiterin der Sehitlik Moschee in Neukölln beginnt interreligiöser Dialog mit dem Kennenlernen der verschiedenen Religionsgemeinschaften - daher ist diese Moschee ein offener Ort. Kadir Sanci vom „Forum für Interkulturellen Dialog Berlin e.V.“ studierte Islamische Religionswissenschaft, Jüdisch-Christliche Religionswissenschaft und Pädagogik an der Johann Wolfgang Goethe Universität Frankfurt am Main. Er arbeitet derzeit daran mit, etwas Neues in Berlin entstehen zu lassen: ein Bet- und Lehrhaus auf dem Petriplatz in Berlin-Mitte. Hier, 200 Meter vom Schlossplatz entfernt, soll ein Gotteshaus „unter einem Dach“ für die drei monotheistischen Religionen Judentum, Islam und Christentum entstehen. Ich selber habe deutlich herausgestellt, dass Vielfalt eine Bereicherung ist und dass wir gemeinsam aktiv gegen jede Form von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus einzutreten haben. Jeder Mensch hat das Recht in Deutschland ohne Angst zu leben! Jede und jeder hat das Recht ohne Diskriminierung zu leben!

Als katholisch erzogene Sozialdemokratin ist mir Kirche nicht fremd. Ich begrüße es, das Menschen gemeinsam „Vergebung und Versöhnung“ anstreben und ich begrüße die Vielfalt der Begegnungsformen. Mögen sich Anlässe auch zeit- und gesellschaftsbedingt ändern: Begegnung und Dialog, das aufeinander Zugehen fördert die Menschlichkeit und stärkt die Achtung vor der Würde eines jeden Menschen.

Heute ist die Kathedrale von Coventry ein Zentrum der Versöhnung und Ort der Nagelkreuzbewegung. Nach dem Krieg entstand ein intensiver Jugendaustausch zwischen Tempelhof und Coventry. Dabei wurde aktive Arbeit für die Bewegung geleistet: Ein Höhepunkt war die Übergabe des Nagelkreuzes am 14. Oktober 1962 an den evangelischen Kirchenkreis durch den damaligen Propst aus Coventry in der Rundkirche auf dem Tempelhofer Feld. Dieses Nagelkreuz befindet sich seit 2003 in der Martin- Luther-Gedächtniskirche.