Mit einer gemeinsamen Sitzung des Deutschen Bundestages und der Assemblée nationale feierten am 22. Januar deutsche und französische Abgeordnete den 50. Jahrestag der Unterzeichnung des Élysée-Vertrages. Dieser legte den Grundstein für die dauerhafte Aussöhnung zwischen Deutschen und Franzosen. Beschlossen wurde eine Gemeinsame Erklärung, in der an die Jugend Europas appelliert wird, „das Vermächtnis der deutsch-französischen Freundschaft zu wahren, zu pflegen und fortzuentwickeln.“
Bundestagspräsident Norbert Lammert betonte zu Beginn der Sitzung, dass mit der Unterzeichnung des Vertrages 1963 eine neue Etappe in den Beziehungen beider Länder begonnen hat. Darüber hinaus ist die deutsch-französische Verständigung für die Zukunft ganz Europas unverzichtbar - auch wenn sich die beiden Länder derzeit eher in einer „Phase der leidenschaftlichen Vernunft“ als in einer Phase der romantischen Verliebtheit befinden. „Das muss aber kein Nachteil sein.“
„Diese Freundschaft ist sehr wertvoll, sie ist unabdingbar notwendig und sie ist untrennbar von der europäischen Integration“, äußerte Frankreichs Präsident François Hollande. „Sie muss Europa mitnehmen“. Es sei wichtig, neue Perspektiven aufzuzeigen, vor allem auch die Jugendarbeitslosigkeit in Europa zu bekämpfen. Bundeskanzlerin Angela Merkel betonte, dass Deutschland und Frankreich auch bei der Finanzmarktregulierung, der Bankenaufsicht und der Einführung einer Finanztransaktionssteuer ganz eng zusammenarbeiten wollen - die letzte Äußerung führte zu Gelächter bei den SozialdemokratInnen.
Empfang der SPD-Bundestagsfraktion
Schon vor der gemeinsamen Sitzung fand im SPD-Fraktionssaal ein Empfang für die Kolleginnen und Kollegen der sozialistischen Fraktion in der Assemblée nationale statt. In seiner Rede betonte Frank-Walter Steinmeier: Wer Europa aus der gegenwärtigen Krise herausführen wolle, der brauche „einen Bauplan für die Zukunft, Phantasie für Neues, Mut zur Veränderung.“ Von unseren Parlamenten solle die Botschaft ausgehen: „Wir stehen zusammen. Und wir schauen nach vorn!“ Im vergangenen Jahr sind die wirklich wichtigen Anstöße für den richtigen Weg aus der Krise aus dem französischen und deutschen Parlament gekommen. Gemeinsam kämpfen wir für die Überwindung sozialer Ungleichheit. Für soziale Gerechtigkeit. Für Frieden. Und für ein vereintes Europa.
Frank-Walter Steinmeyer erinnerte an Otto Wels, Namensgeber des Fraktionssaals der Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten im Deutschen Bundestag. Otto Wels war der Vorsitzende des SPD, als die Regierung Hitler vor 80 Jahren, am 23. März 1933, über das Ermächtigungsgesetz im Reichstag abstimmen ließ und damit den Weg für ihre diktatorische Herrschaft bereitete. Allen Bedrohungen zum Trotz trat er ans Rednerpult und erklärte, dass die SPD als einzige gegen die faktische Selbstentmachtung des Parlamentes stimmen werde. Es war die letzte freiheitliche Rede, die bis zum Ende der NS-Zeit von einem deutschen Parlamentarier gehalten wurde. Sie gipfelte in den Worten: „Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht!“. Otto Wels wurde nach dieser Rede die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt, die SPD wurde als Partei verboten und er musste ins Exil. Dieses fand er in Paris, wo er auch 1939 starb. So wie ihn hat Frankreich auch viele andere deutsche Genossinnen und Genossen aufgenommen.
Rund 40 Jahre später war es der Franzose Jacques Delors, ein Sozialist, der als damaliger Präsident der Europäischen Kommission als erster führender Politiker Europas den Menschen aus Ostdeutschland eine Heimat in Europa anbot - wenn sie diese denn wollten. Jacques Delors öffnete den Menschen aus Ostdeutschland als erster die Tür nach Europa.
Frank-Walter Steinmeyer erinnerte daran, dass wir - französische Sozialistinnen und Sozialisten, deutsche Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten - gerade in den letzten Jahren viele Initiativen auf den Weg gebracht haben, die in der größten Krise Europas wichtige Anstöße zur Überwindung gegeben haben. Ob Wachstumspakt oder Finanzmarkttransaktionssteuer - ohne den Schulterschluss zwischen SozialistInnen und SozialdemokratInnen hätte es diese Meilensteine nicht gegeben.
Lebendige deutsch-französische Freundschaft
Mich hat sehr gefreut, Annick Lepetit - in der französischen Nationalversammlung Abgeordnete für den 17. Pariser Bezirk, dem Partnerschaftsbezirk der SPD Tempelhof-Schöneberg - zu treffen. Wir beide werden uns für den Ausbau des Austausches unserer Parteien einsetzen. Mit Freude erwarte ich auch Ende der Woche französische Kinder und Jugendliche, die auf Einladung unseres Kinder- und JugendparlamentsTempelhof-Schöneberg besuchen. Selbstverständlich werden sie auch den Deutschen Bundestag besuchen. Gerade dieser Austausch von Kindesbeinen an ist ein deutliches Zeichen dafür, dass mit politischen Visionen und guter Politik aus Feinden Freunde werden können.