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Alltäglicher Sexismus

Ein bisher tabuisiertes Alltagsphänomen beherrscht plötzlich die Medien: In Talkshows wird heftig über „Sexuelle Belästigung“, über Sexismus und Herrenwitze diskutiert. Auf Twitter schildern unter dem Hashtag #aufschrei tausende Frauen ihre persönlichen Erlebnisse von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz, in der Schule, in der Öffentlichkeit. Es hat den Anschein, als wären weite Teile der Gesellschaft endlich bereit, das Ausmaß sexueller Belästigung wahrzunehmen und die durch übergriffiges sexuellen Verhalten ausgelösten individuellen Verletzungen überhaupt ernst zu nehmen.

Ich begrüße diese längst überfällige öffentliche Debatte zu einem altbekannten Problem - zeigt sie doch deutlich: Wir haben in Deutschland noch keine Gleichstellung zwischen Männern und Frauen erreicht. Wir alle - Politik und Gesellschaft - sind weiterhin gefordert, sich für Geschlechtergerechtigkeit stark zu machen. Ich unterstütze daher den Aufruf des Deutschen Frauenrates „Das Recht, NEIN zu sagen“.

Wichtig ist mir folgende Aussage: „„Herrenwitze“, „Schlüpfrigkeiten“, körperliche Anmache sind keine „Kavaliersdelikte“ und keine „harmlosen Flirts“. Sie sind Grenzüberschreitung, (Amts-)Missbrauch, Gewalt. Das müssen wir immer wieder klar und deutlich sagen. Es kann nicht sein, dass sich betroffene Frauen dafür schämen, sich wegen „Prüderie“ oder „Spielverderberei“ verteidigen müssen, während sich „tolle Hechte“ in ihrer Herablassung dem anderen Geschlecht gegenüber bestätigt fühlen.
Frauen müssen sich ermächtigt fühlen, NEIN gegenüber solchen Übergriffen zu sagen, ohne um ihren Arbeitsplatz oder sonstige Positionen bangen zu müssen. Ein entsprechend gesellschaftlicher Konsens darüber, wo die Grenzen verlaufen, ist dafür unbedingt vonnöten. Steht zu hoffen, dass die aktuelle Sexismusdebatte uns in dieser Richtung etwas weiter bringt.“

Gefreut hat mich, dass Frank-Walter Steinmeier, Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, in der letzten Fraktionssitzung am 29. Januar ankündigte, dass auch wir eine Fachtagung zu diesem gesellschaftlich relevantem Thema durchführen werden. Das nenne ich politische Offensive auf dem Weg zu einer geschlechtergerechten Gesellschaft.

Sexismus ist eine Demonstration von Macht
Sexuelle Belästigung, sexualisierte Gewalt ist die Demonstration von Macht. Sie ist niemals eine Frage der „Schuld“ von Seiten des Opfers. Sexuelle Belästigung wird zumeist eingesetzt, um ein Ungleichgewicht der Geschlechter deutlich zu machen. Dieses Ungleichgewicht widerspricht einem respektvollen Umgang zwischen den Geschlechtern. Sexuelle Belästigung ist Zeichen für eine noch nicht gleichgestellte Gesellschaft. Sexuelle Belästigung, Sexismus gibt es in allen Gruppen.

Obszöne Witze, sexuelle Anspielungen, bedrängende körperliche Nähe, anfassen gegen den eigenen Willen - all das ist sexuelle Belästigung. Laut einem Bericht der Internationalen Arbeitsorganisation kennt jede zweite Frau unerwünschtes sexuelles Verhalten am Arbeitsplatz. Einige Frauen können in der Situation selbst Grenzen setzen, sich gegen diese Erniedrigungen wehren. Andere fühlen sich in ihrer Würde verletzt und ohn-mächtig.

Sexuelle Belästigung ist gesetzlich verboten
Das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbietet sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ausdrücklich. Opfer sexueller Belästigung sind zumeist Frauen, aber nicht nur. Selbstverständlich schützt das AGG Frauen und Männer gleichermaßen. Konkret verboten sind „unerwünschte sexuelle Handlungen“, „die Aufforderung zu unerwünschten sexuellen Handlungen“, „sexuell bestimmte körperliche Berührungen“, „Bemerkungen sexuellen Inhalts“, „unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen“.

Jeder Arbeitgeber ist gesetzlich verpflichtet, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über ihre Rechte bei Diskriminierung aufzuklären und ebenso: Er hat die Pflicht, (betroffene) Beschäftigte umfassend vor Belästigungen zu schützen. Er muss den Vorfall ernst nehmen und zwar unabhängig davon, ob es bei den Tätern um Kollegen, Kunden oder Vorgesetzte handelt, er darf ihn nicht verharmlosen. Welche Maßnahmen er für angemessen hält, liegt in seinem Ermessen. Von sexueller Belästigung Betroffene können auch Anzeige erstatten und die Vorfälle strafrechtlich untersuchen und ahnden lassen.

Sich wehren gegen sexuelle Belästigung
Sexuelle Belästigung ist auch von den Betroffenen selbst ernst zu nehmen. Es bedeutet auch, sich selbst ernst zu nehmen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, auf sexuelle Belästigung im Unternehmen zu reagieren:

  • Über die Erfahrungen reden, sich Hilfe beim Betriebsrat holen oder bei anderen Beschwerdestellen melden.
  • Den Arbeitgeber informieren, da er ja die Pflicht hat, Mitarbeiter*innen vor sexueller Belästigung zu schützen.
  • Der Person, die die sexuelle Belästigung vornimmt, deutlich machen, dass dieses Verhalten unerwünscht ist. Sollte er nicht reagieren, sind Konsequenzen anzukündigen.
  • Ansprechpartnerinnen sind auch die Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten in den Unternehmen oder in den Kommunen.