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Ohne Erinnerung keine Zukunft

Kolumne von Mechthild Rawert im Tempelhofer Journal, Ausgabe Januar/Februar 2013

Berlin war in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts für seine Modernität, Vielfalt und Toleranz weltberühmt. Damit hat die Machtübertragung an die Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 Schluss gemacht. Das Leben in der modernen Weltstadt änderte sich. Die menschenverachtende Ideologie der Nazis zeigte sich schnell im gesamten sozialen und  gesellschaftlichen Leben, zog ein ins Arbeitsleben, in Sport, Theater und Film, prägte den Alltag der Menschen.

Die zarte Pflanze der Demokratie konnte 1933 nicht weiter wachsen. Sie wurde ebenso zerstört wie die Berlin auszeichnende Modernität, Vielfalt und Toleranz. Der 80. Jahrestag der Machtübertragung ist daher Anlass für ein Jahr des Gedenkens, der Mahnung und aktiven Auseinandersetzung. Nur wer versteht, wie der Prozess der Ausgrenzung verlief, wer nachempfindet, wie viel Berlin durch die zerstörte Vielfalt verloren hat und bis heute vermisst, erkennt den Wert von demokratischen Rechten, von Demokratie.

Zerstörte Vielfalt - Berlin in der Zeit des Nationalsozialismus
So heißt das Berliner Themenjahr 2013. „Zerstörte Vielfalt“ wird als Portalausstellung im Deutschen Historischen Museum gezeigt. Auch im Stadtbild wird das Themenjahr erkennbar sein: An ausgewählten Orten wie dem Kurfürstendamm, dem Brandenburger Tor oder am Anhalter Bahnhof wird die Prägung Berlins durch den Nationalsozialismus beleuchtet. Viele namhafte Berliner Museen und Gedenkstätten beteiligen sich und widmen sich der Auseinandersetzung mit der dumpfen Zerstörung der Vielfalt.

Ich freue mich besonders, dass sich viele Vereine und Initiativen mit Ausstellungen, temporären Kunstprojekten, Theateraufführungen, Lesungen, Filmprojekten oder Hörführungen der Geschichte Berlins im Nationalsozialismus widmen. Jedes dieser Projekte steht exemplarisch für einen Aspekt nationalsozialistischer Verfolgung und ist auch mit einem eigenen Beitrag in der Ausstellung zu sehen.

Modernität, Vielfalt und Toleranz

Wir Berlinerinnen und Berliner wollen friedlich miteinander in unserer Stadt leben. Dies wird uns nur in einer durch Vielfalt gekennzeichneten Gesellschaft nur, wenn wir Toleranz und Demokratie leben. „Leben und leben lassen“ lautet zu Recht eine Berliner Devise. Unser Wunsch so zu leben, wie jede und jeder es will, wie es uns gefällt, gilt selbstverständlich für alle. Toleranz ist keine Einbahnstraße.  

Ich wünsche mir für 2013, dass viele Berlinerinnen und Berliner die Veranstaltungen zum Themenjahr „Zerstörte Vielfalt“ besuchen. Ich wünsche mir unser aller Erkenntnis und Einsicht: Vielfalt und Toleranz sind elementare Bausteine unserer Demokratie. Vielfalt und Toleranz sind demokratische Werte von elementarer Bedeutung für unser friedvolles Zusammenleben. Ich wünsche mir, dass bei allen die Erkenntnis reift, dass Hass und Intoleranz in Berlin nichts verloren haben. Und ich wünsche mir, dass wir Berlinerinnen und Berliner denjenigen, die Hass und Intoleranz verbreiten, jetzt und in Zukunft eine klare Absage erteilen.