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Konsequenzen aus Armuts- und Reichtumsbericht ziehen

Die Bundesregierung ist seit den Bundestagsbeschlüssen vom Januar 2000 und Oktober 2001 verpflichtet, jeweils zur Mitte der Legislaturperiode einen Armuts- und Reichtumsbericht vorzulegen. Diese Berichterstattung muss die Ursachen von Armut und Reichtum darlegen. Sie ist Voraussetzung, um gesellschaftlichen Wohlstand gerecht zu verteilen und damit Armut zu beseitigen.

Umfassender SPD-Antrag zum 4. ARB
Zum 4. Armuts- und Reichtumsbericht hat die SPD-Fraktion ihren umfangreichen Antrag „Die notwendigen politischen Konsequenzen aus der Armuts- und Reichtumsberichterstattung ziehen“ (Drs. 17/13102) in den Bundestag eingebracht. Dieser wurde am 26. April im Plenum diskutiert. In ihrem Antrag fordert die SPD-Fraktion die Bundesregierung auf, bei künftigen Armuts- und Reichtumsberichten einen BeraterInnenkreis einzubinden, Indikatoren zu verbessern und die Berichterstattung auszuweiten. Als Antwort auf den 4. Armuts- und Reichtumsbericht, die Kommentierung durch den Beraterkreis sowie die Ergebnisse seiner öffentlichen Diskussion soll die Bundesregierung geeignete politische Instrumente zur Vermeidung und Beseitigung von Armut, zur Stärkung der Eigenverantwortlichkeit sowie zur Verminderung von Polarisierungen zwischen Arm und Reich vorlegen. Die SPD-Fraktion nennt einen umfangreichen Forderungskatalog aus den Bereichen Arbeitsmarkt, Steuerpolitik, Sozial- und Gesundheitspolitik sowie Bildung, der miteinzubeziehen sei.

Schwarz-Gelb „verhübscht“ unangenehme Sachverhalte
Der Bericht, den die schwarz-gelbe Bundesregierung zu verantworten hat, enthält methodische und politische Defizite. So war der Bundesregierung eine geschönte Präsentation der sozialen Verhältnisse wichtiger als mit einer nüchternen Analyse, die notwendigen Voraussetzungen und zielgenauen Handlungsoptionen für ein Umsteuern in der Verteilungsfrage hin zu einem gerechteren und sozialen Ausgleich vorzulegen. Die Bundesregierung hatte die Zusammenarbeit mit dem Beraterkreis zum Armuts- und Reichtumsbericht auf ein absolutes Minimum beschränkt. Den Termin für die eigene Beschlussfassung hatte Schwarz-Gelb monatelang verschoben, ohne die Kritik und Verbesserungsvorschläge von Sozialverbänden und Gewerkschaften zu integrieren. Im Ergebnis sind die verwendeten Indikatoren daher nicht ausreichend für eine sachgerechte Berichterstattung. Der 4. Armuts- und Reichtumsbericht ignoriert darüber hinaus die Ursachen der gesellschaftlichen Spaltung.

Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander
Obwohl sich die Bundesregierung bemüht hat, die realen Verhältnisse zu verschleiern, ist anhand der Daten u. a. Folgendes abzulesen: Seit dem 3. Armuts- und Reichtumsbericht von 2008 ist die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinander gegangen. Trotz guter konjunktureller Entwicklung hat das Armutsrisiko weiter zugenommen und liegt mit 15,1 Prozent auf dem höchsten Stand seit der Wiedervereinigung. Kinder sind mit 18,9 Prozent stärker von Armut bedroht als die Gesamtbevölkerung. Unsichere, schlecht bezahlte Arbeitsverhältnisse produzieren Armut und künftige Armutsrenten. Der Hinweis im ursprünglichen Bericht auf die positiven Folgen bestehender branchenbezogener Mindestlöhne wurde gestrichen.

Wachsender Reichtum für wenige und wachsende Armut für viele
Wachsender extremer Einkommensarmut stehen extrem steigende Spitzeneinkommen gegenüber. Die abnehmende Verteilungswirkung von Steuern und Sozialtransfers schmälert den sozialen Ausgleich und benachteiligt die weniger begüterten Bürgerinnen und Bürger immer stärker. Diese Entwicklungen haben zu einem großen Vermögensreichtum einer sehr kleinen und echten Reichtumselite und zu einer dauerhaften Unterschicht, in der sich Armut immer mehr verfestigt, geführt. Dies destabilisiert auch die Mittelschicht, bei der häufiger Übergänge nach untern als oben stattfinden. Die Wohlfahrtszuwächse der letzten 20 Jahre sind in der Breite der Bevölkerung nicht angekommen. In dem gleichen Zeitraum ist das Nettovermögen des Staates um 800 Milliarden Euro geschrumpft. Dies führte zu einer Einschränkung der Handlungsfähigkeit des Staates auf allen Ebenen und seiner Aufgabe für sozialen Ausgleich zu sorgen.

Bundesregierung zieht falsche Konsequenzen
Außerdem geht der Bericht nur mangelhaft darauf ein, dass Frauen stärker von diesen negativen Entwicklungen betroffen sind als Männer. Diese Negativentwicklung belastet auch die Kinder. Zudem zieht die Bunderegierung die falschen Konsequenzen aus den Feststellungen des Berichts, dass die Frauenerwerbsquote zur Bekämpfung von Armut erhöht werden muss und dass die niedrigen Einkünfte von Frauen ein Armutsrisiko sind: die Ausweitung der Minijobs von 400 Euro auf 450 Euro, die Ablehnung eines gesetzlichen, flächendeckenden Mindestlohns und der gesetzlichen Regelungen für gleiche Löhne bei gleicher Arbeit (Entgeltgleichheit), die Einführung eines Betreuungsgeldes sowie die Ablehnung einer Frauenquote für Frauen in Führungspositionen.

Verteilungsgerechtigkeit gibt es nur mit sozial gerechter Steuerpolitik
Die SPD-Fraktion kommt zu der Schlussfolgerung, dass mehr Verteilungsgerechtigkeit nur möglich ist, wenn über die Progression in der Einkommenssteuer hinaus der immense private Reichtum für die nachhaltige Finanzierung herangezogen wird. Die Bundesregierung will jedoch nur prüfen, wie „freiwilliges Engagement“ von Vermögenden „für das Gemeinwohl eingeworben werden kann“. Doch mit Spenden, heißt es im SPD-Antrag, ist kein Staat zu machen. Er finanziert sich über Steuern. Der Verzicht auf eine gerechte Steuerpolitik ist eine politische Bankrotterklärung, wodurch der private Reichtum weiterhin privilegiert wird.