Peer Steinbrück: Regenbogenfahne weht vor dem Willy-Brandt-Haus
„Die SPD setzt sich nicht erst mit ihrem Regierungsprogramm für die völlige Gleichstellung von Homosexuellen und deren Lebenspartnerschaften ein“, betonte SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück beim Hissen der Regenbogenfahne vor dem Willy-Brandt-Haus am Vortag des Christopher Street Days (CSD). Peer Steinbrück, gerade eben erst aus Hochwassergebieten in Sachsen-Anhalt zurückgekehrt, weiter: „Natürlich haben wir in den letzten Jahren viel erreicht, aber nicht so viel, dass wir die Hände in den Schoss legen könnten“. Deutschland befindet sich mit der schwarz-gelben Bundesregierung in einer Biedermeieridylle der 50er Jahre, in der nur eine bestimmte bürgerliche Schicht festlege, was erlaubt ist. „Dagegen wollen wir angehen. Die Menschen sind mit ihrer Einstellung schon deutlich weiter als diese Bundesregierung. Im 21. Jahrhundert gibt es vielfältige Lebens- und Familienentwürfe, nicht nur das klassische Familienbild der CDU/CSU“.
100 Prozent echte Gleichstellung gibt es nur mit der SPD
Bereits sechsmal ist Schwarz-Gelb vom Bundesverfassungsgericht auf sein verfassungswidriges Verhalten in Punkto Gleichstellungspolitik verwarnt worden. „Die Arbeit dieser Bundesregierung besteht nur darin, das Bundesverfassungsgericht die ganze Politik machen zu lassen. So wie die Bundesregierung gerade eine Niederlage bei der steuerlichen Gleichbehandlung eingetragener Lebenspartnerschaften einstecken musste, so werden sie in wenigen Wochen auch wieder eine Niederlage in Karlsruhe einstecken, wenn es um das Adoptionsrecht geht“, prognostizierte der Kanzlerkandidat. Derzeit macht das Bundesverfassungsgericht die Gleichstellungspolitik in Deutschland. Dieser Zustand muss beendet werden. „Dafür ist der 22. September 2013 das perfekte Datum. 100 Prozent echte Gleichstellung gibt es nur mit der SPD und nicht mit dieser Regierung!“
Kranzniederlegung am Mahnmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen
Am Berliner Christopher Street Day, dem 22. Juni 2013, ehrten der Berliner CSD e.V., die Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas und der Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg mit einer Gedenkstunde am Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen. Zusammen mit den Schwusos Berlin legte ich einen Kranz zum Gedenken an die Opfer des Faschismus nieder.
Als Hauptrednerin erinnerte Christine Lüders, Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, an die Verfolgung und Ermordung homosexuellen Männern im Nationalsozialismus. Sie erinnerte an die Verschärfung des § 175 im Strafgesetzbuch durch die Nationalsozialisten. Nach 1945 bestand dieser verschärfte § 175 fort und über 50.000 homosexuelle Männer wurden nicht nur diskriminiert sondern sogar strafrechtlich verurteilt. Für diese Männer ist eine Entschuldigung zu wenig. Noch in dieser oder der nächsten Legislaturperiode muss eine Rehabilitation und Wiedergutmachung erfolgen. Mahnung und die Forderung an uns: Es ist unsere historische Verantwortung, Lesben, Schwule und Trans*Menschen vor Diskriminierung, Gewalt und Verfolgung zu schützen.
Die Bundesratsinitiative des Landes Berlin zur Ergänzung des Gleichheitsartikels des Grundgesetzes um das Merkmal sexuelle Identität wurde von Lüders unterstützt. Bislang fehlt unserer Verfassung ein klares Bekenntnis zu den Rechten von Lesben und Schwulen. Eine Verankerung der sexuellen Identität im Artikel 3 Absatz 3 GG würde eine klare Maßgabe und Verpflichtung schaffen, um die Diskriminierung gegenüber Lesben und Schwulen sowie Trans*Personen in allen gesellschaftlichen Bereichen abzubauen. Das wäre ein klares Signal: Diskriminierung von Lesben und Schwulen ist ebenso abzulehnen wie Rassismus und die Diskriminierung von Frauen und von Menschen mit Behinderungen. Europäische Gerichte haben jegliche Ungleichbehandlung schon für rechtswidrig erklärt. Auch das Bundesverfassungsgericht hat es bereits mehrfach auf den Punkt gebracht: Es gibt keine Begründung mehr für die Ungleichbehandlung von Lebenspartnerschaft und Ehe.
Mir hat die Rede sehr gut gefallen: Gedenken und Mahnen muss Folgen für das Heute und das Morgen haben. Ich teile den Wunsch von Christine Lüders: Deutschland soll ein Land werden, in dem Diskriminierung keinen Platz mehr hat. Wir brauchen eine Kultur der Akzeptanz und der Nichtdiskriminierung! Wir wollen nicht länger erlauben, Menschen aufgrund ihrer sexuellen Identität, ihres Geschlechts, ethnischer Herkunft, Alter, Religion oder einer Behinderung auszugrenzen. Wir wollen Vielfalt.
„Schluss mit Sonntagsreden! Demonstrieren - wählen - verändern!"
Der 35. Christopher Street Day Berlin 2013 war hochpolitisch: Unter dem Motto "Schluss mit Sonntagsreden! Demonstrieren - wählen - verändern!" traten Zehntausende für die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und Intersexuellen ein. Zu den CSD-Forderungen gehören die Öffnung der Ehe für alle, die rechtliche Gleichstellung von Regenbogenfamilien, das Adoptionsrecht auch für Eingetragene Lebenspartnerschaften aber auch der Protest gegen diskriminierende Handlungen in Russland. Die CDU durfte diesmal wegen ihrer ablehnenden Haltung bei der Gleichstellung von Schwulen und Lesben nicht mit einem eigenen Wagen mitfahren. Allerdings war die LSU, die Untergruppe der Schwulen und Lesben in der Union, mit einem Wagen dabei.
Viele Plakate und Schriftzüge auf den Trucks machten die Forderungen deutlich: Der CSD wurde zum regelrechten Hochzeitsmarsch. Der Protest gegen Homophobie in Russland, wo derzeit brutale Ausschreitungen gegen Schwule auf der Grundlage des kürzlich in der Duma verabschiedeten Gesetzentwurfes gegen "Homosexuellen-Propaganda" stattfinden, symbolisiert sich in Plakaten von Vladimir Putin mit Rouge und Lidschatten in Pink. Auf seiner Stirn steht: "Ich bin hier die Diva". Dieses Jahr verlief die Demonstrations-Route vom Cafe Kranzler, Kurfürstendamm, über Wittenbergplatz, Nollendorfplatz, Lützowplatz bis hin zum Brandenburger Tor.
„Schluss mit Sonntagsreden! Schwarz-Gelb blockiert, WIR handeln.“
„Schluss mit Sonntagsreden! Schwarz-Gelb blockiert, WIR handeln.“ - so das häufig genutzte Motto der SPD bei vielen Veranstaltungen dieses CSD-Sommers. Die SPD war mit der Wagennummer 3 von gut 50 Wagen ganz vorne dabei. Die Stimmung auf dem Wagen ebenso ausgelassen, wild und bunt wie bei den Zehntausenden von Schaulustigen am Straßenrand. Und auch Klaus Wowereit, Dilek Kolat, Johannes Kahrs mischten sich unter den vielen Mitfahrenden auf dem Wagen.
Der CSD steht weltweit für das Selbstbewusstsein Homosexueller und ihren Widerstand gegen Diskriminierung. Der Tag erinnert an Vorfälle um den 28. Juni 1969 in New York. Nach einer Polizeirazzia in einer Bar kam es zum Aufstand von Schwulen und Lesben mit Straßenschlachten in der Christopher Street. In vielen Städten Deutschlands wird jährlich im Juni, Juli und August mit bunten Paraden und Straßenfesten erinnert und für Gleichstellung demonstriert.
Foto: Jörg Steinert