Hauptmenü

Achtes Wohnzimmer-Gespräch: „Ohne Gesundheit ist alles nichts!"

Prof. Dr. Raimund Geene, Inhaber eines Lehrstuhls für Kindergesundheit, und Christoph Götz, Architekt, „riefen“ und schon traf sich am 6. August 2013 bei strahlendem Sonnenschein geballte Gesundheitskompetenz in einem Tempelhofer Garten. Für mich war es nun das achte „Wohnzimmer-Gespräch“ und ich danke allen sehr für eine anregende Diskussion.

Schwarz-Gelb verschläft notwendige Reformen
Der Gesundheitspolitik dieser 17. Legislaturperiode wurde ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. Weder in der Gesundheits- noch in der Pflegepolitik sind ausreichende Weichenstellungen vorgenommen worden, um den Herausforderungen des demografischen Wandel sowohl hinsichtlich der PatientInnenversorgung als auch der Sicherstellung mit Fachkräften gerecht zu werden.


Unüberhörbar der Ruf nach einem umfassenden Präventionsgesetz, welches dem Anspruch der Prävention als 4. Säule der gesundheitlichen (und sozialen) Versorgung tatsächlich gerecht wird. Unüberhörbar auch der Frust über die schwarz-gelben Verhinderungsstrategien. Kritisiert wird: Schwarz-Gelb wolle nicht krankmachende Verhältnisse ändern sondern „wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist“, lieber Rezepte ausschreiben lassen - so ändere sich aber für die Bevölkerung nichts Gravierendes, nur ein Berufsstand habe Gewinn davon. Das sei Klientelpolitik. Das sei keine Politik zur umfassenden Stärkung des Handlungsfelds Prävention und Gesundheitsförderung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Den Schaden hätte die Bevölkerung.


Verschlafen worden sei eine zukunftsorientierte Zusammenarbeit der Professionen im Gesundheitswesen. Die Bild der hierarchischen Orientierung auf den Arztberuf im Gesundheitswesen verhindere eine Stärkung der übrigen Heil- und Gesundheitsberufe und gefährde damit die flächendeckende Versorgung auch in ländlichen und städtischen strukturschwachen Gebieten. Es sei ein Skandal, dass es noch immer keine Modellprojekte nach der "Heilkundeübertragungsrichtlinie" gebe. Substitution oder Delegation - das ist die Frage. Dieser Zustand führe dazu, dass eine Kooperation verschiedener Gesundheitsberufe „auf Augenhöhe“ zum Wohle der PatientInnen verhindert und nichtärztliche Fachberufe, insbesondere Pflegefachkräfte im stationären und ambulanten Bereich, verstärkt in einer rechtlichen Grauzone tätig sein würden.


Beklagt wird die mangelhafte Kooperationsbereitschaft des Bundesgesundheitsministeriums hinsichtlich der Erstellung eines „Aktionsplan für eine nationale Strategie gegen Virushepatitis in Deutschland“. „Noch nicht einmal ein Kontakt ist zustande gekommen.“ Damit würden Chancen für Prävention und Therapie zu Lasten von mehr als einer Million Menschen in Deutschland verspielt.


SPD will mehr Geld für Pflegekräfte

Begrüßt wird, dass sich in der SPD Kanzlerkandidat Peer Steinbrück auch selber um die Pflege und die Pflegeversicherung kümmert. Dies sei gerade gestern noch einmal beim Treffen mit Frank Bsirske, dem Vorsitzenden der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, deutlich geworden. Konkrete Forderungen von Peer Steinbrück sind u.a.
-    Bessere Betreuung für an Demenz Erkrankte
-    Kostenlos Ausbildung der künftigen Pflegekräfte – Abschaffung des Schulgeldes
-    Bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne


Auch in dieser Runde erhob sich kein Widerspruch zur von der SPD gewollten Beitragserhöhung zur Pflegeversicherung um 0,5 Prozentpunkte (derzeit 2,05 Prozent vom Bruttolohn, für Kinderlose 2,3 Prozent). Dadurch würden etwa sechs Milliarden Euro im Jahr zusätzlich ins System fließen, die auch benötigt würden für eine Pflege in Würde.
Die schwarz-gelben Regierungsjahre seien für die Pflegepolitik „ein Flop“ und enttäuschten sowohl die Pflegebedürftigen, die pflegenden Angehörigen als auch die Pflegefachkräfte. Stark kritisiert wird die Nichtumsetzung des sogar in der schwarz-gelben Koalitionsvereinbarung vereinbarten Pflegeberufegesetzes und die Schaffung von Rahmenbedingungen für „gute Arbeit“ in der stationären und ambulanten Pflege. Befürchtet wird, dass sich zu wenige junge Menschen deshalb nicht für diesen zukunftssicheren Beruf entscheiden, was zu Versorgungsengpässen führen werde. Der bereits heute deutlich werdende Fachkräftemangel erfordert auch Änderungen im Berufsbildungssystem. Auch im Gesundheitsbereich müsse verstärkt auf Durchlässigkeit der Berufe geachtet werden, müssten auch im Berufsbildungssystem Änderungen erfolgen. Wir SozialdemokratInnen wollen eine gesellschaftliche Aufwertung dieser Berufe, wollen bessere Löhne - „Geld schändet den weiblichen Charakter nicht!“ – wollen Personalmindeststandards.


Bürgerversicherung verhindert Zweiklassenmedizin

Das SPD-Modell der solidarischen Bürgerversicherung ist ein Garant sowohl für eine gerechte Finanzierung des Gesundheitswesens als auch für eine gerechte Versorgungsstruktur für alle Bürgerinnen und Bürger - darüber herrschte Einigkeit: Nur so sei zu gewährleisten, dass die vielfach erlebte Zweiklassenmedizin zwischen GKV- und PKV-Versicherten, zwischen ländlichen und städtischen Regionen, aber auch zwischen Stadtteilen wie Schöneberg Nord und Grunewald gestoppt werde. GKV-Versicherte erleben, dass sie „nachrangig“ einen Termin bei den FachärztInnen bekommen, PKV-Versicherte erleben häufig eine Überversorgung bei Diagnostik und Therapie - beides diene nicht dem PatientInnenwohl. Wieder stabilisiert werden muss das Vertrauen der Patientinnen und Patienten, dass die Krankheit und nicht die Versicherungskarte über die Versorgung entscheidet.


Wir SozialdemokratInnen wollen eine tatsächliche paritätische Beitragsfinanzierung zwischen Arbeitgebern und ArbeitnehmerInnen, wollen eine Honorarangleichung für Leistungen im stationären und ambulanten Sektor. Wenn die Leistungen gleich honoriert werden, gibt es keinen Grund für eine ungleiche Behandlung, weder bei der Wartezeit noch bei der Therapie.


Die Bürgerversicherung ist keine „Einheitskasse“. Vielmehr bedeutet Bürgerversicherung gleiche Spielregeln für die existierenden Krankenversicherungen und privaten Versicherungsunternehmen. Zwischen diesen können Bürgerinnen und Bürger nach wie vor wählen. Augenblicklich Privatversicherte können sich nach der Einführung der Bürgerversicherung innerhalb eines Jahres entscheiden, ob sie bei ihrem privaten Versicherungsunternehmen bleiben oder in die Bürgerversicherung eintreten. Neuversicherte treten sofort in die Bürgerversicherung ein.


Gerne habe ich aus der Diskussion auch „Arbeitsaufträge“ mitgenommen, so unter anderem die Klage eines Privatversicherten über Nichteinhaltung des vertraglich zugesicherten Leistungskataloges bei Verdacht auf Abrechnungsbetrug.


Raimund Geene und Christoph Götz danke ich für die Einladung in ihren Garten, allen Anwesenden für die gute und konstruktive Diskussion.