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Hauptsache Arbeit?

Im Mittelpunkt der Berliner Konferenz „Hauptsache Arbeit? Perspektiven für eine menschenwürdige Arbeitswelt“ stand das seit geraumer Zeit für die Arbeits- und Sozialpolitik wahrgenommene Leitbild „Besser irgendeine Arbeit als keine!“. Doch kann das so stimmen? Ist der Mensch nur ein „homo oeconomicus“, der mit Arbeit ausschließlich den Erhalt von Lohn bzw. mehr Einkommen verbindet? Martin Luther sagt: „Der Mensch ist zur Arbeit geboren wie der Vogel zum Fliegen“. Nach christlichem Verständnis ist menschliche Arbeit Teilhabe am Schöpferwerk.

Die Konferenz „Hauptsache Arbeit?“ 12. April 2014 wurde organisiert vom Arbeitskreis Arbeit - Teilhabe - Gerechtigkeit in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO). Gleichzeitig fand draußen vor dem evangelischen Campus Daniel eine Aktion statt, bei der auf Kreuzen der sogenannten Opfer der Agenda 2010 gedacht werden sollte. Die Idee dieses Campus lautet: Bildung für alle - Lebenslanges Lernen und Bildung als Schlüssel zur Teilhabe an unserer Gesellschaft. Die Veranstaltung fand hier ihren passenden Ort, denn es ging um Teilhabe, um Sinn, um Gerechtigkeit und Solidarität.

Wie kann ein neues Konzept für menschenwürdige Arbeit aussehen? Wie kann „Gute Arbeit“, die nicht nur auskömmlich ist sondern zugleich auch die Weiterentwicklung der eigenen Fähigkeiten und die Partizipation an der Gestaltung der eigenen Arbeitsbedingungen und der betrieblichen Abläufe erlaubt, aussehen?

Darüber diskutierten VertreterInnen von Kirchen, Arbeits- und Sozialverbänden sowie Gewerkschaften und Arbeitgeberorganisation. Nach den Impulsreferaten von prominenten VertreterInnen von Gewerkschaften, Kirchen und Wohlfahrtsverbänden entwickelten die TeilnehmerInnen In Workshops Konzepte, wie in Zukunft sinnvolle, gut bezahlte Beschäftigung aussehen kann.

Nikolaus Schneider, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD),  reflektierte in seinem biblischen Impuls zum Veranstaltungsthema: „Arbeit, die sinnerfüllende Beziehungen stiftet oder in sinnerfüllenden Beziehungen erlebt wird, stärkt das Selbstwertgefühl und die Identität eines Menschen. Sie trägt wesentlich bei zum Lebensglück eines Menschen. Aber es gibt auch die andere biblische Einsicht: Arbeiten kann Fluch und Strafe, kann eine tiefgreifende Bedrohung für ein erfülltes und gelingendes menschliches Leben sein. Gerade damit uns immer neue Kräfte zuwachsen, Perspektiven für eine menschenwürdige Arbeitswelt zu entwickeln und umzusetzen, kann und darf „Hauptsache Arbeit!“ nicht das Motto unseres Lebens sein.“

Annelie Buntenbach, Mitglied des Geschäftsführenden Bundesvorstands des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) betonte: „Arbeit hat eine Würde. Es muss ein faires Geben und Nehmen sein, zwischen der Arbeitsleistung und dem Lohn, von dem man leben können muss. Heute haben wir in Deutschland den größten Niedriglohnbereich in ganz Europa, 24 Prozent der Menschen, das sind knapp acht Millionen, müssen in diesem Sektor arbeiten. Ich bin froh, dass der Mindestlohn jetzt auf dem Weg ins Gesetzblatt ist und, dass der Gesetzentwurf auf dem Tisch liegt. Aber: Mindestlohn heißt Mindestlohn, weil ihn jeder mindestens bekommt. Das muss auch für Jugendliche, Langzeitarbeitslose, für Inländer und Ausländer, die vorübergehend in Deutschland arbeiten, gelten.“

Martin Matz, Vorstandsmitglied des Diakonischen Werkes Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz e.V. (DWBO) betonte erfreulicherweise den Wert der Pflege: „Es ist immer noch so, dass jemand anerkannter ist und besser bezahlt wird, der an einem Auto herumschraubt, als jemand, der alte Menschen pflegt. Das ist das Skandalöse in dieser Debatte. Wir brauchen allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge im sozialen und pflegerischen Bereich, die als Mindestarbeitsbedingungen auch in Kirche und Diakonie umgesetzt werden, damit die privaten Anbieter beispielsweise in der Pflege uns nicht länger im Lohn unterbieten können. Um dem Fachkräftemangel entgegen zu wirken, braucht es neben der besseren Bezahlung auch bessere Arbeitsbedingungen, damit diejenigen, die diese wichtige Arbeit leisten, das auch lange tun. Zurzeit ist die Verweildauer in diesen Berufen viel zu gering“. Er will eine gesellschaftliche Debatte, die dazu führt, dass auch oberhalb des Mindestlohnes verbindliche Regeln für „Gute Arbeit“ gelten.

Stressreport Deutschland 2012: Damit Arbeit nicht krank macht...
Mein Workshop hatte den Titel „Stressreport Deutschland 2012: Damit Arbeit nicht krank macht...“. Bei der Vorstellung der Teilnehmenden wurde deutlich: Als ungut erlebter Stress findet sich überall, am Arbeitsplatz, im Ehrenamt, bei der Vereinbarkeit von Beruf, Engagement und Kinder/Pflege, in der Arbeitsorganisation, in einer als sinnentlehrt erlebten Arbeit, und und und. Andrea Lohmann-Haislah, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, referierte über die psychischen Anforderungen in der Arbeitswelt und was Stress eigentlich ist. Bundesweite Ergebnisse sind festgehalten im „Stressreport Deutschland 2012“. Die Diskussion beleuchtete, was getan werden kann, um gute Arbeitsbedingungen zu schaffen.