Am 13. Mai 2014 war ich mit dem Sommerfrühstück „Auf ein Wort, Frau Rawert zum Thema Migration & Vielfalt“ für und mit VertreterInnen von Migrantenselbstorganisationen Gast im Interkulturellen Haus in Berlin-Schöneberg. Überschattet war unser Treffen jedoch von einem Einbruch und Vandalismus im Interkulturellem Haus zwei Tage zuvor. Erbeutet haben die Einbrecher nichts, aber sie hinterließen unsinnige Zerstörung. Deswegen mein Appell „Lasst die Finger von unserem Interkulturellem Haus!“.
Im Interkulturellen Haus in der Geßlerstraße 11 sind zahlreiche Vereine und Initiativen aktiv. Hier trifft sich regelmäßig T-SAGIF: Tempelhof-Schöneberger Arbeitsgemeinschaft der Immigranten- und Flüchtlingsprojekte. Die Gastgeberin Tamara Siebenmorgen-Koch vom Verein „Ausländer Mit Uns e.V.“ berichtete über die vielen Aktivitäten im Interkulturellen Haus. Dieses dient den zahlreichen Vereinen als Informations-, Tagungs- und Ausstellungsstandort.
Gelebte Vielfalt in Tempelhof-Schöneberg
Meine Frühstücks-Reihe dient sowohl dem Austausch untereinander, als auch dazu, mir Anregungen für meine Arbeit im Deutschen Bundestag mitzugeben. Es ist immer wieder spannend zu erleben, welche tollen Projekte, Vereine und Ideen es in Tempelhof-Schöneberg gibt. Ich möchte erfahren, was ihnen unter den Nägeln brennt.
So berichtete Larissa Neu, Harmonie e.V., von einem Projekt zu den Stolpersteinen „Halt, hier reden die Steine“, in dem Jugendliche die Geschichte ihrer ehemaligen jüdischen NachbarInnen erforschen. Ebenso interessant das Projekt RADUGA (russisch für Regenbogen), welches Diskriminierungen und Gewalt bezüglich sexueller Vielfalt durch thematische Sensibilisierung der russischsprachigen MigrantInnen aus den GUS-Staaten verhindern will. Durch das Projekt RADUGA hat sich nicht nur Toleranz, sondern vor allem Respekt vor sexueller Vielfalt entwickelt. Ich hatte gern die Schirmfrauschaft für RADUGA übernommen.
Das Nachbarschaftszentrum Steinmetzstraße hat durch seine Unterstützung für bürgerschaftliches Engagement den Kiez in der Steinmetzstraße stabilisiert. Ein wichtiges Signal für den Schöneberger Norden. Der Leiter des Zentrums, Hamad Nasser, erzählte, dass gerade die Väterarbeit ein besonderes Merkmal des Nachbarschaftszentrums darstellt. Auch werden BildungsbotschafterInnen ausgebildet, denn bildungsbetonte Arbeit, Beschäftigung und Qualifikation sind Schwerpunkte des Nachbarschaftszentrum Steinmetzstraße.
Bürgerschaftliches Engagement zeichnet auch die SchülerpatInnen aus. Raphaela Hobbach berichtete von ihrem Projekt und ihren Erfahrungen. Hier betreuen Studierende in einer eins zu eins Kooperation SchülerInnen mit Migrationshintergrund. Dabei kooperieren sie u.a. mit der arabischen Frauengruppe Al-Nadi, als auch mit der türkischen Frauengruppe Kidöb des Nachbarschaftsheimes Schöneberg.
Neu in unserem Bezirk ist das Interkulturelle Frauenzentrum S.U.S.I. im Bayerischen Viertel. Vertreten durch ihre Gesamtkoordinatorin Janina Argilagos steht S.U.S.I. für Solidarisch, Unabhängig, Sozial, International. Das internationale Kommunikations-, Kultur- und Informationszentrum will in- und ausländischen BürgerInnen Berlins Möglichkeiten der Vorbereitung auf eine bessere Integration in den Arbeitsmarkt, Beratung zu sozialen und rechtlichen Fragen sowie ein Tätigkeitsfeld für die Entfaltung ihrer Kreativität bieten. Hier finden traumatisierte Flüchtlinge Beratung und Unterstützung. Neben der Sozial-, Rechts- und Psychologischen Beratung bietet S.U.S.I. Deutschkurse, künstlerische Workshops, Tanz-, Bewegungs- und Gesundheitskurse sowie viele Veranstaltungen rund um Migration und Integration an. Meinen Antrittsbesuch in den wirklich wunderbaren Räumlichkeiten habe ich bereits im April gemacht - es war toll.
Aufklärungskampagne gegen Beschneidung ist nötig
Weibliche Genitalverstümmelung ist auch in Deutschland ein Phänomen, um das wir uns kümmern müssen. Darauf machte Hadja Kaba, eine der Mitbegründerinnen von Mama Afrika e.V aufmerksam. Sie forderte eine Aufklärungskampagne gegen Female Genital Mutilation für Frauen und Mütter, die aus Afrika zugewandert sind. Der Kampf gegen Genitalverstümmelung, gegen FGM, weltweit beschäftigt mich seit Jahren. Anlässlich des Internationalen Tages gegen weibliche Genitalverstümmelung am 2. Februar habe ich das „Desert Flower Center“ im Krankenhaus Waldfriede besucht. Als bisher einziges europäisches Krankenhaus findet hier eine ganzheitliche Behandlung und Betreuung von Opfern der „Female Genital Mutilation“ (FGM) statt. Hier können sich Frauen nach einer medizinischen Indikation einer Wiederherstellungs-Operation unterziehen.
Mehr interkulturelle Kompetenz in der Verwaltung
Mehr interkulturelle Öffnung der Verwaltung mahnte Dirk Heinke vom AWO-Migrationsdienst an. Wir erleben in Berlin die EU-Zuwanderung, aber es mangelt an der „Freizügigkeitskompetenz“ der Verwaltung. So werden Anträge nicht angenommen, wenn die AnstragstellerInnen kein Deutsch können. Oder die Mitwirkungspflichten der AntragsstellerInnen werden unzulässig ausgeweitet, um zu verhindern, dass Anträge bearbeitet werden. So werden Nachweise gefordert, die eigentlich von der Verwaltung selbst über die zuständigen Verbindungsstellen angefordert werden können. So sei es beispielsweise Aufgabe der Verwaltung, die zuständige Verbindungsstellen der Krankenkassen zu kontaktieren. In solchen Situationen leistet die Migrationsberatungsstelle der AWO Unterstützung.
In der Antidiskriminierungsstelle sind viele Fälle von alltäglichen Diskriminierungen bekannt. Sie ist ein wichtige Anlaufpunkt. Jeder Fall sollte gemeldet werden. Bisher liegen gute Erfahrungen mit dem Antidiskriminierungsnetzwerk vor. Oft bewirken Briefe von der Antidiskriminierungsstelle an die jeweiligen Behörden konkrete Hilfe für die Betroffenen.
Konkrete Forderungen an die Politik
Deutschland soll mehr syrische Flüchtlinge aufnehmen, forderte Aziz Said von der Assyirschen Union Berlin e.V. Der Familiennachzug, der Zugang zu Arbeit und Wohnungen für Flüchtlinge muss erleichtert werden. Gefordert werden auch mehr Mittel für Integrationslotsen. Integrationslotsen helfen bei der Integration von zugewanderten Familien, unterstützen sie aktiv im Umgang mit ihrer Umgebung und den öffentlichen Einrichtungen in Deutschland. Auch leisten sie einen wichtigen Beitrag zur Förderung des sozialen Aufstiegs von EinwandererInnen.
Notwendig ist eine Qualifizierungsoffensive für leichte Sprache in der Verwaltung, damit Broschüren und Veröffentlichungen der Verwaltung verständlicher formuliert werden. Das ist ein wichtiger Punkt bei der interkulturellen Öffnung der Verwaltung.
Für mich als stellvertretende Sprecherin der AG Migration und Integration der SPD-Bundestagsfraktion sind das wichtige Impulse für meine Arbeit.
Leider konnten wir SozialdemokratInnen im Bereich Einwanderung, Migration und Integration in den Koalitionsverhandlungen mit der CDU/CSU nur wenig bewegen. Die CDU hat ständig die Rote Karte gezeigt. Gerade beim Thema Doppelte Staatsbürgerschaft schmerzt mich das sehr. In der Flüchtlingspolitik konnten wir einige Fortschritte erreichen. Aber der aktuelle Gesetzentwurf von Bundesinnenminister de Maizière (CDU) macht deutlich, dass wir als SPD sehr wachsam sein müssen, dass die Verbesserungen auch tatsächlich umgesetzt werden. Hier sehe ich eine wichtige Aufgabe für die AG Migration und Integration der SPD-Bundestagsfraktion.
Herzlicher Dank gebührt der Gastgeberin Tamara Siebenmorgen-Koch und meiner Mitarbeiterin Özlem Topuz für die wunderbare Organisation des Frühstücks.