„17 Mal werden wir noch wach, dann haben wir den Mindestlohn“, frohlockte Andrea Nahles in Anspielung auf die Adventszeit. Die Bundesministerin für Arbeit und Soziales war zu Gast bei der „Fraktion vor Ort" Veranstaltung der SPD-Landesgruppe Berlin am 15. Dezember 2014 zum Thema: „Der Mindestlohn kommt!" Das Interesse war riesig. Über 400 Menschen hatten sich für die Veranstaltung angemeldet. Der SPD-Fraktionssaal im Reichstagsgebäude war bis zum letzten Platz gefüllt.
Der Mindestlohn ist ein Meilenstein in der Arbeitsmarkt und Sozialpolitik
Über diese große Resonanz habe ich mich als Sozialdemokratin und Gewerkschafterin sehr gefreut. SPD und Gewerkschaften haben lange gemeinsam für die Einführung des Mindestlohns gekämpft. Andrea Nahles machte gleich am Anfang klar: Vier Millionen Menschen werden ab dem 1. Januar 2015 vom Mindestlohn profitieren. Sie alle werden aufgrund höherer Löhne mehr Einkommen in der Tasche haben. Außerdem: Die Kaufkraft steigt um 9,5 Milliarden Euro. Das entspricht einer Lohnrunde von plus 0,7 Prozent. Der Mindestlohn bringt also nicht nur mehr Einkommen für die Beschäftigten, sondern auch eine Stärkung der Binnennachfrage.
Vor allem Frauen profitieren vom Mindestlohn. Denn zu 65 Prozent der Menschen, die derzeit unterhalb von 8,50 Euro pro Stunde arbeiten, sind weiblich. Aus dem Niedriglohnbereich rauszukommen ist gerade für Frauen besonders deswegen wichtig, da sie immer noch die am meisten „gebrochenen Erwerbsbiografien“ haben. Der Mindestlohn trägt dazu bei, dass die Rente vieler Frauen stabilisiert wird. Für mich als Gleichstellungspolitikerin ein drängendes Anliegen. Wichtig auch: Der Mindestlohn gilt flächendeckend in Ost und West! Auch das ist 25 Jahre nach dem Mauerfall eine wichtige Botschaft.
Einführung des Mindestlohns ist ein historischer Moment
Die Einführung des Mindestlohns ist ein historischer Moment, darauf habe ich auch in meiner Begrüßung und Einführung hingewiesen. Die Abgeordnete Cansel Kiziltepe verwies darauf, dass Deutschland bisher eines der wenigen europäischen Länder ohne Mindestlohn - dafür aber mit einem großen Niedriglohnsektor - ist. Der Mindestlohn wirkt bereits in 21 Ländern der Europäischen Union, erklärte die Abgeordnete für Friedrichshain-Kreuzberg. Wichtig ist auch, dass das Arbeitnehmer-Entsendegesetz ab dem 1. Januar 2015 für alle Branchen gilt.
Mindestlohn-Hotline 030 / 60 28 00 28
Auf die Hotline zum Mindestlohn machte Andrea Nahles gleich zu Anfang ihrer Rede aufmerksam. Hier beantworten 32 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter alle Fragen rund um die Einführung des Mindestlohns. Die Anrufe können auch anonym erfolgen. Ich lade alle - Beschäftigte, Unternehmen, Privathaushalte - herzlich dazu ein, die Hotline zu nutzen, um sich Klarheit über die eigenen Rechte zu verschaffen.
Mindestlohn-Kommission wird berufen
Ab dem 1. Januar 2015 gilt in Deutschland der allgemeine gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro. In welchen Schritten der Mindestlohn künftig angehoben wird, das entscheidet die unabhängige Mindestlohn-Kommission. Die Berufung der Mitglieder der Mindestlohn-Kommission erfolgt noch in dieser Woche durch das Bundeskabinett. Den Vorsitz übernimmt auf gemeinsamen Vorschlag der Spitzenorganisationen von ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen Dr. Henning Voscherau.
Wirksame Kontrolle nötig
Das tatsächliche flächendeckende Durchsetzen des Mindestlohns funktioniert nur mit einer guten Kontrolle. Verhindert werden sollen Wettbewerbsverzerrungen durch Dumpinglöhne auf dem Arbeitsmarkt. Für die Durchsetzung und Kontrolle des Mindestlohns ist der Zoll zuständig. 40.000 ZollbeamtInnen werden gerade im ersten Halbjahr nach der Einführung verstärkt kontrollieren. Zusätzlich werden 1.600 neue Stellen in der Zollverwaltung geschaffen, jeweils 800 für 2015 und 800 für 2016.
Voraussetzung für die wirksame Kontrolle der Einhaltung des Mindestlohns ist die Erfassung der Arbeitszeiten. Deswegen hat am 19. November 2014 das Bundeskabinett zwei neue Verordnungen zur Arbeitszeiterfassung zur Kenntnis genommen, die "Verordnung zur Abwandlung der Pflicht zur Arbeitszeitaufzeichnung" und die "Verordnung über Meldepflichten nach dem Mindestlohngesetz, dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz und dem Arbeitnehmer-Überlassungsgesetz". Diese regeln im Detail die gesetzlichen Pflichten nach dem Mindestlohngesetz. Die Mindestlohnkontrollen der Zollverwaltung werden dadurch effizienter und effektiver. Vorher gab es in einigen Branchen keine entsprechende Dokumentation. Jetzt ist sie Pflicht. Gerade für den Niedriglohnsektor und MinijobberInnen ist das revolutionär, betonte Andrea Nahles.
Stärkung der Tarifautonomie
Mit dem „Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie“, in dem auch der Mindestlohn enthalten ist, ist endlich auch die Möglichkeit geschaffen worden, Tarifverträge leichter für allgemeinverbindlich zu erklären. Das stärkt die Tarifbindung und die Gewerkschaften. Dieses Gesetz war dringend notwendig, denn die Tarifbindung ist in weiten Teilen Deutschland in den letzten Jahren kontinuierlich gesunken. Die bisherige Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen war ein stumpfes Schwert, erklärte Cansel Kiziltepe. Bisher fielen gerade einmal ein Prozent der Beschäftigten unter diese Regelung. Tarifverträge bedeuten zumeist nicht nur höhere Löhne, sondern auch um mehr Urlaubstage, mehr Mitbestimmung und bessere soziale Absicherung.
Viel Lob - aber auch noch viel zu tun
Der Mindestlohn wird von allen TeilnehmerInnen begrüßt. Kritik als auch Fragen gab es zu den einzelnen Übergangsregelungen bis zum 31. Dezember 2016. Gefragt wurde nach der Verhinderung von Scheinselbständigkeit, der Umwandlung von Beschäftigungsverhältnissen in Werkverträge, zur Altersgrenze 18 Jahre oder auch zur Erfassung der Arbeitszeiten von ZeitungszustellerInnen.
„Ja, der Mindestlohn löst nicht alle Probleme des Arbeitsmarktes“, so die Bundesministerin Andrea Nahles. Das Problem der Scheinselbständigkeit ist erkannt. Sie will 2015 eine Lösung finden, die dem Missbrauch hier einen Riegel vorschiebt. Die Tendenz der Ausweitung von Werkverträgen zur Unterlaufung von Mindestlohnregelungen wird im Bundesministerium für Arbeit und Soziales streng beobachtet. Einige der Vermeidungsstrategien können aber erst nach dem Anlaufen des Mindestlohns erkannt und verhindert werden. „Ich habe ein Auge drauf.“
Jusos und Gewerkschaftsjugend kritisierten, dass für Jugendliche unter 18 Jahren der Mindestlohn nicht gilt. Auf diese Kritik ging Andrea Nahles ebenfalls ein: In Berlin waren nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit nur 261 Jugendliche unter 18 Jahren sozialversicherungspflichtig beschäftigt (Stand 30. September 2013), die als Ungelernte tätig waren. Diese Altersgrenze betreffe tatsächlich also nur eine sehr kleine Gruppe. Die Bundesarbeitsministerin informierte, dass in anderen Ländern die Altersgrenze deutlich über 18 Jahre liegt. Dank dieser niedrigen Altersgrenze ist es in Berlin und anderswo ausgeschlossen, dass sich ein Geschäftsmodell auf die gezielte Beschäftigung junger Menschen ohne Mindestlohn gründen lässt.
Gestellt wurde auch die Frage, ob es nicht besser wäre, die Nichteinhaltung des Mindestlohns strafrechtlich zu verfolgen und nicht nur als Ordnungswidrigkeit einzustufen. Eine Strafrechtsbestimmung ist mit der CDU gar nicht durchsetzbar gewesen, antwortete die Bundesarbeitsministerin.
Ende der nicht menschenwürdigen Bezahlung
Für Deutschland ist der Mindestlohn ein großer Schritt nach vorn, bekräftigte auch der Pankower Abgeordnete Klaus Mindrup zum Abschluss der Diskussion. „Später werden wir einmal sagen, was war das bloß für eine Zeit, wo Menschen nicht dem Wert von Arbeit entsprechend bezahlt wurden.“ Im Namen aller acht Berliner SPD-Bundestagsabgeordneten bedankte sich Klaus Mindrup herzlich bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Andrea Nahles.
Alle Fakten zum Mindestlohn finden Sie auf der Webseite "Der Mindestlohn kommt".
Der Mindestlohn kommt. Faltblatt der SPD-Bundestagsfraktion