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Im Gespräch mit dem Britischen Botschaftsrat

„Mir als Briten hat einmal ein Bayer gesagt ‚In Bayern leben 40 Prozent MigrantInnen‘ So dahin gestellt runzelt jede/r die Stirn. Die Lösung kam sogleich: MigrantInnen sind auch Menschen aus Baden-Württemberg, Sachsen, Hamburg, Rheinland-Pfalz. Es kommt halt immer auf die Haltung an.“ Diese Anekdote erzählte Nick Leake, Botschaftsrat des Vereinten Königreichs.

Am 19. Februar 2015 hatte mich der britische Botschaftsrat in meinem Bundestagsbüro besucht. Er leitet in der Botschaft die Abteilung EU & Wirtschaft. Am Gespräch nahm auch Gudrun Blankenburg teil, die jährlich die Veranstaltung „Erinnerung braucht einen Ort“ anlässlich des Shoa-Gedenktages am 27. Januar mitorganisiert.

Er bedankte sich herzlich für die Einladung zur Gedenkveranstaltung „Erinnerung braucht einen Ort", in der es um die Rettung von 10.000 jüdische Kinder durch die Kindertransporte 1938/39 nach England ging. In unserem Gespräch interessierte sich Mr. Leake sehr für die künstlerische Umsetzung des Themas durch den israelischen Künstler Frank Meisler. Eines von Meislers Kindertransportdenkmalen steht am S-Bahnhof Friedrichstraße, wo ich am 27. Januar zum stillen Gedenken ein Blumengebinde niederlegt hatte, andere Standorte sind in London, Gdansk und Hoek von Holland. Frank Meisler, selber Holocaust-Überlebender durch einen Kindertransport nach England, würdigt mit seinen Kunstwerken die Rettung jüdischer Kinder und das Engagement der Aufnahmeländer.

Migrations- und Flüchtlingspolitik in Großbritannien und Deutschland

Intensiv debattiert wurde auch Migration und Integration als eine der Lösungsstrategien für den demografischen Wandel in beiden Ländern. Mr. Leake betonte, dass in Großbritannien Migration und Integration vor allem unter zwei Aspekten betrachtet wird: Wirtschaftlichkeit und Menschlichkeit. Ohne Migration hätte es für die britische Wirtschaft in den letzten 20 Jahren kein wirtschaftliches Wachstum gegeben. MigrantInnen, insbesondere die Jüngeren, hätten eine hervorragende Arbeitsmoral. Außerdem würden sie in der Regel mehr Kinder bekommen als die altansässige Bevölkerung.  

Der öffentliche Diskurs zur Zuwanderungsdebatte wird in Deutschland auch durch die Frage „Wer wandert zu?“ bestimmt. Sind es die hochqualifizierten Arbeitskräften, Asylsuchende, Flüchtlinge oder vermeintliche Wirtschaftsflüchtlinge? Für viele Menschen ist für ein herzliches Willkommen nach wie vor entscheidend, ob die Menschen aus Europa oder aus den Drittstaaten kommen.

Deutlich spürbar sei trotz der Pegida-Bewegung ein Bewusstseinswandel in der Bevölkerung im Vergleich zu den 90ger Jahren. Fast durchgängig besuchten viel mehr TeilnehmerInnen die Demonstrationen für Vielfalt und Toleranz als die Pegida- Demonstrationen. Deutschland ist ein Einwanderungsland und trägt dafür als Zivilgesellschaft und als Staat Verantwortung. Auf Drängen der SPD konnten in der Großen Koalition wesentliche Verbesserungen der Situation für Asylsuchende durchgesetzt werden. So ist der Zugang zum Arbeitsmarkt nun nach dreimonatigen Aufenthalt möglich und nicht erst nach 15 Monaten. In großem Maße wurden auch die Gelder für Sprachkurse aufgestockt.

Es braucht eine europäische Flüchtlingspolitik. Wir dürfen die Länder des Südens hier nicht alleine lassen. Die mit Flucht und Integration verbundenen Herausforderungen betreffen alle EU-Staaten, und nicht nur die Mittelmeeranrainer Griechenland, Italien oder Malta.

Aufgrund der zahlreichen Krisenherde überall auf der Welt kommen ganz unterschiedliche Menschen nach Europa. Auch ihre Wünsche für das eigene Leben sind sehr unterschiedlich: Mache träumen davon, sich hier ein Leben aufzubauen, andere träumen von einer Rückkehr in das Heimatland. Ein herzlicher Kontakt mit den Flüchtlingen ist auch notwendig, um ihre eigenen Lebensvorstellungen kennenzulernen.

Berlin ist ein attraktiver Zuzugsort

In Bezug auf Berlin spiegelt sich nicht der allgemeine Trend in Deutschland wieder. Deutschland schrumpft in vielen Regionen - Berlin aber wächst. Jährlich kommen rund 40.000 Menschen nach Berlin. Die Folgen reichen von steigenden Mietpreisen, neu zu schaffenden Kita- und Schulplätzen bis hin zur Schaffung neuer Formen der Begegnung im öffentlichen Raum. Berlin ist ohne Zuwanderung aber nicht Berlin. Schon immer sind Menschen aus den verschiedenen Regionen der Welt gekommen oder wurden gerufen, wie zum Beispiel die Hugenotten. Wir stehen ein für ein weltoffenes, tolerantes und buntes Berlin.