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Mutiger Protest der Frauen und Angehörigen in der Rosenstraße

Die Gedenkveranstaltung am 26. Februar 2015 ehrte den mutigen Protest der Frauen in der Rosenstraße. 200 bis 1.000 „arische“ Ehefrauen, Kinder, Angehörige protestierten gegen die Inhaftierung ihrer jüdischen Männer, Väter, Brüder und Schwäger, die in der großen Razzia am 27. Februar 1943 durch die Berliner Gestapo festgenommen worden waren. Während dieser „Fabrik-Aktion“ wurden jüdische Partner von „Mischehen“, „Mischlinge“ sowie „Geltungsjuden“ von den „Volljuden“ separiert und in dem Verwaltungsgebäude der Jüdischen Gemeinde in der Rosenstraße 2-4 in Berlin-Mitte festgehalten. Die Männer hatten bis dahin überwiegend in der kriegswichtigen Rüstungswirtschaft Zwangsarbeit geleistet. Der Protest der Frauen entstand ohne eine Organisation oder eine Partei im Hintergrund, nur aus dem Herzen heraus. Nach rund zwei Wochen durften die fast 2.000 inhaftierten Männer zu ihren Familien zurückkehren. Sie wurden wieder zur Zwangsarbeit befohlen. Ungefähr 200 ehemalige Rosenstraßen-Insassen arbeiteten danach in den Verwaltungsstrukturen der Jüdischen Gemeinde.

An dieses einzigartige Vorkommnis während der NS-Zeit erinnerten Dr. Gideon Joffe, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, und Christian Hanke, Bezirksbürgermeister von Berlin-Mitte.

Sie sprachen mahnende Worte: Angesichts der Aufmärsche der islamfeindlichen Bewegung Pegida sei Solidarität in unserer Gesellschaft wichtiger denn je. Eine Solidarität wie jene, die die Frauen in der Rosenstraße ihren Angehörigen bewiesen haben. Sie haben öffentlich bekannt, dass sie zu ihren inhaftierten Angehörigen stehen.

Gedenkveranstaltung „Fabrik-Aktion“/ Protest in der Rosenstraße

„Ich habe nicht verstanden, wieso man mir meinen Vater wegnehmen wollte“ erzählt Ruth Recknagel. Das kindliche Unverständnis schwingt dabei noch immer in ihrer Stimme mit. Als die Gestapo ihren Vater festnahm, war Ruth Recknagel 13 Jahre alt. Heute ist die Zeitzeugin 85 Jahre alt und nimmt regelmäßig an Gedenkveranstaltungen und Gesprächen mit SchülerInnen teil.

Am 27. Februar 1943 demonstrierte sie gemeinsam mit ihrer Mutter in der Rosenstraße für die Freilassung ihres jüdischen Vaters. Die Gestapo hatte ihn an seinem Arbeitsplatz festgenommen und hielt ihn, gemeinsam mit vielen weiteren Juden, die in sogenannten „Mischehen“ lebten, in einer Fabrik in der Rosenstraße fest. Über den „jüdischen Mundfunk“ erfuhren Mutter und Tochter von der Festnahme und eilten in die Rosenstraße um gemeinsam mit vielen weiteren Frauen für die Freilassung zu demonstrieren. „Laut gerufen haben wir nicht. Das hat sich ja keiner getraut. Es war eher ein Murmeln ‚Gibt uns unsere Männer wieder!‘“.

Tagelang dauerte der Protest an. Und jeden Tag kamen die Frauen wieder und versammelten sich vor der Fabrik in der Rosenstraße. Stullenpakete wurden gepackt und auf die Laster geworfen, die auf das Gelände fuhren. Und die Stullen kamen bei den Männern an. Immer wieder betont Ruth Recknagel, dass es viele Menschen gab, die ihr und ihrer Familie in der Zeit des Nationalsozialismus geholfen haben, gewollt und ungewollt. In einem Jahr erkrankt sie an Gelbsucht und kann fast keine Nahrung zu sich nehmen außer Weißbrot. Täglich lässt ihr der nichtjüdische Bäcker und Nachbar einen halben Laib zukommen. Ein anderes Mal ist sie mit ihren Vater spazieren, mit dem Judenstern am Mantel. Sie passieren Arbeiter, die Äpfel verladen. Wie durch Zufall lassen sie einige fallen für Ruth und ihren Vater zum Aufheben. Die Geschichten bringen ein klein wenig Licht in die dunklen Zeiten. Zeiten im Krieg, die für die gesamte Bevölkerung nicht einfach gewesen sind, wie Ruth Recknagel betont.

Mit gerade einmal acht Jahren muss Ruth 1938 die 28. Volksschule in Neukölln verlassen. Ein Jahr später muss sie den Zwangsnamen „Sara“ annehmen und fortan einen Judenstern tragen. „Ich tat den Leuten leid. Ich war groß, blond und deutschsprachig. Die Leute wunderten sich, wieso ich einen Judenstern trug.“ 1941 tritt ihre Mutter aus der jüdischen Gemeinde aus und lässt ihre Tochter taufen. Mit der Taufe folgt die Anerkennung als „Mischling 1. Grades“ und Ruth kann wenig später ihren Zwangsnamen und den Judenstern wieder ablegen.

Sophie Zimmermann, FSJ-P