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2. Deutscher Pflegetag: Pflege hilft heilen - wenn wir sie lassen!

Der 2. Deutsche Pflegetag 2015 setzte mit über 4.500 BesucherInnen, ExpertInnen und EntscheiderInnen aus Pflege, Politik, Medien und Wirtschaft und mit mehr als 170 ReferentInnen und ModeratorInnen ein eindrucksvolles Zeichen für die Zukunft der Pflege. Auf dem geschichtsträchtigen Flughafen Tempelhof wurde vom 12. bis 14. März 2015 die Zukunft der Pflege - eines der wichtigsten gesundheitspolitischen und gesellschaftlichen Themen unserer Zeit - gestaltet. In zahlreichen Workshops, übervollen Vortragsveranstaltungen, an den vielen Ständen der Fachmesse wurde Pflege auch zur Begegnung, zum Dialog und zur Gemeinschaft.

Flashmob „Für Oma und Opa“ 

Moderner geht´s nimmer: Unter den Tönen von Udo Jürgens Song „Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an!“ wurde dem Pflegebeauftragten der Bundesregierung schon vor der Eröffnung des 2. Deutschen Pflegetages 2015 am 12. März die noch laufende Online-Petition „Altern in Würde - machen wir es möglich!“ vor dem Gebäude des Zentralfughafen Tempelhof überreicht. Zu diesem Flashmob hatte das Avaaz-Netzwerk aufgerufen, um ein Zeichen zu setzen für ein Altern in Würde, das Spaß macht. Es kamen Menschen aller Generationen, um mit Musik und Trommeln, bunten Plakaten und Bannern den Betroffenen eine Stimme zu geben: den SeniorInnen, die einsam in ihren Betten liegen und nicht die Betreuung erhalten, die sie verdienen; den PflegerInnen, die im Minutentakt abliefern müssen ohne Durchatmen zu können; den Menschen, die selbst Zuhause ihre Angehörigen pflegen. Eine tolle Aktion - ein toller Start in den 2. Deutschen Pflegetag 2015 in Berlin-Tempelhof.

„Wir sind eine Profession!“

Professionelle Pflege ist ein Schlüsselfaktor für eine exzellente Pflege, darauf verwies Andreas Westerfellhaus in seiner Eröffnungsrede. Andreas Westerfellhaus ist Präsident des Deutschen Pflegerats e.V.  - Bundesarbeitsgemeinschaft Pflege- und Hebammenwesen (DPR). Die professionell Pflegenden, also die Profis in allen Versorgungsbereichen, sind der essentielle Schlüsselfaktor für eine gute Versorgung der Menschen in dieser Gesellschaft. Um eine adäquate Versorgung auf Dauer sicherzustellen, müssen wir uns daher auch um die professionell Pflegenden „sorgen“.

Fakt ist: Pflege ist bereits in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Pflege geht uns alle an. Wir brauchen die Sicherstellung professioneller Pflegeleistungen. Wir brauchen Konzepte für heute, morgen und übermorgen, die eine professionelle Pflege sichern und den 1,2 bis 1,5 Millionen professionell Pflegenden gute Arbeitsbedingungen sichern. Denn ohne eine gute Pflege werden wir die Herausforderungen der Zukunft nicht meistern, so Westerfellhaus.

Der Deutsche Pflegerat ist ein Zusammenschluss zahlreicher Mitgliedsverbände, deren Engagement und Zielstrebigkeit es dem DPR ermöglichen, klar Stellung zu beziehen und eine erfolgreiche Vertretung der Interessen der Pflege und des Hebammenwesens auf politischer und gesellschaftlicher Ebene zu leisten.

„Pflege ist wichtiger als Energiepolitik“

In seinem politischen Grußwort verwies Lutz Stroppe, Staatssekretär im Bundesministerium für Gesundheit, darauf, dass der Dienst am Menschen einen eigenen Stellenwert hat. Wir müssen den demografischen Wandel in Gesellschaft und Pflege gestalten: Schon 2030 wird die Zahl der Pflegebedürftigen um eine Million auf 3,6 Millionen Menschen anwachsen. Zeitgleich werden schätzungsweise eine Millionen Menschen weniger erwerbstätig sein.

Um Pflege zukunftsfest zu machen, hat die Große Koalition das Pflegestärkungsgesetz  (PSG) 1 mit zahlreichen Verbesserungen für Pflegebedürftige und pflegende Angehörige beschlossen. Das PSG 2 und zahlreiche andere Reformen zum Beispiel das Pflegeberufegesetz befinden sich in Vorbereitung. Stroppe weist darauf hin, dass „es ein schwieriger Umstellungsprozess wird“.

„Wenn die Pflege streikt, kommen Kranke nicht mehr vom Bett zur Toilette“

„Humor hilft heilen! Was aber, wenn die Mitarbeiter im Gesundheitswesen unter immer neuen Zwängen den Humor verlieren? Als Arzt, Angehöriger und potentieller Patient weiß ich, dass für die Stimmung, Zuwendung und Heilung im Krankenhaus die Pflegenden ganz entscheidend sind. Mit meiner Stiftung haben wir die Atmosphäre im Krankenhaus untersucht und Ideen entwickelt, die seelische "Hygiene" wieder genauso ernst zu nehmen wie die körperliche“, so äußerte sich der Arzt und Kabarettist Dr. med. Eckart von Hirschhausen schon im Vorfeld des 2. Deutschen Pflegetages. Hirschhausen ist Gründer der Stiftung HUMOR HILFT HEILEN. Über die Stiftung HUMOR HILFT HEILEN erlernen derzeit über 2.000 MitarbeiterInnen der Kranken- und Altenpflege mit Mitteln des Improvisationstheaters spielerische Freude im Team, Achtsamkeit in der Kommunikation und „Seelenhygiene“. Gründer der

Den Stellenwert der Pflege verdeutlicht Eckart von Hirschhausen bei der Kongresseröffnung anschaulich: „Wenn Lokführer oder Piloten streiken, kommen wir nicht von A nach B. Wenn die Pflege streikt, kommen  Kranke nicht mehr vom Bett zur Toilette. Was ist schlimmer?“ Hirschhausen hat in der Charité gearbeitet und mahnt die im Gesundheitswesen Verantwortlichen „Krankenhaus kommt von Hospital, von hospitality - Gastlichkeit. Das dürfen wir heute nicht vergessen.“ Mit seinem Auftritt auf dem 2. Deutschen Pflegetag setzte Hirschhausen ein Zeichen der öffentlichen Wertschätzung. Er machte allen Pflegenden in Deutschland Mut, sichtbarer zu werden, forderte sie auf, sich für ihren Beruf auch organisiert zu engagieren. Denn gerade die Hochmotivierten verlassen als erste frustriert das Gesundheitswesen.

Grundbedingung für eine gute Pflegekultur seien funktionierende Teams aus unterschiedlichen Professionen. Es gelte, ihr Wissen auch außerhalb der Dokumentationen sichtbar zu machen. Richtige Forderungen sind u.a.: faire Bezahlung und eine einheitliche Grundausbildung für alle. Es spricht sich auch für eine Akademisierung aus. Und es muss mehr Aufstiegschancen geben.

An die Pflegenden gewandt: „Sie sind wichtig!“. Er mahnte, sich bewusst zu werden, wie wichtig auch Selbstfürsorge gerade für alle ist, die für andere sorgen. Resilienz umfasst seelische Widerstandskraft, Humor, die Erkennung von Sinn und die Fähigkeit zur Selbstfürsorge. Sowieso müsse im Medizinwesen stärker nach der Devise Voltaires „Das Geheimnis der Medizin besteht darin, den Patienten abzulenken, während die Natur sich selber hilft“ gehandelt werden. Nicht jeder Eingriff ist wirklich notwendig.

Auch Publikumsliebling Klaas Heufer-Umlauf, Moderator von Circus Halligalli, sorgte für abwechslungsreiche Unterhaltung und stellte sich hinter die Pflege. Eine gute Pflege ist für die PatientInnensicherheit unerlässlich.

Die Pflege - Ein gutes Stück Sozialstaat

„Einen zeitgemäßen Sozialstaat gibt es nicht ohne die Pflegeversicherung und ohne eine gute Pflege. Pflege muss qualifiziert sein, für jedermann garantiert, bezahlbar, wertgeschätzt - stationär und ambulant. Politik und Gesellschaft sind gefordert“, betonte Franz Müntefering, Bundesminister a.D. Der demografische Wandel wird sich nicht schnell ändern, wir müssen ihn gestalten: in den 60er Jahren hat es noch 1,4 Millionen Geburten gegeben, 600.000 in 2014. Für 2030 ist von 500.000 Geburten  bei 1 Million Sterbefälle auszugehen. Unsere Lebenserwartung ist gestiegen, wir werden viel länger gesund alt. Wie können wir alle gut älter und alt sein? Wie sieht unser „finaler Krankheitsprozess“ aus? Was kann die Reha? Was die Pflege? Was auch ein  Hospiz?“.

Franz Müntefering weist eindringlich darauf hin:

  • Menschen sind auf Menschen angewiesen. Pflege ist ein Grundwert an sich. Helfen und sich helfen lassen ist Teil des Lebens. Unser Grundgesetz sagt: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ - das gilt auch für die Pflege. Niemand darf diskriminiert werden.
  • Der Wert der persönlichen Nähe muss wieder in unsere Zivilgesellschaft einfließen. Der Beruf Pflege ist für unsere Gesellschaft unverzichtbar. Für die Pflege reicht „guter Wille“ nicht aus. Viele der augenblicklichen Debatten „riechen“ sehr verbandspolitisch motiviert. Die grundlegende Frage laute: Wie kann der Übergang auf ein anderes zeitgemäßeres System gestaltet werden? Wie können Ausgebildete ins System integriert werden, ohne „auf der Strecke verunsichert zu werden?“.
  • Die Einführung der Pflegeversicherung hat die Städte und Gemeinden in den vergangenen 20 Jahren entlastet. Nun stehen diese vor der Herausforderung, ihre Quartiere, ihre Sozialräume nicht diskriminierend auszugestalten.

"Cockpit Pflege"

Am Eröffnungstag trafen sich auch die pflegepolitischen Sprecherinnen - bzw. die BerichterstatterInnen für Pflege, wie es in den Fraktionen der SPD und CDU heißt, - mit den Organisatoren des Deutschen Pflegetags 2015 zu einem Gespräch. Notwendige und zukunftsweisende Entscheidungen im Interesse der Pflegebedürftigen und der Pflegenden können nur im Dialog getroffen werden. Debattiert wurde über den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff, den Planungsstand eines neuen Pflegeberufegesetzes und vieles mehr. Mir liegt vor allem der notwendige Ausbau einer unabhängigen Beratungsstruktur am Herzen. Was nutzen die besten Leistungen, wenn mensch im Bedarfsfall davon nichts weiß?

Unsere gemeinsame Aufgabe liegt in der nachhaltigen Verbesserung der Pflegesituation in Deutschland - für die Pflegebedürftigen, für die beruflich Pflegenden und die pflegenden Angehörigen. Verbessert werden müssen die Arbeitsbedingungen in der Pflege, denn nur so können wir dem bereits bestehenden Fachkräftemangel begegnen und der steigenden Zahl Pflegebedürftiger gerecht werden.

Ich unterstütze die Haltung von Jürgen Graalmann, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes: Pflege muss zum gesamtgesellschaftlichen Projekt werden! Dazu gehört auch der unverstellte Blick auf die Leistungen pflegender Angehöriger. Diese sind für die Stabilität der sozialen Pflegeversicherung unverzichtbar und müssen deshalb genauso gestärkt werden wie die professionelle Pflege. „Ein Entweder-Oder können wir uns gar nicht leisten“.