„Auf ein Wort, Frau Rawert“ mit Vertreter*innen der Queer-Community im Regenbogenfamilienzentrum
Meine Sommerfrühstücksreihe „Auf ein Wort, Frau Rawert“ ist eine gute Tradition. Und immer beim politischen Austausch dabei sind die Vertreter*innen der LSBTIQ-Community aus Tempelhof-Schöneberg. Dieses Jahr fand unser Treffen am 4. Juni 2015 in den Räumen des Regenbogenfamilienzentrums in der Cheruskerstr. 22 in Schöneberg statt. Seit dem 15. März 2013 haben hier lesbische, schwule, bisexuelle und transidente Menschen mit Kindern eine Anlaufstelle und können Beratungs-, Bildungs- und Gruppenangebote nutzen. Vielen herzlichen Dank an Constanze Körner und ihr Team für ihre Arbeit und für die freundliche Gastgeber*innenschaft.
In meinem Positionspapier habe ich deutlich gemacht, dass ich für 100% Gleichstellung, für eine diskriminierungsfreie Gesellschaft und für gleiche Rechte für alle, kämpfe. Leider müssen wir SozialdemokratInnen in der jetzigen Koalition mit CDU/CSU jeden noch so kleinen Schritt hart erkämpfen. Mir ist bewusst, dass der Schneckenfortschritt für viele nur schwer erträglich ist.
Regenbogenzentrum wie weiter?
Eine berlinweite Kampagne zu Regenbogenfamilien läuft mit Unterstützung der Wall AG an, berichtete Projektleiterin Constanze Körner. Hier wird auf 1.000 Plakaten für mehr Akzeptanz von Regenbogenfamilien geworben werden. Sie wies darauf hin, dass die Projektförderung für das Regenbogenfamilienzentrum durch die Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin zum Ende des Jahres ausläuft. Sie hofft und wir alle erwarten, dass das Zentrum in den Verhandlungen zum Doppelhaushalt des Landes Berlin gesichert wird. Ich setze mich für das Regenbogenzentrum ein. Die sehr gute Arbeit des ganzen Teams strahlt auf die ganze Bundesrepublik aus.
Queer und Flucht
Sowohl die Beratung als auch die medizinische Versorgung von Flüchtlingen waren ein Hauptthema unseres Austausches. Mehrfach wurde eine unbürokratischere gesundheitliche Versorgung von Flüchtlingen durch eine Chipkarte analog des „Bremer Modells“ gefordert. In die queeren Beratungsstellen kommen immer mehr LSBTIQ-Flüchtlinge. Sie leiden oft unter Mehrfachdiskriminierungen, d.h. sowohl Rassismus als auch traumatische Gewalterfahrungen aufgrund ihrer sexuellen Identität. Das betrifft nicht nur die Situation in ihren Herkunftsländern oder während ihrer Flucht, sondern auch die Situation hier in den Flüchtlingseinrichtungen. Es fehlen Traumatherapeut*innen, die diese Flüchtlinge betreuen können, betonte Jennifer Petzen von der Lesbenberatung e.V.. In ganz Berlin gäbe es beispielsweise nur drei arabischsprachige Psychotherapeut*innen.
Die Schwulenberatung Berlin plant derzeit ein Wohnprojekt für dreißig queere Flüchtlinge, berichtete Vorstandsmitglied Georg Härpfer. Ein geeigneter Standort werde zurzeit gesucht. Das Thema sexuelle Identität und Asyl wurde am gleichen Tag noch auf meiner Abendveranstaltung mit den QueerSozis Berlin im DGB-Haus diskutiert.
Ehe für alle
Eine spannende und zum Teil kontroverse Diskussion entspann sich um das aktuelle Thema „Ehe für alle“. Zum einen wurde betont, dass gleiche Rechte für alle gelten müssen und Diskriminierungen aufgrund der sexuellen Identität nicht hinnehmbar sind. Andere mahnten eine Weiterentwicklung des Familienrechts an, weil nicht alle LSBTIQ-Menschen die Ehe für sich als ihren Lebensentwurf betrachten. So wurden mit der Ehe einhergehende steuerrechtliche Besserstellungen, wie das Ehegattensplitting, infrage gestellt. Besser wäre es, mit dem Geld Kinder durch eine Kindergrundversicherung zu fördern.
Anders Altern
Selbstbestimmt altern ist auch der Wille und Wunsch in der LGBTIQ-Community. Als eine Antwort auf den demografischen Wandel hat die Schwulenberatung Berlin den „Lebensort Vielfalt“ errichtet. Seit 2013 wird in der Niebuhrstraße 59/60 in Berlin-Charlottenburg täglich Vielfalt unter einem Dach gelebt. Georg Härpfer berichtete von der großen Nachfrage - es gibt bereits eine Warteliste mit über 200 Anfragen. Daher ist bereits ein zweiter Standort geplant, der in der Nähe des Bahnhofes Südkreuz entstehen soll. Außerdem existiert seit dem vergangenen Jahr eine Beschäftigungstagesstätte in der Wilhelmstraße 115 in Berlin-Kreuzberg.
Anerkennung und Rehabilitierung der Opfer des § 175 StGB
Wann werden die Opfer des § 175 StGB endlich anerkannt und rehabilitiert? Diese Frage stellt sich zu Recht und ist auch Thema auf jedem meiner Queer-Frühstücke. Zwischen 1945 und 1994 wurden Schätzungen zufolge 54.000 Männer verurteilt, weil sie schwul sind. Diese Männer haben ein Recht darauf, dass die Bundesrepublik Deutschland dieses Unrecht anerkennt und sie rehabilitiert. Dazu haben wir nicht mehr allzu viel Zeit, da die meisten bereits über 70/80 Jahre alt sind. Bundesjustizminister Heiko Maas steht in dieser Frage auf unserer Seite. Noch gilt es allerdings massiven Widerstand von vielen Bedenkenträger*innen zu überwinden.
Demonstration „Berlin demonstriert Vielfalt“ am 18. Juli 2015
Auf die Demonstration „Berlin demonstriert Vielfalt“ wiesen Thomas Kugler und Stephanie Nordt von KomBi, Kommunikation und Bildung, hin. Das Berliner Aktionsbündnis Vielfalt statt Einfalt ruft zu einer Kundgebung unter dem Motto „Berlin demonstriert Vielfalt“ auf. Hier soll ein sichtbares Zeichen gegen den drohenden Rollback in Sachen Sexualaufklärung und Lebensformenpluralität gesetzt werden. Ort und Zeit werden noch auf der Webseite des Bündnisses bekannt gegeben.
Vielfalt in der Kirche
Im Vorblick auf die CSD-Saison berichtete Bruder Franziskus, dass das Rogate-Kloster wieder den ökumenischen Eröffnungsgottesdienst zum 23. lesbisch-schwulen Stadtfestes des Regenbogenfonds durchführen wird. Der Gottesdienst findet am Freitag, 19. Juni 2015 um 19:30 Uhr statt. Die Predigt hält Pfarrer Burkhard Bornemann, amtierender Superintendent im Kirchenkreis Schöneberg.
Innerhalb der evangelischen Kirche steigt die Akzeptanz von queeren Lebensentwürfen, betonte Bruder Franziskus. Darüber hinaus plant das Rogate-Kloster im September eine Ausstellung zum Thema Transgender.
Die Frühstücksreihe „Auf ein Wort, Frau Rawert“ bietet den regelmäßigen Austausch zwischen Projekten, Initiativen, Vereinen und Trägern. Dadurch werde ich auf neue Entwicklungen und Herausforderungen aufmerksam gemacht und erhalte wichtige politische Impulse für meine politische Arbeit im Bundestag und vor Ort. Die Frühstücke finden immer bei einem Projekt oder Verein statt, sodass auch die eingeladenen Initiativen/Projekte sich besser kennenlernen und vernetzen können.