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Unhaltbare medizinische und hygienische Zustände beim LaGeSo beenden

Die Versorgungslage der geflüchteten Kinder, Frauen und Männer vor dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) ist prekär - so mein Eindruck am Montagnachmittag, den 24. August 2015. An diesem Ort finden sich Flüchtlinge oft tagelang ein, wenn sie neu nach Berlin kommen, sich hier registrieren und ihren Antrag auf Asyl stellen müssen. An Montag ist schon vieles „besser“ - es sind 10-15 Grad kühler, es gibt Trinkwasser und es sind SanitäterInnen anwesend - und doch ist nichts gut! Dieser Zustand ist Berlins nicht würdig! Wir stehen gemeinsam vor den mit der Aufnahme der Flüchtlinge verbunden Herausforderungen. Diese sind eine staatliche als auch zivilgesellschaftliche Aufgabe.

Nach den neuen Veröffentlichungen des Bundesamtes für Migration am 19. August 2015 werden mindestens 45.000 geflüchtete Kinder, Frauen und Männer nach Berlin kommen - jüngste Schätzungen liegen für dieses Jahr bei bis zu 70.000. Noch müssen diese Menschen alle zum LaGeSo, um hier ihren Erstaufnahmeantrag zu stellen. Sie sind erschöpft, traumatisiert, viele krank, haben auf der langen Flucht ihre Medikamente längst aufgebraucht.

Vor dem LaGeSo warten täglich mehrere hundert, vielfach auch über 1.000 Kinder, Frauen, Männer - manche tagelang - auf die Registrierung ihres Asylgesuches. Die Mitglieder der Bürgerinitiative „Moabit hilft“ haben hier zugepackt, haben Neuankömmlinge versorgt, ernährt, ihnen Wasser besorgt, vielen auch für die Nacht eine Unterkunft gegeben. Ich mag mir nicht vorstellen, wie es wäre ohne diese vielen unermüdlichen Ehrenamtlichen. Ich danke ihnen und auch den MitarbeiterInnen, die hier arbeiten, von Herzen. Sie alle zeigen Solidarität und zeigen in ihrer kulturellen Vielfalt auch nachdrücklich auf, dass kulturelle Vielfalt ein gesellschaftlicher Schatz ist - allein die Sprachkompetenz der vielen ehrenamtlichen DolmetscherInnen ist bemerkenswert. Ohne diesen Schatz, ohne diesen kulturellen Reichtum könnten wir die andauernden Herausforderungen nicht zu bewältigen.

Vor gut zwei Wochen hat der Senat die Einrichtung eines "landesweiten Koordinierungsstab Flüchtlingsmanagement" verkündet. Inzwischen betreut die Caritas die Kinder, Mütter und besonders Schutzbedürftige, auch die Johanniter sind vor Ort.

Landesärztekammer: „Unhaltbare medizinische und hygienische Zustände bei den neu in Berlin ankommenden Flüchtlingen beenden“

Die Landesärztekammer hat in ihrer Pressemitteilung vom 18. August 2015 die fehlenden Kapazitäten beim LaGeSo und die unzureichende behördliche Unterstützung für die Menschen bis zu ihrer Registrierung als Asylsuchende beklagt und das Land Berlin zu einer besseren medizinischen und hygienischen Versorgung der Neuankömmlinge aufgefordert. „Eine Behandlung der Asylsuchenden gemäß der EU-Aufnahmerichtlinie 2013/33, die das Erkennen einer besonderen Schutzbedürftigkeit von antragstellenden Asylbewerbern verlangt, ist unter diesen Bedingungen nicht einmal mehr ansatzweise möglich.“

Die Landesärztekammer fordert Sofortmaßnahmen, um eine menschenwürdige Behandlung zu gewährleisten:

  • „Bereitstellung einer ausreichenden primärärztlichen Versorgung (insbesondere für die Bereiche Allgemeinmedizin, Pädiatrie, Gynäkologie, Dermatologie und Psychiatrie) ganztäglich direkt bei den Flüchtlingen auf dem Gelände des LaGeSo.
  • Bereitstellung eines Medikamentenbudgets, das eine adäquate medizinische Versorgung ermöglicht. Eine ausreichende Versorgung mit Nahrungsmitteln und Getränken.
  • Beendigung jeder Form der Obdachlosigkeit zwischen Erstankunft beim LaGeSo und der Registrierung als Asylsuchende. Schutz vor schlechten Witterungsverhältnissen muss gewährleistet werden.
  • Schnelle Identifizierung besonders schutzbedürftiger Personen entsprechend der EU-Richtlinie 2013/33.
  • Garantie von hygienischen Mindeststandards auf dem Gelände des LaGeSo. Genügend Toilettenanlagen, Waschgelegenheiten, Duschen sowie Bereitstellung von Hygieneartikeln und Mitteln zur Versorgung von Babys müssen bereitgestellt werden.
  • Mehrsprachliche Informationsbereitstellung und entsprechende Dolmetscherleistungen für die Flüchtlinge zur ausreichenden Kommunikation.“

Ehrenamtliche können den Staat nicht ersetzen. Mehr staatliches Handeln ist gefordert!

Ich traf Jouanna Hassoun, Leiterin des Zentrums für Migranten, Lesben und Schwule beim LSVD, hier vor Ort ehrenamtliche Koordinatorin für die medizinische Erstversorgung. Sie teilte mir mit, dass das LaGeSo gerade mitgeteilt habe, dass die medizinische Basisversorgung für unregistrierte Flüchtlinge durch die Behörde in Zusammenarbeit mit der Berliner Ärztekammer ab sofort gewährleistet werde. Ich war dabei: Diese Mitteilung erfolgte in weniger als 10 Minuten - der Dank kann nicht groß ausgefallen sein. Auf Seiten der Freiwilligen wurde die angekündigte sofortige Umsetzung umgehend in Zweifel gezogen - und sie behielten Recht: so sollte Jouanna Hassoun ihre Koordinationsfunktion anfänglich sofort niederlegen, nun ist sie bis Ende September damit betraut.

HelferInnen in der medizinischen Versorgung sind verzweifelt

Jouanna Hassoun hat Recht. Fakt ist: Seit mehreren Wochen leisten die sich selbst organisierenden ÄrztInnen und HelferInnen ohne Mandat auf rechtlich ungesicherter Grundlage die Basisversorgung der noch nicht registrierten Menschen. Ihnen ist bewusst, dass wesentliche Aspekte medizinischer Versorgung aufgrund mangelnder Ausstattung und diagnostischer Möglichkeiten nicht abgedeckt werden. Sie sehen aber auch die humanitäre Katastrophe.

Seit Wochen erheben sie gemeinsam mit „Moabit hilft“ die Forderung nach einem professionell organisierten und betriebenen Medicalpoint, um Erkrankungen ausreichend zu diagnostizieren und drohende Gefahren durch mögliche Ausbreitungen von Infektionen zu verhindern. Hier ist die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales, ist der Senat gefordert! Hinsichtlich der Einrichtung dieses Medicalpoint, der in professioneller und rechtlich gesicherter Weise die qualifizierte medizinische Versorgung der seit Tagen auf ihre Registrierung wartenden Flüchtlinge sicher stellen soll, müssen die Freiwilligen in kompetenter und wertschätzender Weise einbezogen werden.