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Bunt, bunter, Schöneberg

Regenbogenfamilienfest am Samstag, den 12. September 2015

Jede Menge bunte Stände, sehr bunte und glückliche Familien, überall Regenbogen-Fahnen und ein buntes Programm auf der Bühne. Es war ein sehr buntes Bild, was sich den BesucherInnen bot. Ich fühlte mich in dieser farbenfrohen Umgebung wohl und hatte sehr viel Spaß beim Entdecken der vielfältigen Stände.

Zum ersten Mal fand das Regenbogenfamilienfest in Berlin-Schöneberg statt. Dort befindet sich in der Nähe des Gasometers (in der Cheruskerstraße 29)  seit mehr als zwei Jahren das Regenbogenfamilienzentrum, welches eine Beratungsstelle für schwule, lesbische, bisexuelle und transgender Menschen mit Kinderwunsch oder mit Familie darstellt.

Zu diesem Straßenfest hat der Träger des Regenbogenfamilienzentrums der Lesben-und Schwulenverband Berlin-Brandenburg (LSVD) und Radio Teddy (ein Kinderradiosender) eingeladen. Das Familienstraßenfest stand unter der Schirmherrschaft der Bezirksbürgermeisterin von Tempelhof-Schöneberg Angelika Schöttler (SPD). Das Motto des Regenbogenfestes lautete: „Regenbogenfamilien gehören dazu“.

Das Fest ist um 13 Uhr von der Bezirksbürgermeisterin Angelika Schöttler und Staatssekretärin Sigrid Klebba eröffnet worden. Danach schloss sich ein bunter Nachmittag an, wo sich auf der Bühne viele große und kleine Künstler_innen sich präsentierten. Darunter waren unter anderem Suli Puschban und die Kapelle der guten Hoffnung, Siri Svegler, Clown Pipo sowie weitere Theater-,Musik- und Zirkusgruppen. Während des ganzen Nachmittags gab es an zahlreichen Ständen für die Kinder vielfältige Mitmachaktionen und Informationsmöglichkeiten für alle. Das besondere Highlight: Eine Hüpfburg. Alle Kinder, die mir entgegen kamen, machen einen sehr glücklichen Eindruck und das ist die Hauptsache!

Politischer Talk „Ich stehe für 100% Gleichstellung“

Gegen 16 Uhr fand auch ein politischer Talk auf der Bühne statt. Neben Mechthild Rawert  ist auch Renate Künast von einem Moderator von Radio Teddy befragt worden.

Als erstes ist Mechthild gefragt worden: Warum braucht es in Deutschland im Jahr 2015 ein Straßenfest bei dem darauf aufmerksam gemacht werden muss, dass Familien mit lesbischen Müttern und schwulen Vätern – also Regenbogenfamilien – zu unserer Gesellschaft gehören und auch gleich behandelt werden wollen?

Mechthild:  Zunächst einmal bin ich stolz, dass es das Regenbogenfamilienzentrum hier in Schöneberg gibt. Zu Recht wurde das Zentrum als „Ausgezeichneter Ort im Land der Ideen“ prämiert. Das Regenbogenfamilienzentrum ist Ausdruck der gelebten Vielfalt, die unsere Stadt so liebenswert macht. Und es ist ein Leichtturm, der weit über Berlin hinausstrahlt. Als Regenbogenstadt ist Berlin mit seiner aktiven LGBTI*-(Lesbian, Gay, Bisexual, Transsexual, Intersexual)Politik Vorbild für viele Städte und Regionen auf der ganzen Welt. Am 17. Mai 2013 ist Berlin als Gründungsmitglied dem Internationalen Netzwerk der Regenbogenstädte (International Rainbow Cities Network) beigetreten. Wir wollen eine Gesellschaft, in der jede und jeder frei von Gewalt und Diskriminierung selbstbestimmt und gleichberechtigt leben und lieben darf. Als Sozialdemokratin will ich 100% Gleichstellung, auch wenn wir in der aktuellen Koalition jeden noch so kleinen Schritt hart erkämpfen müssen. Mir ist sehr bewusst, dass der Schneckenfortschritt nur sehr schwer erträglich ist. Diskriminierung findet leider noch immer statt. Sie hat viele Facetten, beginnt beim Adoptionsrecht und geht weit über die Rehabilitierung Verurteilter nach §175, das Melderecht oder das Steuerrecht hinaus. Immer noch bleibt die Öffnung der Ehe, damit sämtliche, noch bestehenden, rechtlichen Diskriminierungen beendet werden. Wir wollen die Gleichheit vor dem Gesetz nach Artikel 3 des Grundgesetzes – egal welcher sexuellen Identität. Deswegen brauchen wir das Regenbogenfest, um ein wichtiges Zeichen und Signal für gelebte Vielfalt in unserer Gesellschaft zu setzen.

Die zweite Frage lautete: Noch sind Regenbogenfamilien nicht gleich gestellt wie Familien mit Mutter, Vater, Kind. Das zeigt sich besonders, weil wir für die einen Familien zur gegenseitigen Absicherung die Eingetragene Lebenspartnerschaft haben und für die anderen Familien die Ehe. Was bedeutet das für die Familien und was muss sich ändern?

Mechthild: „Ich unterstütze die Forderungen des Regenbogenfamilienzentrums“:

 Darunter ist die Öffnung der Ehe bzw. die Gleichstellung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft mit der Ehe. Ebenso stimme ich der Forderung nach einem gemeinsamen Sorgerecht von Anfang an ohne Stiefkindadoption zu. Des Weiteren plädiere ich für einen Zugang zur Reproduktionsmedizin für lesbische Paare und alleinstehende Frauen und für eine Flexibilisierung des Familienrechts und Beteiligungsmöglichkeiten bei Mehrelternkonstellationen. Beispiele hierfür wären der Umgang nach Stiefkindadoptionen und die Mutterschaftsanerkennung.

Zur Wahrheit gehört leider aktuell: In einer Koalition mit CDU/CSU ist eine 100% Gleichstellung leider nur schwer realisierbar. Das gilt nach dem enttäuschenden Ergebnis des Mitgliederentscheids im Juli dieses Jahres auch für die CDU Berlin.

Glücklicherweise gibt es auch einige Punkte, wo es aktuell vorangeht.

Darunter sind mehrere Initiativen des Bundesfamilienministeriums:

Bundesministerin Manuela Schwesig (SPD) meint es ernst mit der Förderung von Regenbogenfamilien, das betonte sie auch bei ihrem Besuch im Regenbogenfamilienzentrum im letzten Herbst: „ Ich will dafür Sorge tragen, dass Regenbogenfamilien in Deutschland aber auch in Europa als Normalität und Realität anerkannt werden und Unterstützung erfahren.“ Außerdem förderte das Bundesfamilienministerium 2014 die aktualisierte Neuauflage des Beratungsführers „Regenbogenfamilien“. Aus dem bundesweiten Modellprojekt „Homosexualität und Familie“, durchgeführt vom Lesben- und Schwulenverband (LSVD) und Bundesfamilienministerium, ist ein umfangreiches Nachschlagewerk mit fundierten Informationen entstanden, dass insbesondere die Lebenssituation von Regenbogenfamilien beleuchtet. Dafür wurde eine eigene Webseite eingerichtet, wo alle Informationen verfügbar sind, aber auch bestellt werden können. Das unterstützte 2014 eine Europäische Konferenz für Regenbogenfamilien, die in Köln stattfand, organisiert vom LSVD, FES und Network of European LGBT Families Association (NELFA).

Gründung des neuen Referats Gleichgeschlechtliche Lebensweisen im Bundesfamilienministerium:

Die Haltung „100% Gleichstellung“ dokumentiert das unter Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig eingerichtete Referat „Gleichgeschlechtliche Lebensweisen, sexuelle Identitäten“ im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Unter Leitung von Frau Dr. Blomeyer wird dort die interministeriale Arbeitsgruppe Inter- und Transsexualität koordiniert.

Bekämpfung von Homo-, Trans-, und Interphobie

Vorurteile, Benachteiligungen und offene Anfeindungen gegen Lesben, Schwule, trans-oder intersexuelle Menschen müssen bekämpft werden. So werden im neuen Bundesprogramm „Demokratie leben“ des BMFSFJ aktuell neun Modellprojekte und ein bundesweites Strukturprojekt gefördert, um Homo-und Transphobie wirkungsvoll zu begegnen. Leider sind zu viele der LGBTI*-Community immer noch häufiger Gewalt ausgesetzt. Gute Tipps zum Reagieren lassen sich bei Informationsportalen der Polizei finden, welche übrigens auch mit einem Stand beim Regenbogenfamilienfest gewesen sind. Die „Aktion Tu was“ ist ebenfalls sehr empfehlenswert bei der Konflikt- und Gewaltprävention.

Weitere Initiativen auf Bundesebene:

Angleichung bestehender Gesetze für eingetragene Lebenspartnerschaften

Der Gesetzentwurf von Justizminister Heiko Maas (SPD) betrifft über 100 Einzelregelungen und geht in alle Bereiche. Indem es in 23 verschiedenen Gesetzen und Verordnungen die Vorschriften für die Ehe auf eine Lebenspartnerschaft ausgedehnt werden, kommen wir der Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnerschaften mit der Ehe erneut ein Stück näher.

Nationaler Aktionsplan

Wir wollen die CDU/CSU davon überzeugen, den „Nationalen Aktionsplan der Bundesrepublik Deutschland zur Bekämpfung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und darauf bezogene Intoleranz“ um das Thema „Homo-und Transphobie“ zu erweitern. In einer interministeriellen Arbeitsgruppe koordinieren das Bundesinnenministerium und das Bundesfamilienministerium die im Koalitionsvertrag vereinbarte Erweiterung des Nationalen Aktionsplans gegen Rassismus um die Merkmale Homo- und Transphobie.

Adoptionsrecht

In Deutschland gibt es immer noch ein unterschiedliches Adoptionsrecht für Ehepaare und für eingetragene Lebenspartnerschaften. Gemäß Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Oktober 2013 ist es eingetragenen LebenspartnerInen zwar nunmehr erlaubt, das adoptierte Kind des anderen Partners/der Partnerin in einem zweiten Schritt ebenfalls zu adoptieren. Diese Sukzessivadoption ist ein Fortschritt und unter dem Aspekt des Kinderwohls zu begrüßen. Leider bleibt die eingetragene Lebenspartnerschaft damit allerdings noch immer eine Ehe zweiter Klasse, der das gemeinschaftliche Adoptionsrecht verwehrt wird. Das will die SPD-Bundestagsfraktion ändern! Auch hier kämpfen wir bei unserem Koalitionspartner CDU/CSU um Zustimmung.

Steuerrecht

Nach zähen Verhandlungen mit CDU/CSU konnten wir am 5. Juni 2014 die vollständige steuerliche Gleichstellung von Lebenspartnerschaften erreichen – so wie es im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Juni 2013 gefordert ist.

Als dritte und letzte Frage ist Mechthild  gefragt worden, wie sie den Begriff Familie eigentlich unseren Gästen hier erklären würde bzw. was für sie  Familie sei?

Mechthild Rawert: „Wo Menschen Verantwortung füreinander übernehmen, da ist Familie“

Mechthild: Wo Menschen Verantwortung füreinander übernehmen, da ist Familie. Die Familie ist der Ort, wo Menschen Geborgenheit finden,  Vertrauen füreinander haben und ganz unmittelbar Verantwortung füreinander übernehmen. Schon 2009 stellte die von der damaligen Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) in Auftrag gegebene Studie „Die Lebenssituation von Kindern in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften“ eindeutig fest, dass in Regenbogenfamilien Kinder ebenso viel Zuwendung und Liebe erhalten wie in anderen Familien. Zum gleichen Ergebnis kommt auch eine amerikanische Studie. Laut Zensus von 2011 gab es in Deutschland 34. 000 eingetragene Lebenspartnerschaften. Davon sind alleine in Berlin über 4.350 eingetragene Lebenspartnerschaften. 5.700 Kinder leben in Familien, deren Eltern eine eingetragene Lebenspartnerschaft führen. In Berlin sind es 458 Kinder.

Frederic Fraund