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Armenien - Wo liegt das? Dort wo Jugendliche aus ganz Europa sich treffen, um über die Zukunft der EU zu sprechen

Bericht von Victoria Saad über ihre Erfahrungen beim Internationalen Forum des Europäischen Jugendparlaments Armenien in Jerewan

Es waren auf- und anregende 8 Tage, die 200 Jungendliche aus aller Welt von 16-22 Jahren am 21.-28.  Mai 2015 in Jerewan, Armenien, miteinander gestalteten. Ausschussarbeit, Resolutionen diskutieren und verfassen, General Assembly … Im Mittelpunkt dieses International European Youth Forum 2015 stand die Frage: Wie soll die Zukunft Europas aussehen? Keine leichte Frage. Aus diesem Grund ging der Konferenz, die seit 25 Jahren Jugendlichen aus aller Welt eine Plattform bietet, über europapolitische und gesellschaftliche Themen zu diskutieren, ein Auswahlprozess voraus, an dem auch Victoria Saad teilgenommen und für die Konferenz ausgewählt wurde. Im Mai 2015 berichtete sie über ihre Erfahrungen vom Auswahlverfahren in Hamburg. Ich freue mich sehr, dass ich Victoria dabei unterstützen konnte, ihre Ideen und Gestaltungsdrang in die Zukunft der EU beim Internationalen Forum des Europäischen Jugendparlaments in Armenien einzubringen, von dem sie hier berichtet.

„Armenien. Wo liegt das eigentlich überhaupt? Ungefähr so sahen meine ersten Gedanken in Hamburg aus, als mir auf der Regionalen Auswahlsitzung mitgeteilt wurde, dass ich für eine Internationale Sitzung in Armenien ausgewählt worden war. Um die Frage aufzulösen: Armenien ist ein kleines Land (ungefähr so groß wie Brandenburg) mit etwa drei Millionen Einwohnern, von denen 1,2 Millionen in der Hauptstadt Jerevan leben. Nachbarstaaten sind die Türkei, Georgien, Aserbaidschan sowie der Iran.

Am 20.05.2015 war es dann für mich so weit. Ich flog mit Ukrainian Airlines über Kiew nach Jerevan. Bereits im Flugzeug traf ich einige der Ausgewählten aus Hamburg wieder. Mit diesen wurde ich dann gegen halb zwölf Uhr abends in Jerevan vom Flughafen abgeholt und in das Hostel gebracht (mit einem Umweg in ein anderes Hostel, in dem wir dann aber doch nicht untergebracht waren, was einen übermüdet und fremd in der Stadt, nicht in der Lage etwas zu verstehen, natürlich unglaublich freut). Als wir dann im richtigen Hostel angekommen waren, kam die nächste Überraschung: ich war mit sieben anderen Mädchen in einem Raum untergebracht und es gab für das gesamte Stockwerk (insgesamt 17 junge Leute) nur einen Raum der die Toilette, das Waschbecken und die Badewanne fasste. Das WLAN funktionerte im zweiten Stock natürlich auch nur sporadisch (im Erdgeschoss und dritten Stock funktionierte es ziemlich gut), aber eine Woche kann man damit natürlich auch leben.

An dem Abend fand ich dann auch endlich ein leeres Bett in meinem Zimmer (was im Dunkeln relativ schwer war) und wachte am nächsten Morgen relativ früh auf. Am 21.05.2015 begann um 10 Uhr im Rathaus von Jerevan die feierliche Eröffnungszeremonie. Die „International Delegates“ sollten um 8:30 Uhr abgeholt werden. Mein Smartphone, was ich auf armenische Zeit umgestellt (UTC+4) hatte, zeigte mir jedoch nicht die richtige Zeit an. So war ich um 8 Uhr in heller Aufregung, weil alle noch tief schliefen und ich scheinbar die einzige war, die nicht verschlafen hatte. Nachdem ich dann ein anderes Zimmer mit einer Deutschen aufgeweckt hatte, wurde ich darauf hingewiesen, dass es erst 7 Uhr war. Anscheinend kennt also selbst Android die armenische Zeitzone nicht…

Die Eröffnungszeremonie, zu der wir uns alle schick anziehen mussten, war jedenfalls sehr schön. Wir fanden die „Delegates“, die auch in unserem Ausschuss waren und lernten bereits viele Armenier kennen. Insgesamt gab es etwas mehr als 200 Teilnehmer, von denen der Großteil armenisch war.

Für die Kennenlernspiele im Anschluss, durften wir uns umziehen und nachdem man so bei schön warmen armenischen Temperaturen im Park sehr viele kindische Spiele über sich ergehen lassen hatte, war es auch schon so weit: wir mussten uns auf die „Euro Village“ vorbereiten. Diese Veranstaltung, bei der jeder in seiner Heimat typische Speisen präsentierte und verköstigte, fand in einem Innenhof statt. Wir Deutsche hatten (von mir selbst gebackenes) Roggenbrot mit Butter und Marmelade, sowie Weißwürste mit Senf und sämtliche „kinder“-Produkte (die ja eigentlich italienisch sind) mitgebracht und vor Ort noch etwas deutsches Bier gekauft (das allerdings recht teuer war). Doch viel interessanter waren natürlich die Speisen (und Getränke) der anderen 50 internationalen Teilnehmer. Über einen Australier, Philippiner, Thailänder, Mexikaner bis zu zwei Bewohnern aus dem kleinen Karibikstaat St. Kitts and Nevis war alles vertreten.

Am nächsten Tag begann dann die Arbeit, wir beschäftigten uns als Ausschuss (DROI – für Menschenrechte) mit einer Resolution zum Armenischen Genozid. Da wir uns bereits zuhause damit auseinandersetzen und eine Woche vor dem Forum einige Seiten als Statement abgeben mussten, war dies nicht weiter schwierig. In meinem Ausschuss waren drei englische Muttersprachler, denen die genaue Ausformulierung unserer „ic’s“ („introductory clauses“-Einführungsklauseln) und „oc’s“ („operative clauses“- Ausführungsklauseln) überlassen wurde, aber wir mussten uns natürlich trotzdem mit dem Inhalt auseinandersetzen. Uns kam natürlich zugute, dass zwei der englischen Muttersprachler auch in ihrer jeweiligen Heimat im (Jugend-)parlament tätig und dementsprechend sehr umfassend rhetorisch geschult waren. Allerdings wäre unsere Resolution vermutlich in jedem Fall verabschiedet worden, da sie sich mit dem für Armenier sehr sensiblen Thema befasste.

Nachdem wir drei Tage an unseren Resolutionen gearbeitet haben, gab es einen Tag, an dem wir als Komitee einen gemeinsamen Ausflug mit Mittagessen unternahmen, unserem Thema entsprechend in das „Genocide Memorial“. Mittagessen gab es in der nahegelegenen Shoppingmall.

Am Tag danach begann die „General Assembly“ in einem Business-Hochhaus mitten in Jerevan. Aus dem dreizehnten Stock hatte man einen sehr guten Blick über die Stadt, leider war unser Konferenzraum nur im dritten Stock und hatte zudem keine verhängten Fenster, was vermutlich die Konzentration auf die Debatte verstärkte. Nichtsdestotrotz musste, um die Anwesenheit der armenischen Delegierten zu gewährleisten, das jeweilig präsentierende Komitee direkt vor der Debatte ausgelost werden (diese hatten größtenteils zeitgleich Univorlesungen oder einfach etwas Besseres zu tun).

Die „General Assembly“ ging über zwei Tage. Am Ende des ersten gab es – für diejenigen, die sich rechtzeitig angemeldet hatten – ein kulturelles Dinner in einer traditionellen Teppichfabrik. Dabei bekamen wir eine Führung vom Inhaber, mit Blick in die aktuelle Teppichaustellung und der Option für mehrere hundert Euro einen Teppich zu erwerben. Das anschließende Essen fiel eher mager aus, aber sehr schön war die Einführung in den armenischen Tanz, den wir von anderen armenischen Delegierten bekamen. Auf die Dauer war das allerdings durchaus mit Schmerzen verbunden, da wir unsere formelle Kleidung von der „General Assembly“ nicht zwischendurch wechseln konnten und mir nach einer Weile meine Füße in den hochhackigen Schuhen ziemlich wehtaten…

Das Ende des zweiten Tages war als Abschluss und Abschied durch eine europäische Party in einem Club gekennzeichnet, doch war das nicht nur eine Besonderheit des letzten Tages. Da Alkohol in Armenien sehr günstig ist und es auch keine Alterskontrollen gibt, waren  natürlich sehr viele abends unterwegs. Da während des Forums auch der Eurovision Song Contest stattfand, sogar mit Teilnahme Armeniens, war bereits an diesem Tag eine Bar gemietet worden. Da ich mich für meine mündliche Abiturprüfung vorbereiten musste, habe ich allerdings an keiner der Feiern teilgenommen, sondern bin mit einigen anderen in dem Hostel geblieben.

Am letzten Tag, dem 28.05.2015, hatten wir internationale Delegierte noch das Privileg „Tatev Monastery“ zu besuchen, ein altes armenisches Kloster. Die Armenier sind immer noch sehr stolz darauf, dass sie das erste Land mit Christentum als Staatsreligion sind und die Arche Noah angeblich am Berg Ararat (der nicht mehr auf armenischem Territorium liegt) angelandet ist. Die Fahrt, die mit einem Auto ungefähr zwei Stunden dauert, verlängerte sich mit dem Bus auf fünf (pro Strecke). Dennoch hätte ich die Gelegenheit nicht missen wollen, die armenische Landschaft zu sehen, die sehr bergig ist und noch relativ unberührt. Die Straßen sind leider in katastrophalen Zustand und die Menschen, die auf dem Land leben auch sehr arm. So kamen uns auf der Straße Bauern mit ihren Kühen entgegen, die sie über das Land trieben und auch ansonsten gab es nur kleine Felder, die ohne große Maschinen bewirtschaftet wurden. Auch vernünftige Toiletten gab es auf der Fahrt nicht, nur Plumpsklos. Das änderte sich erst kurz vor Erreichen des Klosters, da wir dort an einer Seilbahn, von einem schweizerischen Unternehmen gebaut, als weltweit längste Pendelbahn, vorbeikamen und zu der Infrastruktur einer solchen Anlage natürlich neben kostenlosem WLAN, vernünftigen Straßen und  verhältnismäßig teuren Preisen auch Toiletten nach westlichem Standard gehören.

Unser Rückflug ging am nächsten Tag relativ früh am Morgen und so schliefen wir nicht, sondern blieben die Nacht wach und führten noch einige sehr interessante Gespräche mit den anderen internationalen Delegierten. Dann ging es auch schon wieder zurück nach Berlin, unser Flug hatte leider ein wenig Verspätung, weshalb uns die Kontrolle durch die Soldaten am Flughafen in Kiew umso nervöser machte, aber zum Glück schafften wir rechtzeitig den Anschlussflug, im Gegensatz zu unserem Gepäck. Aber auch das war nach drei Tagen endlich zuhause. Meine mündliche Abiturprüfung lief auch ganz gut und die Zeit in Armenien war (auch im Nachhinein) auf jeden Fall eine sehr interessante Erfahrung. Hiermit möchte ich mich auch sehr herzlich bei Mechthild Rawert bedanken, die diese Reise finanziell unterstützt hat!!

Vor drei Wochen habe ich bei einer ähnlichen Veranstaltung, einer Simulation des Europäischen Parlaments als Helferin mitgewirkt. Die sogenannte SIMEP findet immer zweimal im Jahr im Marie-Elisabeth-Lüders- bzw. Paul-Löbe-Haus und dem Berliner Abgeordnetenhaus statt. Hier schreibt man die Resolutionen als Abgeordneter nicht selber, sondern bringt als Fraktion Änderungsvorschläge ein. Dieses Jahr hatten wir das unglaubliche Privileg den Präsidenten des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, sowie den Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, begrüßen zu dürfen. Die Themen waren Energie und Klima, Umwelt und TTIP. Wer einmal in die Arbeit des europäischen Parlaments reinschnuppern möchte, dem kann ich das nur ans Herz legen. Die SIMEP ist für Schülerinnen und Schüler von der 10. bis zur 13. Klasse und findet über den Zeitraum von zwei Tagen (Sonntag und Montag statt). Nähere Informationen findet man unter „simep.eu“. Ansonsten kann man sich aber natürlich auch ab der 10. Klasse bei einer Veranstaltung des Europäischen Jugendparlaments Deutschland bewerben, was ich jedem politikinteressierten nur ans Herz legen kann.“