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Wir brauchen mehr Schutz für Frauen und Mädchen in Not!

Im Jahr 2014 befanden sich 59,5 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht. Millionen Menschen leben in Flüchtlingslagern, Hunderttausende haben sich auf den gefährlichen Weg nach Europa gemacht. Auch unter diesen schwierigen Bedingungen werden Frauen und Mädchen schwanger und Kinder geboren. Die dringend erforderliche gesundheitliche Versorgung während Schwangerschaft und Geburt, aber auch der Schutz vor ungewollten Schwangerschaften, vor sexuell übertragbaren Krankheiten sowie vor sexuellen Übergriffen und Vergewaltigungen ist in humanitären Krisensituationen erheblich schwerer  bzw. gar nicht zu gewährleisten.

Das geht aus dem aktuellen Weltbevölkerungsbericht „Schutz für Frauen und Mädchen in Not. Eine Zukunftsagenda für eine krisengeschüttelte Welt“ hervor, den die Stiftung Weltbevölkerung (DSW) gemeinsam mit dem Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA) der Öffentlichkeit am 3. Dezember 2015 vorstellte. Der Bericht enthält jüngste demografische und sozioökonomische Daten für alle Länder und Regionen der Erde.
Die Mitglieder des Parlamentarischen Beirats der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung, wurden am gleichen Tage durch Bettina Maas, Repräsentantin der UNFPA in Mosambik, informiert. Diesem Beirat gehöre ich seit fast 10 Jahren an. Wichtige Schwerpunkte der Beiratsarbeit sind die Verbesserung der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und Rechte, der Zugang zu freiwilliger Familienplanung, der Schutz vor HIV und Aids, die Umsetzung von Mädchen- und Frauenrechten sowie Geschlechtergerechtigkeit. Weitere Informationen zu notwendigen politischen internationalen und nationalen Maßnahmen zum Schutz für Frauen und Mädchen in Not gab es von Sigrid Weiser vom Bundesverband von pro familia. Dabei ging Sigrid Weiser schwerpunktmäßig auf die Situation von Mädchen und Frauen in Flüchtlingsunterkünften in Deutschland ein.

Aufrüttelnde Fakten des Weltbevölkerungsberichts „Schutz für Frauen und Mädchen in Not“

Im Jahr 2014 sind 59,9 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht gewesen. Dies stellt den höchsten Stand seit dem Zweiten Weltkrieg dar. Aktuell leben circa eine Milliarde Menschen (rund 14 Prozent der Weltbevölkerung) in Konfliktgebieten, 200 Millionen Menschen sind jedes Jahr von Naturkatastrophen betroffen. Viele von ihnen verlieren ihr Zuhause und fliehen vor Chaos und Zerstörung, sagt Bettina Maas, UNFPA. 100 Millionen Menschen benötigen derzeitig humanitäre Hilfe - ein Rückgang ist nicht in Sicht, ehr das Gegenteil. „Davon sind alleine 25 Millionen Frauen und Mädchen zwischen 15 und 49 Jahren alt. Mädchen und Frauen sind in Krisensituationen besonders benachteiligt, können sich Verhütungsmittel nicht leisten, erhalten häufig keine gesundheitlichen Hilfen und werden leicht Opfer von Gewalt. Diese sind einem sehr hohem Risiko für sexuelle Gewalt, ungewollte Schwangerschaften und Menschenhandel ausgesetzt. Bei humanitären Hilfsmaßnahmen müssen sie daher dringend besser geschützt und versorgt werden.“

Seit dem Jahr 2011 ist der Bedarf an humanitärer Hilfe laut den Vereinten Nationen auf 19,5 Milliarden US-Dollar gestiegen. In der Realität kamen nur zwölf Milliarden US-Dollar zusammen, was eine Rekordlücke von 7,5 Milliarden US-Dollar, umgerechnet 38 Prozent der gesamten Summe, darstellt. In fragilen Staaten und Post-Konflikt-Staaten leben weltweit 60 Prozent aller unterernährten Menschen und 77 Prozent der Kinder, die nicht zur Grundschule gehen können. Außerdem entfallen auf diese Länder 70 Prozent der Säuglingssterblichkeit und 64 Prozent der unbetreuten Geburten. Alle drei Minuten stirbt alleine in diesen fragilen Staaten eine Frau infolge von Komplikationen während der Schwangerschaft oder Geburt - das bedeutet, dass allein innerhalb eines Tages 507 Frauen deswegen sterben.  

Frauenrechte werden auch im Jahr 2015 in weiten Teilen der Erde noch mit Füßen getreten

Frauen und Mädchen zahlen den höchsten Preis der weltweiten Entwicklung. Gerade in Krisensituationen, wie sie in fragilen und Post-Konflikt-Staaten Gang und Gebe sind, steigt die Gefährdung für Frauen und Mädchen durch HIV-Infektionen infiziert zu werden. Ein weiteres stark verbreitetes Phänomen sind unbeabsichtigte und ungewollte Schwangerschaften, welche das Leben der Frauen und Mädchen in erheblichem Maße beeinträchtigen. Ursache ist, dass den Frauen und Mädchen oft jeglicher Zugang zu Dienstleistungen der sexuellen und reproduktiven Gesundheit verwehrt ist. Die schlechte medizinische Versorgung ist auch mitverantwortlich für eine hohe Müttersterblichkeit. Frauen sind in fragilen Staaten auch deutlich schlechter in ihren Rechten gestellt als Männer und darum häufig Opfer von geschlechtsspezifischer Gewalt. Ein Entkommen aus dieser Situation ist kaum möglich. Oftmals werden Frauen und Mädchen schon während des Kindesalters gegen ihren Willen verheiratet. Selbstbestimmung ist für sie ein hehres Wort. Obwohl viele Frauen vergewaltig werden, können sie aufgrund der Schlechterstellung in der Rechtsprechung kaum gerichtlich dagegen vorgehen. Mit ihren daraus folgenden psychischen Traumata werden sie komplett alleine gelassen. Ein weiteres großes Problem besteht im steigenden Frauenhandel.

Den Schutz vor sexueller Gewalt und den Zugang zu Verhütungsmittel und zur Gesundheitsversorgung verbessern

Mein eigenes Bekenntnis: Ich möchte in einer Welt leben, in der Frauen nicht ihrer Grundrechte und Freiheiten beraubt werden, sondern selbstbestimmt ihr Leben führen können. Ich möchte in einer Welt leben, in der Armut Menschen nicht in ihrer Existenz bedroht und von vornherein jegliche Chancen verbaut. Der Bericht „Schutz für Frauen und Mädchen in Not“ erinnert daran, dass jeder Mensch ein Recht auf ein uneingeschränktes körperliches und seelisches Wohlbefinden in Bezug auf alle Bereiche der Sexualität und Fortpflanzung hat. Das bedeutet der Fachbegriff "sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte (SRGR). Die dazugehörigen entwicklungspolitischen Maßnahmen zur Verwirklichung dieser Rechte - zum Beispiel Sexualaufklärung, HIV-Prävention, Familienplanung, die Versorgung bei Schwangerschaft und Geburt, die Vorbeugung und Behandlung sexuell übertragbarer Krankheiten sowie die Prävention geschlechtsspezifischer Gewalt, etwa der Genitalverstümmelung von Mädchen und Frauen - sind auszubauen und zu verbessern. Zudem muss die Versorgung von Vergewaltigungsopfern und die Bereitstellung von antiretroviralen Medikamenten zur Behandlung von Aids gewährleistet werden.

Eine ausreichende Finanzierung gewährleisten

Trotz erhöhter Mittel für humanitäre Hilfe ist die Finanzierungslücke in 2014 auf 7,5 Milliarden US-Dollar angestiegen. Die deshalb absolut unzureichenden Lebenssituationen in den Flüchtlingscamps ist auch eine der Ursachen der Flucht vieler nach Europa. 

Auch Deutschland als reiches Industrieland trägt eine große Verantwortung. Der Koalitionsvertrag der Bundesregierung enthalte hierzu bereits eine eindeutige Aussage: „Wir halten an dem Ziel fest, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für öffentliche Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung zu stellen. Wir werden uns diesem Ziel durch jährliche Steigerungen der Mittel für Entwicklungszusammenarbeit im Rahmen des Bundeshaushalts annähern.“ Obwohl die Hilfen für humanitäre Hilfen und Krisenprävention sowie für die Entwicklungszusammenarbeit in den vom Deutschen Bundestag verabschiedeten Haushaltsplänen in dieser Legislaturperiode jährlich angestiegen sind, reichen sie nicht aus. Noch haben wir die Vorgaben von 0,7 Prozent im Vergleich zu unserer Bruttowirtschaftsleistung der Vereinten Nationen nicht erreicht.

Ein Vorbild können die skandinavischen Länder sein. Zum Beispiel hat Norwegen für das Jahr 2016 ein Prozent seines Bruttonationaleinkommens für humanitäre Hilfe beschlossen.

Forderungen von Pro familia

Sigrid Weiser vom Bundesverband von pro familia, erinnerte daran, dass seit der internationalen UN-Konferenz für Bevölkerung und Entwicklung in Kairo im Jahr 1994 die reproduktiven Rechte den Status als Menschenrecht haben. Dieses Menschenrecht enthält auch das Recht eines jeden Menschen auf ungehinderten Zugang zu möglichst sicheren, gesundheitlich verträglichen und finanziell erschwinglichen Verhütungsmethoden.

Sie forderte daher:

  • eine Sicherstellung des Zugangs zu individueller und verlässlicher Verhütung für alle Frauen und Männer in Deutschland - eine Forderung, die von pro familia und vom Paritätischen Gesamtverband schon lange erhoben wird.
  • Zusätzliche Personalstellen zur Beratung zur Gewährleistung von sexuellen und reproduktiven Rechten auch für Frauen in Flüchtlingseinrichtungen. Die derzeitigen Regelungen des Gesetzes zur Vermeidung und Bewältigung von Schwangerschaftskonflikten (Schwangerschaftskonfliktgesetz) sähen eine Komm-Struktur vor. Für die Arbeit mit Frauen auf der Flucht seien aber aufsuchende Angebote, eine „Geh-Struktur“ von Nöten. Sexualpädagogische Angebote seien der Prävention verpflichtet.
  • Eine staatliche Verpflichtung zum Aufbau eines abrufbaren DolmetscherInnenpools, um Frauen - trotz Sprachgrenzen - beraten zu können:  Leider sei das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“, ein bundesweites Beratungsangebot für Frauen, die von Gewalt betroffen sind, noch zu wenig bekannt. Unter der Nummer 08000 116 016 und via Online-Beratung können sich Betroffene, aber auch Angehörige, FreundInnen sowie Fachkräfte anonym und kostenfrei beraten lassen. Qualifizierte Beraterinnen stehen den Anrufenden vertraulich zur Seite und vermitteln sie auf Wunsch an Unterstützungsangebote vor Ort - 365 Tage im Jahr, rund um die Uhr erreichbar. Bei Bedarf werden Dolmetscherinnen in 15 Sprachen zum Gespräch hinzugeschaltet. Dieses Hilfsangebot ist beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA), eine Behörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), angesiedelt. Hier könnten ggf. weitere Dolmetscherdienste angesiedelt werden.
  • Einen Ausbau von Gewaltschutzkonzepten, die sich auch an Frauen in Flüchtlingseinrichtungen richten.