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PrEP - und wie nun weiter?

 Die europäische Zulassung der so genannten Prä-Expositionsprophylaxe (PrEP, auf Deutsch: Vor-Risiko-Vorsorge) mit Tenofovir/Emtricitabin (Truvada®) ist am 22. August 2016 unter Auflagen erfolgt. Selbstverständlich müssen vor einer Zulassung in Deutschland auf nationaler Ebene erst Schulungs- und Informationsmaterialien für ÄrztInnen und KlientInnen entwickelt werden – die dafür zuständige deutsche Zulassungsbehörde ist das Bundesinstitut für Arzneimittel- und Medizinprodukte (BfArM). Außerdem müsse die Erstattungsmöglichkeit durch die Gesetzliche Krankenversicherung verlässlich geklärt werden. So die Erwartung von HIV/Aids-Organisationen. Doch es kommt anders: Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), der sonst für die Erstattungsfähigkeit aller Medikamente zuständig ist, erklärt sich für PrEP nicht zuständig. HIV/Aids Organisationen sind mehr als enttäuscht und haben sich an mich als zuständige Berichterstatterin für HIV/Aids in der SPD-Bundestagsfraktion gewandt.

HIV-Neuinfektionen in Deutschland bekämpfen

In meiner Pressemitteilung zum Welt-Aids-Tag habe ich auf die seit Jahren relativ konstante Zahl von Neuinfizierungen in den letzten Jahren hingewiesen. Im Jahr 2015 gab es nach Angaben des Robert-Koch-Instituts insgesamt 3.200 Neuinfektionen. Die Übertragungen erfolgten bei 2.200 bei Männern, die Sex mit Männern haben, 750 auf heterosexuellem Wege und 250 bei intravenösem Drogenkonsum. Von den deutschlandweit 84.700 HIV-Infizierten wissen ungefähr 12.600 nichts von ihrer Infektion. Bekannt ist, dass spätere Diagnosen zu höherer Sterblichkeit und höheren Behandlungskosten führen. Hinzukommt, dass die Infektion unbeabsichtigt weitergegeben werden kann.

PrEP für Deutschland nutzbar machen

Erneut anlässlich des Welt-Aids-Tag am 1. Dezember haben sich die zuständigen HIV/Aids-Organisationen für die Einführung von PrEP ausgesprochen. Die medikamentöse HIV-Prophylaxe könne helfen, die Zahl der HIV-Neuinfektionen nachhaltig zu senken. Über die „klassische“ Prävention (Safer-Sex-Botschaft, Unterstützung besonders bedrohter Menschen) und den umfassenden Zugang zur medizinischen Versorgung (Schutzwirkung der Therapie) hinaus brauche es zur Senkung der Infektionszahlen auch den Einsatz der heute verfügbaren medizinischen Möglichkeiten zur HIV-Prophylaxe.

Studien würden die die Wirksamkeit der Präventionsmethode PrEP belegen - also der vorbeugenden Einnahme von antiretroviralen Medikamenten durch HIV-negative Menschen, um sich vor einer Ansteckung mit HIV zu schützen. Der Nutzen sei insbesondere dokumentiert für Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), mit einem besonders hohen HIV-Risiko (also eine kleine Teilgruppe der MSM). Die PrEP solle als Ergänzung für eine relativ kleine Teilgruppe und nicht in Konkurrenz zu den klassischen Angeboten gesehen werden. Sie stelle eine Chance dar, die HIV-Prävention noch effektiver zu gestalten und die Neuinfektionen zu senken. Unbestritten sei Aufklärung und die Kondombotschaft weiterhin notwendig, das Kondom werde der am weitesten verbreitete Schutz vor HIV bleiben. Sollte es zu keiner erstattungsfähigen Einführung kommen, wird das Aufblühen eines Schwarzmarktes befürchtet. Zudem könne das für die PrEP eingesetzte Medikament Truvada®  auch bei unsachgemäße Anwendung zu erheblichen Gesundheitsrisiken führen. Daher müsse jede PrEP-Verordnung durch Ärzt*innen erfolgen, die Erfahrung mit antiretroviralen Therapien haben - und nicht via Internet aus dem europäischen Ausland. Es stehe zu befürchten, dass die Prävention und Versorgung von Menschen mit HIV/Aids insgesamt Schaden nehmen wird, wenn es keinen regulären Zugang zur PrEP gibt. Frankreich und Norwegen hätte die PrEP bereits in ihre Präventionsstrategien integriert, in weiteren Ländern laufen Projekte zur PrEP.

Die PrEP-Diskussion offenbart Lücke im System

Im Rahmen des vom Gesetzgebers vorgegebenen Rahmen ist der G-BA zuständig für die Entscheidung über die Einzelnen von der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu übernehmenden Leistungen der medizinischen Versorgung. G-BA -Vorsitzender Josef Hecken hat sich nun erstmals zur Finanzierung der HIV-Prophylaxe mit dem Medikament Truvada geäußert. Der G-BA sei für die Klärung der Erstattungsfrage nicht zuständig. Bei der Prä-Expositionsprophylaxe werde Truvada weder zur Behandlung einer Krankheit eingesetzt, noch handele es sich um eine Impfung. Insofern entspreche die PrEP nicht den gesetzlichen Vorgaben, nach denen der G-BA über die Finanzierung von Medikamenten befinde.

Aus Sicht der HIV/Aids-Organisationen offenbart die Diskussion um PrEP Lücken im System. Medikamentöse Prophylaxen sind nirgendwo eindeutig vorgesehen. Seitens der HIV/Aids-Organisationen wird daher eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes oder der Schutzimpfungsrichtlinie vorgeschlagen, damit der Weg zur Finanzierung von Truvada® als PrEP ermöglicht werde:

  • Ergänzt werden könne § 20 Infektionsschutzgesetz (IfSG) um Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe übertragbarer Krankheiten. Anschließend könne das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) nach Anhörung der Ständigen Impfkommission (STIKO) und der GKV eine Kostenübernahme ermöglichen.
  • Alternativ könnte die Schutzimpfungsrichtlinie des G-BA um medikamentöse Prophylaxen erweitert werden. Dann könnte der G-BA nach einer entsprechenden STIKO-Empfehlung zur PrEP diese zeitnah in die Schutzimpfungsrichtlinie aufnehmen.

Durch beide Maßnahmen könnte gewährleistet werden, dass für Versicherte und ÄrztInnen Klarheit über die medizinische Empfehlung und über die Erstattungsfähigkeit besteht. Derzeit belaufen sich die monatlichen Kosten von Truvada® noch auf ca. 820 Euro/Monat.

Ich habe zugesagt, dass ich mich wegen der medikamentösen HIV-Prophylaxe mit dem Bundesgesundheitsministerium ins Benehmen setze.