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Mechthild Rawert als Gast beim Deutschen Kassenärztetag und der Euroforum-Konferenz zur Zukunft der Kassenärztlichen Vereinigungen

Quelle: KBV

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„Auch ich vertrete die Haltung, dass im Interesse der Bevölkerung ein Sicherstellungsauftrag zu gewährleisten ist. Dieses ist heute aber nicht mehr in allen Teilen unseres Landes der Fall. Angesichts einer älter werdenden Gesellschaft ist die angemessene und flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit ärztlichen Dienstleistungen eine Herausforderung für uns alle: für die verfasste Ärzteschaft als Leistungserbringer, für die Krankenkassen als patientInnenorientierte Gestalter der Gesundheitslandschaft und sicherlich auch für die Politik, die hierfür einen Ordnungsrahmen zu setzen hat. Wettbewerb, der auf dieser Basis Suchmodelle nach der besten vor Ort-Versorgung darstellt, wird von mir begrüßt“ erklärt Mechthild Rawert, Mitglied im Gesundheitsausschuss und Bundestagsabgeordnete für Berlin Tempelhof-Schöneberg, im Anschluss die Veranstaltungen "Vom Kassenarzt zum Arzt der Kassen?" der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) am 01. September. Neben Rawert waren auf dem Podium der KBV Daniel Bahr, gesundheitspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, Biggi Bender, gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis90/DieGrünen, Gregor Gysi (Fraktionsvorsitzender DieLinke) und Wolfgang Zöller (stellvertretender Fraktionsvorsitzender CDU/CSU-Fraktion). Bereits am 31. August hatte außerdem die Euroforum-Konferenz "Kassenärztliche Vereinigungen im Umbruch" in Berlin stattgefunden.  

„Laut einer Studie der KBV vom August 2009 haben wir seit 2008 1,5 Prozent mehr Ärztinnen und Ärzte. Der Bedarf der PatientInnen wandelt sich im Rahmen einer älter werdenden Gesellschaft. Das ärztliche Berufsbild wandelt sich ebenfalls von innen heraus: Zunehmend mehr Frauen sind Ärztinnen und zunehmend mehr MedizinerInnen wollen geregelte Arbeitszeiten, wollen eine bessere Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Weiterbildung. Damit sind wichtige Herausforderungen für den Ärztestand verbunden. Dieser Wandel bringt Herausforderungen für die Erfüllung des Sicherstellungsauftrages mit sich. Wir werden mit ärztlichen Praxen alleine nicht auskommen. Wir brauchen auch mehr Medizinische Versorgungszentren, damit wir die flächendeckende Versorgung auch in Zukunft sicherstellen können“, zeigt sich Mechthild Rawert überzeugt.

„Ich freue mich über die Aussage von Dr. Andreas Köhler, Vorstandsvorsitzender der KBV, dass nun auch angestellte ÄrztInnen in den Medizinischen Versorgungszentren zur Kategorie der freien Berufe gehören. Der Wettbewerb im Gesundheitssystem ist viel mehr, als es der überlagernde und andauernde Streit zwischen der KBV und dem Deutschen Hausärzteprogramm vermuten lässt.“ Nach den aggressiven, sich letztlich in Luft auflösenden Klagen der Verbandsvertreter der ambulant tätigen Ärztinnnen/Ärzte und PsychotherapeutInnen hinsichtlich der von der Selbstverwaltung selbst geforderten Honorarreform zeigt sich die Gesundheitspolitikerin Rawert allerdings stark ernüchtert.

Einerseits sei „das deutsche Gesundheitssystem das leistungsstärkste der Welt und Deutschland noch das europäische Land, wo die Ärztinnen und Ärzte sich am besten in freier Selbstverwaltung bewegen können“, so Dr. Axel Munte, Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns auf der Euroforum-Konferenz am 31. August. Andererseits wurde vom Vorsitzenden der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) nur einen Tag später wegen der ergänzenden Einführung von Individualverträgen zwischen Krankenkassen und Hausärzteverbänden und der angeblichen Gängelung der KVen durch den Gesetzgeber, der kommende Untergang der freien Medizin an die Wand gemalt.

Angesichts von über 2000 nicht besetzten Hausarztsitzen und einer chronischen Unterversorgung in ländlichen Gebieten, aber auch in östlichen Berliner Stadtteilen, sind diese Äußerungen zumindest widersprüchlich. Der vornehmste Auftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen als Körperschaften des öffentlichen Rechts war und ist die angemessene und flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit ärztlichen Dienstleistungen. Die Praxen der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte ballen sich aber seit Jahren in Großstädten und für viele Versicherte der Gesetzlichen Krankenversicherung dauert es, im Unterschied zu Privatpatienten, Wochen, teilweise Monate um einen Untersuchungstermin zu bekommen. Hier besteht neben dem Erklärungs- vor allem ein Handlungsbedarf.
Wir haben mit der Einführung der Integrierten Versorgung, mit Disease-Management-Programmen und jetzt der überfälligen Stärkung der Hausärztinnen und Hausärzte in der Gesundheitspolitik in den letzten Jahren wichtige Schritte zu einem faireren Gesundheitssystem für alle, unabhängig vom Geldbeutel oder Geschlecht, getan. Mit der Änderung des § 73b SGB V, der sogenannten Hausarztzentrierten Versorgung, haben Krankenkassen die Verpflichtung, neben den Kollektivverträgen mit den Kassenärztlichen Vereinigungen, ihren Versicherten eine besondere hausärztliche Versorgung anzubieten. Die Teilnahme bleibt dabei für Ärztinnen/Ärzte und Versicherte freiwillig.

Hintergrund sind unter anderem die guten Erfahrungen die Länder wie Dänemark oder Schweden mit hausarztzentrierten Gesundheitssystemen gemacht haben. In diesen Ländern gibt es jährlich durchschnittlich ca. drei Arzt/PatientInnen-Kontakte; in Deutschland liegt diese Zahl bei fast 18. Leider sind die in Deutschland lebenden Menschen deshalb nicht gesünder.

In der von Karin Vanis vom ZDF geleiteten Diskussion - Motto: Sicher, solidarisch, gerecht - machte Mechthild Rawert deutlich, dass der solidarische Leistungskatalog der Krankenkassen aus Sicht der SPD ohne Kappungen erhalten bleiben solle. Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten setzen sich weiterhin für eine solidarische Bürgerversicherung ein.

Für Mechthild Rawert ist die Stärkung der Lotsenfunktion des Hausarztes/der Hausärztin enorm wichtig. Um dies zu erreichen, bedarf es aber auch einer Erhöhung der hausärztlichen Vergütung; einer Besserstellung der sprechenden Medizin insgesamt. Das Gesundheitswesen insgesamt benötige darüber hinaus eine Besserversorgung älterer Frauen, eine bessere Versorgung chronisch Kranker, mehr Kinderarztpraxen in Ballungsgebieten und eine Besserstellung von Familien in Armut. Schließlich den Ausbau der Palliativpflege und auch der Geriatrie. Notwendig sei der Erhalt der partnerschaftlichen Beziehungen, des Vertrauensverhältnisses zwischen PatientIn und behandelnder Ärztin/behandelndem Arzt.

Dankbar zeigte sich Mechthild Rawert am Rande des Kassenärztetages, dass viele dieser Punkte auch von Bischof Wolfgang Huber, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland, in seiner Begrüßungsrede mit Nachdruck betont wurden.