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Tag der Menschen mit Behinderung im Deutschen Bundestag

„Nehmen Sie kein Blatt vor den Mund“, forderte Bundestagspräsident Norbert Lammert 299 Menschen mit Handicaps und ihre persönlichen Assistenzen auf dem ersten „Tag der Menschen mit Behinderung“ des Deutschen Bundestages auf. „Sie sind hier als StaatsbürgerInnen, die Politik aus einer besonderen Lebensperspektive kommentieren können.“ Die fraktionsübergreifend organisierte Veranstaltung fand am 26./27. Oktober im Foyer des Paul-Löbe-Hauses statt. Mit dabei war auch Gerd Miedthank, Vorstandsmitglied der  Berliner SPD-Arbeitsgemeinschaft „Selbst Aktiv“.

"Behindert ist man nicht, behindert wird man"
Auf Einladung aller Fraktionen nahmen 299 Menschen mit sichtbaren und unsichtbaren Behinderungen aus ganz Deutschland, darunter 84 RollstuhlfahrerInnen, an der zweitägigen Veranstaltung „Tag der Menschen mit Behinderung“ teil. Frank-Walter Steinmeier, Fraktionsvorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, stellte in seinem Grußwort das Selbstbestimmungsrecht als Menschenrecht heraus. Darüber sind sich alle spätestens seit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) einig. Schwieriger ist allerdings der Weg der Umsetzung dieses Menschenrechts. Gerade deshalb ist es im Sinne des Leitspruchs „Nichts ohne uns über uns“ wichtig, Expertinnen und Experten in eigener Sache in die Beratungen einzubeziehen. „Machen Sie uns ihre Vorschläge gerade für die Umsetzung. Wir brauchen Ihre Ideen, brauchen Ihre Erfahrungen.“ Er dankte dem THW, welches das Foyer barrierefrei ausgestaltete und auch den Medizinischen Dienst stellte.

Zusammen mit Gerd Miedthank bin ich mir als Vorstandsmitglied von „selbst aktiv“ in Berlin und Bundestagsabgeordnete für Tempelhof-Schöneberg einig: „Unser großes Ziel ist eine Gesellschaft, die niemanden zurücklässt, niemanden ausschließt, sondern alle teilhaben lässt - eine inklusive Gesellschaft also. Deshalb ist uns das Engagement für eine gelebte Vielfalt auch so wichtig.

Chancengleichheit und Partizipation
Die politische Beteiligung und Mitwirkung von Menschen mit Behinderung stand im Mittelpunkt des „Tag der Menschen mit Behinderung“. Menschen mit Handicaps berieten die Abgeordneten und erarbeiteten gemeinsam mit ihnen Vorschläge für neue bzw. Änderungen alter Gesetze. Der Deutsche Bundestag leistete somit einen wichtigen Beitrag zur Partizipation aller. Umgesetzt wurde damit eine bedeutsame Forderung der UN-Behindertenrechtskonvention. Mir war es daher sehr wichtig, hier dabei zu sein. Die Diskussionen wurden auf Augenhöhe geführt. Das war sowohl hier als auch „vor Ort“ nicht nur Ausdruck von gegenseitigem Respekt sondern auch von demokratischer Partizipation aller.

Handlungsbedarf bei Gesundheit und Pflege
Die Anwesenden teilten sich in Arbeitsgruppen entsprechend der parlamentarischen Ausschüsse auf. So konnten alle Herausforderungen, die mit der Umsetzung der UN-BRK in den verschiedenen Lebens- und Politikbereichen auftreten, diskutiert werden.

Für die ExpertInnen in eigener Sache waren insbesondere folgende Themen bedeutsam: die Versorgung mit Heil- und Hilfsmitteln, der Ausbau der Assistenzpflege und der Bedarf an hauswirtschaftlichen Dienstleistungen. Mitdiskutiert werden auch die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten. An dieser Arbeitsgruppe nahmen weitere Mitglieder des Gesundheitsausschusses sowie RegierungsvertreterInnen teil.

Sehr stark kritisiert wurde die mangelnde Verlässlichkeit in der Versorgung mit Heil- und Hilfsmitteln Eine Ursache sahen die ExpertInnen in eigener Sache vor allem im zunehmendem Wettbewerb im Gesundheitswesen und in den Rabattverträgen. In der Kritik stand die schematische Abarbeitung von Leitlinien, die verhindern, dass dem einzelnen Individuum und dessen persönlicher Bedarfs- und Versorgungslage die Zuwendung und Sorgfalt zuteilwird, die für eine qualitativ gute Entscheidung notwendig sind. Daher standen auch die Krankenkassen unter starkem Beschuss.

Seit 2009 haben pflegebedürftige Menschen, die ihre Assistenzpflegekräfte im sogenannten Arbeitgebermodell beschäftigen, das Recht, diese bei einer stationären Behandlung im Krankenhaus mitzunehmen. Im Gesundheitsausschuss diskutieren die Parlamentarierinnen gerade, die Ausweitung dieser Regelung auf Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen. Diese Woche hat zur Assistenzpflege eine Anhörung stattgefunden. Zwischen den Fraktionen ist die Ausweitung unumstritten. Kontroversen bestehen beim anzuerkennenden Personenkreis: Auch AssistenzpflegerInnen, die nicht per Arbeitgebermodell beschäftigt sind, sollen von einer Neuregelung profitieren. Die TeilnehmerInnen verwiesen auf weiteren Handlungsbedarf: Hauswirtschaftliche Unterstützung. Für mich ist die Ausweitung hauswirtschaftlicher Unterstützung eine Frage von Prävention. Einige Untersuchungen belegen, dass die Gewährung hauswirtschaftlicher Unterstützung einen Bedarf an Pflegeleistungen hinauszögert bzw. gar nicht entstehen lässt. Wir diskutieren gemeinsam weiter.

Selbstverpflichtung des Deutschen Bundestages
Zur Barrierfreiheit gehört der unbeschränkte Zugang zu Informationen und die gleichberechtigte Teilhabe an Veranstaltungen. GebärdendolmetscherInnen und leichte Sprache sind notwendige Voraussetzungen.