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Gesundheit hängt vom Geldbeutel ab - das macht der 4. Armuts- und Reichtumsbericht deutlich

Gesundheit hängt vom Geldbeutel ab. Der Entwurf des 4. Armuts- und Reichtumsberichts legt diesen klaren Zusammenhang zwischen der sozialen und gesundheitlichen Lage der Menschen offen. Auch wenn die Bundesregierung den offiziellen Bericht noch immer nicht veröffentlicht hat, lassen sich die Zahlen und Fakten nicht beschönigen:

Während 13,4 % der Männer mit niedrigen Einkommen gesundheitliche Beeinträchtigungen haben, sind es bei Gutverdienern nur 4 %. Ein ähnliches Bild zeigt sich auch bei den Frauen. Hier sind 12,7 % der Geringverdienerinnen gesundheitlich beeinträchtigt, bei den Gutverdienerinnen nur 3,5 %.

Menschen mit niedrigem Einkommen zeigen eher gesundheitsriskante Verhaltensweisen und nehmen seltener Vorsorgeuntersuchungen wahr. Hier liegen oftmals die Ursachen für die tendenziell stärkere Verbreitung von bestimmten Krebserkrankungen, Herzinfarkt, Diabetes und chronischer Bronchitis.

Riskanter Alkohol- und Medikamentenkonsum steigt mit zunehmenden Alter. Bei den 30 bis 39-Jährigen weisen 13 % einen riskanten Alkoholkonsum auf, bei den 40 bis 49-Jährigen 16 % und bei den 50 bis 59-Jährigen 19%. Einen problematischen Medikamentenkonsum haben bei den 30 bis 39-Jährigen 3%, bei den 40 bis 49-Jährigen 4% und bei den 50 bis 59-Jährigen 6%.

Menschen mit niedrigen Einkommen haben im Krankheitsfall eingeschränkte Konsum- und Pflegemöglichkeiten. Viele Dienstleistungsangebote und Hilfsmittel bedürfen aber zusätzlicher Aufwendungen über das von den Krankenkassen übernommene Niveau hinaus, Stichwort Zuzahlungen. Krankheit wiederum erhöht das Risiko von Armut und sozialer Ausgrenzung. So sinken im Falle der Arbeitslosigkeit die Chancen für eine Wiederbeschäftigung.

Kinder- und Jugendliche aus einkommensarmen Familien haben ein höheres Krankheitsrisiko
Kinder und Jugendliche aus einkommensarmen Familien treiben seltener Sport, insbesondere Vereinssport. Das Risiko für Übergewicht ist um mehr als das Doppelte erhöht. Wird Adipositas als schwere Ausprägung von Übergewicht betrachtet, ist sogar von einem dreifach erhöhten Risiko auszugehen. Sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche essen seltener frisches Obst und Gemüse, Salat und Rohkost sowie Vollkornprodukte. Weißbrot, Fleisch, Wurstwaren, Fast-Food-Produkte sowie fast alle zuckerreichen Lebensmittel und Getränke werden hingegen häufiger konsumiert.

Frauen und Männer im Alter von 18 bis 29 Jahren, die über keinen Schulabschluss oder über einen Hauptschulabschluss verfügen, schätzen ihren Gesundheitszustand viel häufiger als schlecht ein als Frauen und Männer, die über einen Realschulabschluss oder die Hochschulreife verfügen. Männer mit Hauptschulabschluss kommen 2,2-mal häufiger zu einer mittelmäßig bis sehr schlechten Einschätzung ihres Gesundheitszustandes. Bei Frauen beträgt das Verhältnis 2,5 zu eins.

Die Analyse zeigt, dass sich benachteiligte soziale Lebenslagen und ungesunde Lebensweisen aus der Kindheit häufig im jungen Erwachsenalter fortsetzen.

Migration und Gesundheit

Auch der 4. Armuts- und Reichtumsbericht problematisiert, dass die Leistungen der Gesundheitsförderung und der Prävention von Menschen mit Migrationshintergrund unterproportional in Anspruch genommen werden. Das betrifft die Inanspruchnahme und Nutzung von Angeboten zur Ernährungsberatung und Zahnprophylaxe ebenso wie die Nutzung psychosozialer Beratungsstellen.

Bildung ist ein relevanter Faktor
Bildung hat maßgeblichen Einfluss auf das Gesundheitsverhalten. Durch den engen Zusammenhang zwischen formalen Bildungsabschlüssen und der Stellung in der Arbeitswelt ergeben sich Bezüge zu berufsbedingten gesundheitlichen Belastungen und zur Einkommenssituation. Krankheit wiederum kann das Risiko von Armut und sozialer Ausgrenzung erhöhen: So sinken im Fall krankheitsbedingter Arbeitslosigkeit die Wiederbeschäftigungschancen.

Ein niedriges Einkommen geht einher mit einem erhöhten Risiko für bestimmte Krebserkrankungen, Herzinfarkt, Diabetes und chronische Bronchitis. Die Gründe liegen neben tendenziell stärkerer Verbreitung von gesundheitsriskanten Lebensweisen in der vergleichsweise selten wahrgenommenen Vorsorgeuntersuchungen, z.B. der Krebsfrüherkennung.

Hier zeigt sich der Zusammenhang von niedrigem Einkommen und Bildungsstand. Eine gute Bildung drückt sich auch in Wissen und Handlungskompetenz aus, die eine gesundheitsförderliche Lebensweise und den angemessenen Umgang mit Belastungssituationen unterstützen. Bildung hat dabei unabhängig von der Einkommenssituation Einfluss auf die Gesundheit.

Die Arbeitswelt wirkt sich auf die Gesundheit aus

85% der Männer mit hohem gegenüber 59% der Männer mit niedrigem beruflichem Status haben einen sehr guten oder guten Gesundheitszustand. Bei Frauen betragen die Anteile 82% und 60%. So berichten Frauen und Männer, die als ArbeiterInnen tätig sind, deutlich häufiger von Gesundheitsgefahren bei der Arbeit als Angestellte, Freiberufler oder Selbstständige.

Die erhöhte Krankheitslast zeigt sich auch anhand der Abrechnungsdaten der gesetzlichen Krankenkassen. So kommen Arbeiter auf 17,7 krankheitsbedingte Fehltage pro Jahr, männliche Angestellte auf 9,7 Fehltage. Arbeiterinnen fehlen 20,3 Tage krankheitsbedingt, weibliche Angestellte 12,4 Tage. Der ausgeübte Beruf bringt im Hinblick auf die Gesundheit neben unterschiedlichen Entwicklungsmöglichkeiten auch berufsspezifische körperliche und psychosoziale Belastungen mit sich.

Die unterschiedlich verteilten Belastungen und Beanspruchungen in der Arbeitswelt führen dazu, dass insbesondere gering qualifizierte Erwerbstätige häufiger vorzeitig krankheits- oder unfallbedingt in die Rente eintreten. So haben Männer ohne abgeschlossene Berufsausbildung ein 5,6-fach erhöhtes Risiko im Vergleich zu Männern, die ein Hochschul- oder Fachhochschulstudium absolviert haben. Bei gering qualifizierten Frauen ist das Risiko um das 2,8-fache erhöht.

Arbeitslosigkeit macht unglücklich

Auf den Punkt gebracht lässt sich sagen: Arbeitslosigkeit macht unglücklich! In Deutschland ist dieser Effekt besonders ausgeprägt. Während der Anteil der arbeitslosen Menschen, die unglücklich oder unzufrieden sind innerhalb der EU um 127% über dem Durchschnitt liegt, liegt der Wert in Deutschland bei 314%. Arbeitslose in Deutschland bezeichnen sich etwa viermal so häufig als unglücklich oder unzufrieden als die deutsche Durchschnittsbevölkerung.

Damit wird deutlich: die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit dient nicht nur dem Ziel, Einkommensarmut zu verhindern. Der Stellenwert der Arbeit reicht weit über das Materielle hinaus. Es geht um das persönliche Wohlbefinden und das gesellschaftliche Zugehörigkeitsgefühl der und des Einzelnen. Denn Gesundheit ist nach der Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit.

Solidarische Bürgerversicherung statt Zwei-Klassen-Medizin
Die Erkenntnisse des Entwurfs des 4. Armuts- und Reichtumsberichts bestärken unsere Forderung nach einer solidarischen Bürgerversicherung. Nur so beenden wir die Zwei-Klassen-Medizin. Mit der Bürgerversicherung schaffen ein Versicherungs- und Versorgungssystem für alle Bürgerinnen und Bürger und sorgen dafür, dass alle gleich gut behandelt werden.

Gesundheit ist entscheidend für das eigene Lebensglück. Sie ist aber auch die Grundlage für eine produktive Gesellschaft. Die gesundheitliche Versorgung ist deshalb keine Privatsache. Es ist eine gesamtgesellschaftliche - und damit politische – Aufgabe, dafür zu sorgen, dass alle Bürgerinnen und Bürger sich auf eine gute gesundheitliche Versorgung verlassen können, und zwar unabhängig von ihrem Einkommen.


Gesundheitsprävention durch ein Präventionsgesetz stärken
Wie schon in den Vorjahren gibt Bundesgesundheitsminister Bahr (FDP) auch 2013 weniger Geld für die Gesundheitsförderung und für die Aufklärung der Bevölkerung in Gesundheitsfragen aus. Angesichts der Zahlen und Fakten ist das ein Offenbarungseid. Ich frage mich, hat der Bundesgesundheitsminister überhaupt einen Blick in den Entwurf des Armuts- und Reichtumsberichts geworfen?

Wir haben als SPD das Ziel, eine neue und möglichst gemeinsame Gesundheitsförderungsstrategie zu entwickeln. Wir wollen ein Präventionsgesetz!

Wir wollen darin in eine zu gründende Stiftung für Prävention und Gesundheitsförderung ein Nationales Institut Qualitätsentwicklung einbetten. Wir wollen die Stärkung von Wissenschaft und Forschung und die der Öffentlichen Gesundheitsdienste. Das Präventionsgesetz soll dazu die Entwicklung einer umfassenden Präventionsstrategie in interministerieller Abstimmung mit nationalen Präventionszielen initiieren, die Terminologie vereinheitlichen und einen Mindestausgabenwert von 10 Euro pro Versichertenjahr bei einer Verdreifachung der Mittel für nichtbetriebliche Settings.

Zur Perspektive eines solchen Gesundheitsförderungsgesetzes und den künftigen Aufgaben in der Prävention empfehle ich den Artikel des Gesundheitswissenschaftlers Prof. Dr. Raimund Geene von der Hochschule Magdeburg-Stendal.

Im Armuts- und Reichtumsbericht wird eine Verbesserung des Wohnumfeldes in benachteiligten Quartieren gefordert. Aber die Bundesregierung hat bereits im Jahr 2011 das Programm Soziale Stadt um 75 % gekürzt. Die SPD tritt für eine verlässliche Mittelausstattung der Städtebauförderung mit dem Programm „Soziale Stadt“ ein.