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Wie bekämpfe ich das Alltagsphänomen Sexismus?

Was haben a) Blondinenwitze, b) vermeintlich unschuldiges Hinterherpfeifen auf der Straße, c) etwaige Vorurteile gegenüber einzelnen Geschlechtern – „Frauen können nicht Auto fahren“ und „Männern geht es nur um Sex“, d) die teilweise noch immer verbreitete Vorstellung, Frauen seien für den Haushalt sowie die Erziehung der Kinder zuständig, während Männer das Geld verdienen, e) der jüngste „Herrenwitz“ des FDP-Vorsitzenden Christian Lindners, er habe in der Vergangenheit rund 300 Mal den Tag mit seiner ehemaligen Generalsekretärin Linda Teuteberg verbracht, um anschließend zu versichern, er spreche „vom täglichen, morgendlichen Telefonat zur politischen Lage“ und f) die aus der Werbung bekannte stereotype Darstellung von Frauen* in High Heels, kurzen Kleidern und roten Lippenstift gemeinsam? 

Diese vermeintlichen Einzelphänomene sind Ausdruck eines größeren gesellschaftlichen Problems geschlechtsspezifischer, struktureller Diskriminierung. Sie richten sich in den meisten Fällen, jedoch nicht ausschließlich, gegen Frauen* und können unter dem Begriff „Sexismus“ substituiert werden. Sexismus beschreibt dabei die unterschiedlichsten Formen der Diskriminierung, Unterdrückung und Benachteiligung auf der Grundlage des Geschlechts, welchen Vorstellungen über stereotype Geschlechterrolen und hierarchisierende Machtvorstellungen zu Grunde liegen.  

Für mich als Frauen-, Gleichstellungs- und Genderpolitikerin ist es seit vielen Jahren ein gewichtiges wesentliches Anliegen auf der Ebene der Politik für die Beseitigung von allen Formen des Sexismus zu kämpfen. Das ist ein aktiver Beitrag zur Umsetzung des Verfassungsauftrages in Art. 3 Abs. 2: Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. 

Definition von Sexismus von Nöten

Angesichts der vielfältigen Erscheinungsformen und Ausprägungen von Sexismus haben Menschen oft unterschiedliche Vorstellung über die Definition von Sexismus. So können Grenzen bestimmter Äußerungen und Taten unterschiedlich wahrgenommen werden. Bestimmte „nett gemeinte“ Äußerungen werden zum Teil damit legitimiert, dass Frauen sich von ihnen geschmeichelt fühlen würden; Sexismus wird relativiert als „harmloser Flirt“. Diese „Anti-Sexismus-Haltung“ ist in Teilen der Gesellschaft noch immer verankert. Die Leugnung dessen wiederum geht einher mit der Ablehnung von Maßnahmen, die darauf abzielen, soziale Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern abzubauen.

Gleichsam sind sich Betroffene oft im Unklaren, wo die Grenzen zwischen Flirt und sexueller Belästigung liegen, sind sich somit nicht über das Ausmaß des Sexismus bewusst oder trauen sich nicht, über Erfahrungen zu sprechen. Auf diese Weise bleibt Sexismus häufig unbemerkt. 

Um Sexismus zu bekämpfen und ihn in all seinen Ausprägungen ins Bewusstsein der von uns allen zu rücken, bedarf es eines verbindlichen, gesellschaftlichen Konsenses über die Ausmaße von Sexismus. Wichtig sind an dieser Stelle umfassende Aufklärung und Sensibilität über das Themas Sexismus. Es gilt, die Rechte Betroffener bei sexueller Diskriminierung, Belästigung und Gewalt gesamtgesellschaftlich sichtbarer zu machen. Grenzüberschreitung müssen auch als solche benannt werden, denn „Nein“ heißt „Nein“.

Sexismus im Alltag 

Eine aktuelle Umfrage zeigt, dass Sexismus in Deutschland keinesfalls ein Randphänomen, sondern ein alltäglich auftretendes Problem ist. Die im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) von Prof. Dr. Carsten Wippermann im Jahr 2018 durchgeführte Studie „Sexismus im Alltag - Wahrnehmungen und Haltungen der deutschen Bevölkerung“ befragte repräsentativ Menschen ab 16 Jahren. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass rund 44 Prozent aller Frauen* laut eigenen Angaben sexistische Übergriffe in ihrem Alltag erleben - 14 Prozent von ihnen mehrmals im Monat. Auch ein erheblicher Teil der Männer gibt an, im Alltag von Sexismus betroffen zu sein, hier sind es rund 32 Prozent. Mehr als jeder zehnte Mann (elf Prozent) erlebt Sexismus mehrmals im Monat. Insgesamt haben ca. 63 Prozent aller Frauen und 49 Prozent aller Männer sexistische Übergriffe bei anderen oder bei sich selbst wahrgenommen. Das ist eine erschreckend hohe Zahl.  Sexismus kann die Betroffenen verunsichern, verletzen und verärgern. Erlebte Erfahrungen von Sexismus werden oft als beschämend, erniedrigend und belastend beschrieben.

Bekämpfung von Sexismus ist eine gesamtgesellschaftliche und politische Aufgabe

Nicht zuletzt auf Grund der erschreckend hohen Zahlen der Studie muss die Bekämpfung von Sexismus sowohl eine gesamtgesellschaftliche sowie eine politische Aufgabe sein. 

Sexismus ist ein facettenreiches Alltagsphänomen. Er findet sich in nahezu jedem Bereich des gesellschaftlichen Lebens wieder, im privaten als auch im öffentlichen Raum, in der Arbeitswelt und in den Medien. Er äußert sich auf vielfältige Weise und zeigt sich im Denken, in verbalen Übergriffen, sexistischen Sprüchen, subtilen Bemerkungen und sexueller Belästigung bis hin zu Formen sexualisierter Gewalt. 

Sexismus gibt es auf mehreren Ebenen: der individuellen (Mikro-)Ebene als auch der strukturellen (Makro-)Ebene. Makroökonomisch begründet und bewirkt Sexismus häufig ungleiche Leistungsbewertung von Männern und Frauen*, ungleiche Bezahlung oder fehlende Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Auch der Mangel an weiblichen Führungspositionen in privaten und öffentlich geförderten Institutionen und Unternehmen sowie der Gender Pay Gap, das geschlechtsspezifische Lohngefälle zu Lasten von Frauen*, stellt eine spezifische Ausprägung von strukturellem Sexismus dar.

Sexistische Strukturen müssen als Machtstrukturen erkannt werden

Das BMFSFJ gründete deshalb in Kooperation mit dem Forschungs- und Beratungsinstitut EAF Berlin | Europäische Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft Berlin e.V. 2020 die Initiative „Dialogforen gegen Sexismus“.

Ziel ist der Austausch zwischen Vertreter*innen aus Wirtschaft, Kultur, Medien, Politik, Verwaltung, Zivilgesellschaft und staatlichen Akteur*innen über wissenschaftliche Erkenntnisse und Erfahrungen zu Phänomenen des Sexismus. Auf dieser Basis werden konkrete Maßnahmen und gesamtgesellschaftliche Handlungsempfehlungen erarbeitet. 

Erste Ergebnisse der Dialogforen wurden im Rahmen einer online stattfindenden Fachkonferenz am 21. Januar 2021 vorgestellt. Die verschiedenen Akteur*innen waren sich einig: Von maßgeblicher Bedeutung ist eine umfassende Klärung der Definition und der Ursachen von Sexismus.  Nur wenn das Phänomen in seiner Breite verstanden wird, wird es gelingen, Handlungsempfehlungen zu erarbeiten und Sexismus nachhaltig zu bekämpfen.

Die Formen von Sexismus sind vielfältig, dennoch sind Grundlage in der Regel implizite Geschlechtsvorurteile und Geschlechterstereotype, die von einem ungleichen sozioökonomischen sowie politischem Status von Frauen* und Männern ausgehen. Sexismus ist somit nie ein zufällig auftretendes Phänomen. 

Viel eher nimmt Sexismus konkrete Funktionen ein. So dient er als Instrument der Zuschreibung geschlechtsspezifisch geprägter hierarchischer Positionen und der Einengung der Vielfalt geschlechtlicher Ausprägungen. Damit verbunden ist die Etablierung und Aufrechterhaltung von Macht- und Ressourcenverhältnissen. 

Insbesondere Frauen*, die in akademischen Berufen und „typischen Männerberufen“ tätig sind, erleben häufig sexistische Attacken durch beruflich Vorgesetzte und Kolleg*innen. Bestimmte Vorstellungen (hegemonialer) Männlichkeit und damit verbundene Verhaltensmuster werden nicht infrage gestellt, hierarchische Geschlechterordnungen werden gefestigt. Sexistische Praktiken fungieren hier als Machtkomponente, um Frauen* auf nachgeordnete Positionen zu verweisen. Dieser Faktor ist ein wesentlicher Grund, warum Frauen in Führungspositionen noch immer stark unterpräsentiert sind. 

Sexismus hat zudem institutionelle Ursachen: Durch die erotische Darstellung von zumeist Frauen* als Sexobjekt und Luststeigerungsfaktor in Bildern, Filmen und (Werbe-) Botschaften zum Zweck der Verkaufsförderung wird Sexismus nicht nur etabliert und damit gesellschaftsfähig. Durch die (sozialen) Medien werden sexistische Einstellungen, Verhaltensmuster und Praktiken auch schnell zur gesellschaftlichen Norm und gewinnen damit an Akzeptanz. 

Gesetze reichen zur Sexismusbekämpfung nicht aus

Die Diskussionen in den „Dialogforen gegen Sexismus“ machten noch einmal sehr deutlich, , dass neben gesetzgebenden Maßnahmen wie der Verschärfung des Strafrechts und der Einführung von Frauenquoten und Paritätsgesetzen eine Unzahl parallel wirkender Maßnahmen notwendig sind, um Sexismus entgegen zu wirken. Es braucht Aufklärungskampagnen und Beratungsangebote in Schulen und Bildungseinrichtungen sowie eine Stärkung von Prävention und Aufklärung. Sinnvoll ist auch die Evaluierung bestimmter Maßnahmen: Erzielen die Maßnahmen auch wirklich die intendierte Wirkung? Wichtig ist ein klares, umfassendes Konzept, sodass einzelne Maßnahmen nicht ins Leere laufen. Auch braucht es eine intersektionale Analyse und Beschäftigung mit Formen des Sexismus. Nur wenn andere Kategorien wie beispielsweise „race“ und „class“ mit in den Blick genommen werden, kann die Verwobenheit sexistischer Phänomene mit anderen Diskriminierungsformen verstanden werden. 

Gleichstellung der Geschlechter 

Der Kampf gegen geschlechtsspezifische Diskriminierung beinhaltet die Gleichstellung der Geschlechter. Ein wichtiger Schritt hierfür ist die 2020 beschlossene „Gleichstellungsstrategie der Bundesregierung“. Hier sind Ziele für die Gleichstellung von Frauen und Männern festlegt und es werden Vorhaben der Bundesregierung aufgezeigt, um diese Ziele zu erreichen. Um der Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen entgegen zu wirken und eine bessere Teilhabe von Frauen zu fördern, beschloss das Bundeskabinett Anfang Januar 2021 eine Reform des Gesetzes zur Frauenquote. Bei großen Unternehmen, die börsennotiert und paritätisch mitbestimmt sind, soll ab vier Vorstandsmitgliedern künftig mindestens eine Frau im Vorstand sein.  

Das BMFSFJ unterstützt zudem mehrere Initiativen und Projekte gegen Sexismus, sexuelle Belästigung und Rollenstereotype: So etwa das Projekt „make it work: Für einen Arbeitsplatz ohne sexuelle Diskriminierung, Belästigung und Gewalt“ des Bundesverbands Frauenberatungsstellen, welches die Gestaltung einer gewalt-und diskriminierungsfreieren Arbeitskultur zum Ziel hat. Das bundesweite Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ berät anonym und kostenfrei Frauen, die Gewalt erlebt haben oder erleben sowie deren Angehörige, Freund*innen und Fachkräfte. Unterstützt wird auch das Projekt „Schule gegen Sexismus“, eine Online-Plattform, die als Bildungsangebot fungiert. Interessierte können Fragen zu Geschlechterrollen, Sexualität, Feminismus und Sexismus stellen und bekommen hierzu von ausgewählten Genderforschenden Antworten. Gefördert werden so Diskussionen über Sexismus, Gender und sexistische Einstellungen. 

Sprache gendern

Um Sexismus erfolgreich zu bekämpfen, werden Maßnahmen auf struktureller Ebene nicht ausreichen. Wichtig sind zudem Impulse auf der Mikroebene. Jede*r Einzelne kann dazu beitragen. Es fängt in unserer Sprache an. Ein wesentlicher Aspekt ist hierbei die Verwendung einer geschlechterneutralen (gesprochenen und geschriebenen) Sprache. Die Verwendung des generischen Maskulinums, also eine verallgemeinernd verwendete männliche Personenbezeichnung, ist weit verbreitet: Frauen* werden hier sprachlich nicht direkt genannt, sondern durch das Verwenden der männlichen Form „mitgemeint“. 

Studien beweisen, dass Sprache die Art und Weise beeinflusst, wie wir die Welt wahrnehmen. Demnach führt die Verwendung des generischen Maskulinums dazu, dass weibliche Personen weniger vorstellbar bzw. sichtbar sind. Geschlechtsneutrale Sprache trägt daher aktiv zur Gleichberechtigung der Geschlechter sowie zur aktiven Sichtbarkeit der unterschiedlichen Geschlechter bei. 

Traditionelle Rollenstereotype überwinden

Sexismus kann nur dann auf einen Resonanzboden stoßen, wenn traditionelle Rollenbilder und Umgangsweisen als gegeben angesehen werden. Die soziale Geschlechtsidentität ist nichts „Naturgegebenes“, sondern wird sozial konstruiert. Bestimmte Verhaltensweisen werden als „männlich“ oder „weiblich“ definiert, woraus bestimmte Standards für Verhalten und Benehmen resultieren. Ein wichtiger Faktor ist somit die Sozialisation: Geschlechtsneutrale Erziehung kann dabei helfen, Rollenstereotype gar nicht erst entstehen zu lassen.

Die Fachkonferenz der Dialogforen gegen Sexismus haben deutlich gemacht: Die Aufgabe der Sexismusbekämpfung ist eine umfassende - und zwar politisch als auch gesamtgesellschaftlich. Ich bin zuversichtlich, dass wir alle unseren Teil dazu beitragen können, um uns für Geschlechtergerechtigkeit stark zu machen und es uns so gelingen wird, Sexismus entgegenzuwirken. Unser Ziel muss letztendlich eine Gesellschaft sein, in der Menschen nicht nach Geschlecht kategorisiert werden, sondern das Individuum als solches wahrgenommen wird. Lassen Sie uns gemeinsam diesen Weg gehen.

(Foto: SPD / Colourbox) 

Was haben a) Blondinenwitze, b) vermeintlich unschuldiges Hinterherpfeifen auf der Straße, c) etwaige Vorurteile gegenüber einzelnen  Geschlechtern – „Frauen können nicht Auto fahren“ und „Männern geht es nur um Sex“, d) die teilweise noch immer verbreitete Vorstellung, Frauen seien für den Haushalt sowie die Erziehung der Kinder zuständig, während Männer das Geld verdienen, e) der jüngste „Herrenwitz“ des FDP-Vorsitzenden Christian Lindners, er habe in der Vergangenheit rund 300 Mal den Tag mit seiner ehemaligen Generalsekretärin Linda Teuteberg verbracht, um anschließend zu versichern, er spreche „vom täglichen, morgendlichen Telefonat zur politischen Lage“ und f) die aus der Werbung bekannte stereotype Darstellung von Frauen* in High Heels, kurzen Kleidern und roten Lippenstift gemeinsam? 

Diese vermeintlichen Einzelphänomene sind Ausdruck eines größeren gesellschaftlichen Problems geschlechtsspezifischer, struktureller Diskriminierung. Sie richten sich in den meisten Fällen, jedoch nicht ausschließlich gegen Frauen* und können unter dem Begriff „Sexismus“ substituiert werden. Sexismus beschreibt dabei die unterschiedlichsten Formen der Diskriminierung, Unterdrückung und Benachteiligung auf der Grundlage des Geschlechts, welchen Vorstellungen über stereotype Geschlechterrolen und hierarchisierende Machtvorstellungen zu Grunde liegen.  

Für mich als Frauen-, Gleichstellungs- und Genderpolitikerin ist es seit vielen Jahren ein gewichtiges wesentliches Anliegen auf der Ebene der Politik für die Beseitigung von allen Formen des Sexismus zu kämpfen. Das ist ein aktiver Beitrag zur Umsetzung des Verfassungsauftrages in Art. 3 Abs. 2: Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. 

Definition von Sexismus von Nöten

Angesichts der vielfältigen Erscheinungsformen und Ausprägungen von Sexismus haben Menschen oft unterschiedliche Vorstellung über die Definition von Sexismus. So können Grenzen bestimmter Äußerungen und Taten unterschiedlich wahrgenommen werden. Bestimmte „nett gemeinte“ Äußerungen werden zum Teil damit legitimiert, dass Frauen sich von ihnen geschmeichelt fühlen würden; Sexismus wird relativiert als „harmloser Flirt“. Diese „Anti-Sexismus-Haltung“ ist in Teilen der Gesellschaft noch immer verankert. Die Leugnung dessen wiederum geht einher mit der Ablehnung von Maßnahmen, die darauf abzielen, soziale Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern abzubauen.

Gleichsam sind sich Betroffene oft im Unklaren, wo die Grenzen zwischen Flirt und sexueller Belästigung liegen, sind sich somit nicht über das Ausmaß des Sexismus bewusst oder trauen sich nicht, über Erfahrungen zu sprechen. Auf diese Weise bleibt Sexismus häufig unbemerkt. 

Um Sexismus zu bekämpfen und ihn in all seinen Ausprägungen ins Bewusstsein der von uns allen zu rücken, bedarf es eines verbindlichen, gesellschaftlichen Konsenses über die Ausmaße von Sexismus. Wichtig sind an dieser Stelle umfassende Aufklärung und Sensibilität über das Themas Sexismus. Es gilt, die Rechte Betroffener bei sexueller Diskriminierung, Belästigung und Gewalt gesamtgesellschaftlich sichtbarer zu machen. Grenzüberschreitung müssen auch als solche benannt werden, denn „Nein“ heißt „Nein“.

Sexismus im Alltag 

Eine aktuelle Umfrage zeigt, dass Sexismus in Deutschland keinesfalls ein Randphänomen, sondern ein alltäglich auftretendes Problem ist. Die im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) von Prof. Dr. Carsten Wippermann im Jahr 2018 durchgeführte Studie „Sexismus im Alltag - Wahrnehmungen und Haltungen der deutschen Bevölkerung“ 

  https://www.bmfsfj.de/blob/141246/f8b55ee9dae35a2e638acb530f89dfe0/sexismus-im-alltag-pilotstudie-data.pdf

befragte repräsentativ Menschen ab 16 Jahren. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass rund 44 Prozent aller Frauen* laut eigenen Angaben sexistische Übergriffe in ihrem Alltag erleben - 14 Prozent von ihnen mehrmals im Monat. Auch ein erheblicher Teil der Männer gibt an, im Alltag von Sexismus betroffen zu sein, hier sind es rund 32 Prozent. Mehr als jeder zehnte Mann (elf Prozent) erlebt Sexismus mehrmals im Monat. Insgesamt haben ca. 63 Prozent aller Frauen und 49 Prozent aller Männer sexistische Übergriffe bei anderen oder bei sich selbst wahrgenommen. Das ist eine erschreckend hohe Zahl.  Sexismus kann die Betroffenen verunsichern, verletzen und verärgern. Erlebte Erfahrungen von Sexismus werden oft als beschämend, erniedrigend und belastend beschrieben.

Bekämpfung von Sexismus ist eine gesamtgesellschaftliche und politische Aufgabe

Nicht zuletzt auf Grund der erschreckend hohen Zahlen der Studie muss die Bekämpfung von Sexismus sowohl eine gesamtgesellschaftliche sowie eine politische Aufgabe sein. 

Sexismus ist ein facettenreiches Alltagsphänomen. Er findet sich in nahezu jedem Bereich des gesellschaftlichen Lebens wieder, im privaten als auch im öffentlichen Raum, in der Arbeitswelt und in den Medien. Er äußert sich auf vielfältige Weise und zeigt sich im Denken, in verbalen Übergriffen, sexistischen Sprüchen, subtilen Bemerkungen und sexueller Belästigung bis hin zu Formen sexualisierter Gewalt. 

Sexismus gibt es auf mehreren Ebenen: der individuellen (Mikro-)Ebene als auch der strukturellen (Makro-)Ebene. Makroökonomisch begründet und bewirkt Sexismus häufig ungleiche Leistungsbewertung von Männern und Frauen*, ungleiche Bezahlung oder fehlende Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Auch der Mangel an weiblichen Führungspositionen in privaten und öffentlich geförderten Institutionen und Unternehmen sowie der Gender Pay Gap, das geschlechtsspezifische Lohngefälle zu Lasten von Frauen*, stellt eine spezifische Ausprägung von strukturellem Sexismus dar.

Sexistische Strukturen müssen als Machtstrukturen erkannt werden

Das BMFSFJ gründete deshalb in Kooperation mit dem Forschungs- und Beratungsinstitut EAF Berlin | Europäische Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft Berlin e.V. 

https://www.eaf-berlin.de

2020 die Initiative „Dialogforen gegen Sexismus“ 

https://www.eaf-berlin.de/news/dialogforen-gegen-sexismus/

.

Ziel ist der Austausch zwischen Vertreter*innen aus Wirtschaft, Kultur, Medien, Politik, Verwaltung, Zivilgesellschaft und staatlichen Akteur*innen über wissenschaftliche Erkenntnisse und Erfahrungen zu Phänomenen des Sexismus. Auf dieser Basis werden konkrete Maßnahmen und gesamtgesellschaftliche Handlungsempfehlungen erarbeitet. 

Erste Ergebnisse der Dialogforen wurden im Rahmen einer online stattfindenden Fachkonferenz am 21. Januar 2021 vorgestellt. Die verschiedenen Akteur*innen waren sich einig: Von maßgeblicher Bedeutung ist eine umfassende Klärung der Definition und der Ursachen von Sexismus.  Nur wenn das Phänomen in seiner Breite verstanden wird, wird es gelingen, Handlungsempfehlungen zu erarbeiten und Sexismus nachhaltig zu bekämpfen.

Die Formen von Sexismus sind vielfältig, dennoch sind Grundlage in der Regel implizite Geschlechtsvorurteile und Geschlechterstereotype, die von einem ungleichen sozioökonomischen sowie politischem Status von Frauen* und Männern ausgehen. Sexismus ist somit nie ein zufällig auftretendes Phänomen. 
Viel eher nimmt Sexismus konkrete Funktionen ein. So dient er als Instrument der Zuschreibung geschlechtsspezifisch geprägter hierarchischer Positionen und der Einengung der Vielfalt geschlechtlicher Ausprägungen. Damit verbunden ist die Etablierung und 
Aufrechterhaltung von Macht- und Ressourcenverhältnissen. 

Insbesondere Frauen*, die in akademischen Berufen und „typischen Männerberufen“ tätig sind, erleben häufig sexistische Attacken durch beruflich Vorgesetzte und Kolleg*innen. Bestimmte Vorstellungen (hegemonialer) Männlichkeit und damit verbundene Verhaltensmuster werden nicht infrage gestellt, hierarchische Geschlechterordnungen werden gefestigt. Sexistische Praktiken fungieren hier als Machtkomponente, um Frauen* auf nachgeordnete Positionen zu verweisen. Dieser Faktor ist ein wesentlicher Grund, warum Frauen in Führungspositionen noch immer stark unterpräsentiert sind. 

Sexismus hat zudem institutionelle Ursachen: Durch die erotische Darstellung von zumeist Frauen* als Sexobjekt und Luststeigerungsfaktor in Bildern, Filmen und (Werbe-) Botschaften zum Zweck der Verkaufsförderung wird Sexismus nicht nur etabliert und damit gesellschaftsfähig. Durch die (sozialen) Medien werden sexistische Einstellungen, Verhaltensmuster und Praktiken auch schnell zur gesellschaftlichen Norm und gewinnen damit an Akzeptanz. 

Gesetze reichen zur Sexismusbekämpfung nicht aus

Die Diskussionen in den „Dialogforen gegen Sexismus“ machten noch einmal sehr deutlich, , dass neben gesetzgebenden Maßnahmen wie der Verschärfung des Strafrechts und der Einführung von Frauenquoten und Paritätsgesetzen eine Unzahl parallel wirkender Maßnahmen notwendig sind, um Sexismus entgegen zu wirken. Es braucht Aufklärungskampagnen und Beratungsangebote in Schulen und Bildungseinrichtungen sowie eine Stärkung von Prävention und Aufklärung. Sinnvoll ist auch die Evaluierung bestimmter Maßnahmen: Erzielen die Maßnahmen auch wirklich die intendierte Wirkung? Wichtig ist ein klares, umfassendes Konzept, sodass einzelne Maßnahmen nicht ins Leere laufen. Auch braucht es eine intersektionale Analyse und Beschäftigung mit Formen des Sexismus. Nur wenn andere Kategorien wie beispielsweise „race“ und „class“ mit in den Blick genommen werden, kann die Verwobenheit sexistischer Phänomene mit anderen Diskriminierungsformen verstanden werden. 

Gleichstellung der Geschlechter 

Der Kampf gegen geschlechtsspezifische Diskriminierung beinhaltet die Gleichstellung der Geschlechter. Ein wichtiger Schritt hierfür ist die 2020 beschlossene „Gleichstellungsstrategie der Bundesregierung“ 

https://www.gleichstellungsstrategie.de/

. Hier sind Ziele für die Gleichstellung von Frauen und Männern festlegt und es werden Vorhaben der Bundesregierung aufgezeigt, um diese Ziele zu erreichen. Um der Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen entgegen zu wirken und eine bessere Teilhabe von Frauen zu fördern, beschloss das Bundeskabinett Anfang Januar 2021 eine Reform des Gesetzes zur Frauenquote. Bei großen Unternehmen, die börsennotiert und paritätisch mitbestimmt sind, soll ab vier Vorstandsmitgliedern künftig mindestens eine Frau im Vorstand sein.  

Das BMFSFJ unterstützt zudem mehrere Initiativen und Projekte gegen Sexismus, sexuelle Belästigung und Rollenstereotype: So etwa das Projekt „make it work: Für einen Arbeitsplatz ohne sexuelle Diskriminierung, Belästigung und Gewalt“ 

https://www.frauen-gegen-gewalt.de/de/make-it-work-fuer-einen-arbeitsplatz-ohne-sexuelle-diskriminierung-belaestigung-und-gewalt-2118.html

des Bundesverbands Frauenberatungsstellen, welches die Gestaltung einer gewalt-und diskriminierungsfreieren Arbeitskultur zum Ziel hat.  Das bundesweite Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ 

https://www.google.com/search?client=firefox-b-d&q=Hilfetelefon+%E2%80%9EGewalt+gegen+Frauen%E2%80%9C+


berät anonym und kostenfrei Frauen, die Gewalt erlebt haben oder erleben sowie deren Angehörige, Freund*innen und Fachkräfte. Unterstützt wird auch das Projekt „Schule gegen Sexismus“

https://pinkstinks.de/schule-gegen-sexismus/das-projekt/

, eine Online-Plattform, die als Bildungsangebot fungiert. Interessierte können Fragen zu Geschlechterrollen, Sexualität, Feminismus und Sexismus stellen und bekommen hierzu von ausgewählten Genderforschenden Antworten. Gefördert werden so Diskussionen über Sexismus, Gender und sexistische Einstellungen. 

Sprache gendern

Um Sexismus erfolgreich zu bekämpfen, werden Maßnahmen auf struktureller Ebene nicht ausreichen. Wichtig sind zudem Impulse auf der Mikroebene. Jede*r Einzelne kann dazu beitragen. Es fängt in unserer Sprache an. Ein wesentlicher Aspekt ist hierbei die Verwendung einer geschlechterneutralen (gesprochenen und geschriebenen) Sprache. Die Verwendung des generischen Maskulinums, also eine verallgemeinernd verwendete männliche Personenbezeichnung, ist weit verbreitet: Frauen* werden hier sprachlich nicht direkt genannt, sondern durch das Verwenden der männlichen Form „mitgemeint“. 
Studien beweisen, dass Sprache die Art und Weise beeinflusst, wie wir die Welt wahrnehmen. Demnach führt die Verwendung des generischen Maskulinums dazu, dass weibliche Personen weniger vorstellbar bzw. sichtbar sind. Geschlechtsneutrale Sprache trägt daher aktiv zur Gleichberechtigung der Geschlechter sowie zur aktiven Sichtbarkeit der unterschiedlichen Geschlechter bei. 

Traditionelle Rollenstereotype überwinden

Sexismus kann nur dann auf einen Resonanzboden stoßen, wenn traditionelle Rollenbilder und Umgangsweisen als gegeben angesehen werden. Die soziale Geschlechtsidentität ist nichts „Naturgegebenes“, sondern wird sozial konstruiert. Bestimmte Verhaltensweisen werden als „männlich“ oder „weiblich“ definiert, woraus bestimmte Standards für Verhalten und Benehmen resultieren. Ein wichtiger Faktor ist somit die Sozialisation: Geschlechtsneutrale Erziehung kann dabei helfen, Rollenstereotype gar nicht erst entstehen zu lassen.

Die Fachkonferenz der Dialogforen gegen Sexismus haben deutlich gemacht: 
Die Aufgabe der Sexismusbekämpfung ist eine umfassende, und zwar politisch als auch gesamtgesellschaftlich. Ich bin zuversichtlich, dass wir alle unseren Teil dazu beitragen können, um uns für Geschlechtergerechtigkeit stark zu machen und es uns so gelingen wird, Sexismus entgegenzuwirken. Unser Ziel muss letztendlich eine Gesellschaft sein, in der Menschen nicht nach Geschlecht kategorisiert werden, sondern das Individuum als solches wahrgenommen wird. Lassen Sie uns gemeinsam diesen Weg gehen.