Hauptmenü

Das Recht auf Leben und Würde - Denkmal für die von den Nazis ermordeten Sinti und Roma

Nach jahrzehntelangem Streit ist das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas nun eingeweiht. Die Hauptbotschaft im Berliner Tiergarten am 24. Oktober: Das Engagement gegen Rassismus und für das Leben und die Würde eines jeden Menschen ist nach wie vor erforderlich. Gerade im Umgang mit den Sinti und Roma in Europa zeigt sich, ob Menschen, die hier seit Jahrhunderten leben, würdig behandelt werden. Das Denkmal ermahnt uns, Minderheiten zu schützen und uns für ihre gesellschaftliche Integration einzusetzen.

An der Einweihung habe ich zusammen mit 16 jungen Roma und Sinti teilgenommen, die derzeitig bei südost Europa Kultur e.V. eine Bildungsmaßnahme absolvieren. Mir sind diese „geteilten Erfahrungen“ über Barrieren von Herkunft, Alter, sozialem Status hinweg wichtig. Nur im Miteinander ist Vielfalt erlebbar.

Erinnerung als Mahnung für die Zukunft
„Dies ist ein besonderer Moment und ein besonderer Ort für die Roma und Sinti sowie die Jenischen“, betonte Staatsminister Bernd Neumann, Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien. Er erinnerte an die frühe planmäßige und systematische Ermordung dieser Opfergruppen. Bereits 1938 hat SS-Reichsführer Heinrich Himmler die "endgültige Lösung der Zigeunerfrage" angeordnet. Im „Porajmos“ („das Verschlingen“) wurden rund eine halbe Million Roma und Sinti ermordet.

Unter großem Beifall mahnte Klaus Wowereit, Berlins Regierender Bürgermeister, dass dieses Denkmal mit „lebendiger Erinnerung zu füllen“ ist. Es soll ein Zeichen gegen die heutige Diskriminierung setzen. „Opfergruppen können immer wieder neu definiert werden. Deshalb müssen wir mutig Gesicht zeigen und beständig für die Freiheit und gegen die Diktatur kämpfen.“ erklärte Wowereit. Er erinnerte an das Schicksal des Profiboxers Johann (Rukeli) Trollmann. Trollmann errang 1933 den Meistertitel im Halbschwergewicht, was den Rassenideologen missfiel. Nach neuen Forschungsergebnissen des AK "Marginalisierte-gestern und heute" war Trollmann von den Nazis im Arbeits- und Bewahrungshaus Rummelsburg eingesperrt worden. 1944 wurde er im KZ-Außenlager Wittenberge ermordet. Wowereit wies auch auf den sogenannten „Zigeunerrastplatz Marzahn“ hin. Dieser diente den Nazis zwischen 1936 und 1943 der „Konzentration“ von Roma und Sinti. Viele der Menschen wurden von hier nach Auschwitz verschleppt und dort umgebracht.

Vor einem neuen gewaltbereiten Rassismus in Europa auch aus der Mitte der Gesellschaft heraus warnte Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma. Auch heute noch muss Antiziganismus ebenso wie Antisemitismus geächtet werden gegen Minderheiten, gegen Roma und Sinti. Erschreckend sind die im Internet zu findenden Mordaufrufe. Wer so handelt, ächtet nicht nur in abscheulicher Weise Minderheiten sondern stellt sich auch die Demokratie!

Eindringlich und berührend waren die parallel eingespielten Originalaufnahmen der „Kinder von Mulfingen“. Zu sehen waren Gesichter namenloser Roma- und Sintikinder. Eine NS-Rassenforscherin forschte an ihnen im Rahmen ihrer Doktorarbeit. Ihre weiteren Schicksale sind unbekannt.

„Erinnerungen eines Überlebenden“

Bewegt erzählte Zoni Weisz von der letzten Begegnung mit seinem Vater, der einen blauen Mantel aus weichem Stoff trug, am 19. Mai 1944. Zoni Weisz wurde am 4. März 1937 in Den Haag geboren und überlebte als niederländischer Sinto die deutsche Besatzung in Verstecken. Die Familie wurde in Auschwitz und Mittelbau-Dora ermordet. Er selbst entkam der Deportation als siebenjähriger Junge.

Weisz forderte: Wir müssen Lehren ziehen. die Menschen dürfen nicht umsonst gestorben sein. Es muss unser aller Aufgabe sein, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Minderheiten in Sicherheit und Frieden leben können. Unter dem Applaus der Anwesenden mahnte er die Regierungen der einzelnen Mitgliedsstaaten die Roma-Strategie der Europäischen Union umfassend umzusetzen. Damit soll den in der EU lebenden Roma vor allem ein fairer Zugang zu Bildung, Beschäftigung, Gesundheitsversorgung, Wohnraum und öffentlichen Versorgungsnetzen ermöglicht werden.

Am 27. Januar 2011 sprach Weisz als erster Vertreter der Sinti und Roma im Deutschen Bundestag zum Gedenken an die Opfer nationalsozialistischer Verfolgung.

Eine Blume für hunderttausende ermordete Menschen
Für den israelischen Künstler Dani Karavan ist das Denkmal für die ermordeten Sinti und Roma nach eigenen Worten sein Bedeutendstes. Es soll „wie ein unaufhörliches Gebet“ wirken. Es verdeutlicht das Recht auf Leben und Würde eines Menschen an jedem Ort.

Das Denkmal besteht aus einem Wasserbecken mit einem Durchmesser von zwölf Metern. Einmal täglich versinkt in dampfendem Wasser inmitten der dunklen, glatten Oberfläche eine Blume. Kurz darauf taucht unter Geigenklängen eine frische Blume wieder auf. Eine Blume für Hoffnung und Leben.

Am Rand des Wasserbeckens ist das Gedicht "Auschwitz" des Rom Santino Spinelli zu lesen:

Eingefallenes Gesicht
erloschene Augen
kalte Lippen
Stille
ein zerrissenes Herz
ohne Atem
ohne Worte
keine Tränen.

Die umgebenden Steinen nennen die Namen der Vernichtungslager. Auf Tafeln können sich die BesucherInnen über den Völkermord an den Sinti und Roma informieren.

Dani Karavan, 81, wurde als Sohn von 1930 nach Palästina/Israel ausgewanderten Pionieren in Tel Aviv geboren. Als Künstler ist Karavan für seine Werke zwischen Skulptur und Landschaftsarchitektur bekannt. Für den Deutschen Bundestag schuf er das Kunstwerk „Grundgesetz 49“, eine dreißig Meter lange Glasfassade, auf der die Grundrechte des Grundgesetzes eingraviert sind. Das Kunstwerk setzt sich als gestalteter Innenhof des Jakob-Kaiser-Hauses fort.

Für die Bundesregierung erkannte Bundeskanzler Helmut Schmidt 1982 den Völkermord an Sinti und Roma und als Opfer der nationalsozialistischen Diktatur an. Der Streit über die Gestaltung des Denkmals dauerte dann noch einmal über 20 Jahre. Umso wichtiger war jetzt die Einweihung am 24.10.2012.